Wie die Zivilisation im Klimawandel endet
Was kommt nach dem Klimawandel - Teil 7
Die Katastrophe beginnt mit vielen kleinen Ereignissen und mehr oder weniger einschneidenden Störungen. Wir befinden uns derzeit in einer Phase, in der Reparaturmaßnahmen und Aufräumarbeiten immer noch wieder möglich sind und die Wiederherstellung des normalen Lebens die Illusion erweckt, dass es sich beim Klimawandel um eine Folge beherrschbarer einzelner Extremwetterlagen handelt, die zwar unangenehm und manchmal auch gefährlich sind, aber alles in allem für unseren Lebensstandard und für unsere Art und Weise, mit der Welt umzugehen, keine Konsequenzen hat. Alles erscheint noch als technisch beherrschbar, so wie bisher jede Herausforderung technisch gemeistert werden konnte.
Teil 1: Klimawandel: Verhinderung der Katastrophe ist kaum noch vorstellbar
Teil 2: Was wandelt sich im Klimawandel?
Teil 3: Zukunft des Klimas: Vom Wandel über die Katastrophe ins Chaos
Teil 4: Leben im Klimawandel: Die Zeit der Zerstörung
Teil 5: Wie Ökosysteme im Klimawandel zerstört werden
Teil 6: Die Zerstörung der Kultur durch den Klimawandel
Schon in den nächsten Jahrzehnten wird das Bild sich wandeln. Zunehmend werden wir die Erfahrung machen, dass Störungen sich nicht mehr rechtzeitig reparieren lassen, bevor das nächste Unglück passiert. Wir werden erleben, dass Stabilisierungsversuche scheitern, dass Bauvorhaben, die Sicherheit bringen sollen, vom nächsten Sturm zerstört werden, dass hoffnungsvolle landwirtschaftliche Experimente scheitern, weil die Getreidesorten, in die wir unsere Hoffnungen setzen, mit dem Klimachaos doch nicht zurecht kommen, weil ausgerechnet in den Jahren, in denen wir hoffen, dass das da wächst und gedeiht, was wir aufwändig gezüchtet haben, die Witterung wieder ganz anders ist als vorhergesagt.
Vertrauensverlust in die Fähigkeiten der modernen Gesellschaft
Das wird ein tiefes Misstrauen in die Fähigkeiten unserer gesellschaftlichen Institutionen hervorrufen. Dass die Wissenschaften und die Ingenieurskunst noch vernünftige Lösungen entwickeln können, werden immer weniger Menschen glauben. Das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit moderner Technik wird schwinden. Vor allem aber wird das Vertrauen in die politischen Institutionen, insbesondere in demokratische Entscheidungsverfahren, schwinden. Die These, dass politische Verfahren viel zu lange dauern, die heute bereits weit verbreitet ist, wird zur allgemein anerkannten Selbstverständlichkeit. Der Zögerlichkeit, dem Abwägen, den Prüf- und Genehmigungsverfahren wird die Schuld daran gegeben werden, dass Maßnahmen zum Schutz vor Folgen des Klimawandels nicht rechtzeitig ergriffen werden. Jedes Scheitern, jeder Fehlschlag wird der Politik angelastet werden. Immer wird es Leute geben, die beanspruchen, schon vorher gezeigt zu haben, dass der eingeschlagene Weg nicht der richtige ist. Immer wird es Leute geben, die beteuern, dass alles besser gelaufen wäre, wenn man nur auf sie gehört hätte.
Dazu kommen die internationalen und globalen gegenseitigen Schuldzuweisungen und Konflikt-Eskalationen, all das wird nicht nur die kulturellen und technischen Infrastrukturen, sondern auch die politische Stabilität erodieren lassen, Zusammenarbeit und Ausgleich wird durch kurzfristigen Eigennutz und Kampf um Deutungshoheit und Ressourcen ersetzt. Man muss, ausgehend von aktuellen Entwicklungen in der internationalen Politik, erwarten, dass in immer mehr Ländern mit wachsender Unsicherheit und Zukunftsangst immer häufiger Populisten und Demagogen an die Macht kommen, die es schaffen, den Bürgern des je eigenen Landes die Schuld und das eigene Verantwortungsbewusstsein für das Geschehen zu ersparen indem sie die Verantwortlichen für jede Katastrophe und jedes Scheitern ausländischen Kräften und Regierungen zuschreiben - und zugleich versprechen, nun mit starker Hand und festem Willen dafür zu sorgen, dass den eigenen Interessen des je eigenen Volkes, der eigenen Region oder des eigenen Kontinents nun wieder Geltung verschafft wird.
Damit werden, nach und mit den technischen und kulturellen Infrastrukturen schließlich auch die politischen Infrastrukturen des Ausgleichs und der Kooperation auf jeder Ebene zerstört. Die Menschheit hört auf, zu existieren - nicht erst dann, wenn die Menschen ausgestorben sein werden, sondern dann, wenn die Konzepte der Gemeinsamkeit und der universellen Menschlichkeit und Zusammengehörigkeit unbedeutend geworden sind. Dann zerfällt die Menschheit, so labil und flüchtig ihr Bestehen bisher gewesen ist, schnell in eine zerfetzte und fragmentierte Menge von Gruppen, die sich gegenseitig als Grund allen Übels ansehen und aus dem daraus resultierenden Hass die Rechtfertigung für einen unerbittlichen Kampf um die letzten Ressourcen zum Weiterleben ziehen. Wie sich dieses Geschehen entwickeln kann, wird uns im Folgenden genauer beschäftigen.
Trotz der großen Verwerfungen, die gerade beschrieben wurden, werden die Menschen nicht automatisch und innerhalb weniger Jahrzehnte aussterben. Wir müssen uns zunächst vergegenwärtigen, dass es zurzeit auf der Erde fast acht Milliarden Menschen gibt - und in den nächsten Jahren werden es, trotz des beginnenden Klimachaos, immer noch mehr. Sodann müssen wir bedenken, dass die Menschen es sich unter unterschiedlichsten klimatischen Bedingungen, in Wüstenregionen und in tropischen Wäldern, in Regionen des ewigen Eises und in kargen Steppengebieten eingerichtet haben. Zudem haben Menschen in den vergangenen Jahrhunderten lang andauernde Kriege, tödliche Krankheitsepidemien und Naturkatastrophen überstanden. Diese waren zwar immer regional begrenzt, aber auch die Ressourcen und Handlungsmöglichkeiten der Menschen waren begrenzt. Die heutigen Menschen verfügen über ein großes akkumuliertes Wissen, auch wenn dieses Wissen, welches womöglich zum Überleben gebraucht wird, nicht präsent ist, lässt es sich doch aktualisieren. Auf den folgenden Seiten wird es deshalb vor allem um die Frage gehen, wie wir leben werden, die Frage, ob die Menschen im Verlauf des Klimachaos aussterben müssen, bleibt Spekulation.
Das Ende der Menschlichkeit ist das Ende der Menschheit
Beginnen wir jedoch mit dem schlimmsten und schrecklichsten, und dennoch wahrscheinlichen Teil des Szenarios. Es gibt Regionen auf der Erde, auf denen der Großteil der dort lebenden Menschen tatsächlich wenig Chancen auf ein Überleben im Klimachaos haben wird. Die ansteigenden Meeresspiegel, verbunden mit Sturmfluten und extremen Überschwemmungen, werden weite Gebiete Ozeaniens und andere Inselgruppen unbewohnbar machen, die Menschen werden dort ertrinken, diejenigen, die die Überschwemmungen überleben, werden sich vom unfruchtbar gewordenen Land nicht ernähren können und werden an Hunger und Krankheiten sterben. Kein Konjunktiv und kein relativierender Einschub, dass dies "zu befürchten" oder "als Risiko anzunehmen" sei, darf uns davor bewahren, diesem Zukunftsszenario in die Augen zu sehen. Einige von ihnen werden zu fliehen versuchen - aber wohin? Wir wissen aus den Erfahrungen der vergangenen Jahre, dass niemand bereit sein wird, diese Menschen aufzunehmen und zu versorgen. Das gilt für jene aus den Inselstaaten ebenso wie für die, die aus überfluteten und unbewohnbaren Küstenregionen ins Innere ihrer Kontinente fliehen. Das Klimachaos wird jedes Land, jede Gesellschaft, vor eigene Herausforderungen und Risiken stellen, da sollten wir nicht die Hoffnung pflegen, dass etwa die Europäer bereit sein werden, die Evakuierung und Neuansiedlung der Klimaflüchtlinge aus den ärmsten und gefährdetsten Ländern zu organisieren und zu finanzieren.
Aus eigener Kraft werden ohnehin nur die wenigsten von ihnen sich auf den Weg machen können. Die meisten werden ohne Hoffnung so lange wie es geht von den Resten ihrer Habe zehren und dabei zugrunde gehen.
Das ist gemeint, wenn wir vom Ende der Menschheit, dem Ende der Zivilisation, sprechen. Es wird dazu kommen, dass wir hier in den am besten ausgestatteten Gesellschaften, wir, die durch ihre Industrialisierung und ihr ungehemmtes Wachstum den größten Teil der Katastrophe zu verantworten haben und die wir zudem den Menschen in den anderen Regionen der Welt ein Bild von Wohlstand vorgelebt und als anzustrebendes Vorbild hingestellt haben, sodass auch diese auf den leuchtenden Pfad des Verderbens eingeschwenkt sind, wir werden nicht nur die Türen, sondern auch die Augen und Ohren vor dem Leid der Anderen verschließen, weil wir Angst vor unserer eigenen Zukunft haben und jede zusätzliche Belastung, jede Unsicherheit durch die Aufnahme von Fremden verweigern werden.
Man kann zurecht einwenden, dass die Europäer und mit ihnen dann die Nordamerikaner sich nie wirklich und praktisch um das Leid in den fernen Regionen gekümmert habe, nicht, wenn sie dieses Leid ganz oder teilweise verschuldet haben und auch nicht, wenn es die Menschlichkeit und eine universale Ethik gefordert hätten. Eine Menschheit im Sinne einer universellen Bereitschaft, für andere einzustehen und auch für die fernsten Menschen Hilfe zu leisten, hat es vielleicht nie gegeben. Eine Zivilisation in dem Sinne, dass wir gemeinsam und zivilisiert nach dem Wohlergehen aller strebten, war immer eher ein Ideal als gelebte Praxis. Das ist richtig und es sollte die letzten Illusionen darüber begraben, ob wir nicht vielleicht doch zu Rettungsmissionen aufbrechen werden um die Menschen auf der Südhalbkugel vor dem Ertrinken und dem Verhungern, vor dem Tod durch Epidemien und am Ende durch Bürgerkriege zu bewahren. Wir werden aber in aller Deutlichkeit einzusehen haben, dass wir eben moralisch um nichts besser geworden sind als die Kolonisatoren Afrikas und die Eroberer Amerikas es waren.
Vermutlich werden wir schon nach kurzer Zeit den Kontakt zu diesen fernen Weltregionen verlieren. Die Störung und der Zusammenbruch sowie das Desinteresse an allen Problemen, die nicht unmittelbar unsere eigenen sind oder unser eigenes Leben wenigstens mittelbar betreffen, werden dazu führen, dass die Meldungen und Nachrichten von fernen Katastrophen uns bald nicht mehr erreichen werden. So werden wir uns immer einreden können, dass wir ja nicht wissen, wie die Katastrophe für die Menschen auf den Inseln im Pazifik, in Indien und in Südafrika ausgegangen ist und dass sie sich ja vielleicht irgendwie haben retten können.
Das Ende der "westlichen Welt"
Was steht uns hier in den hochtechnisierten, mit wissenschaftlichen Kenntnissen und Meisterwerken der Ingenieurskunst bestens ausgestatteten Regionen der Welt bevor? Werden wir uns retten können? Oder wird es auch hier schon wenige Jahrzehnte nach dem Beginn der zerstörerischen Phase des Klimawandels kaum noch Menschen geben?
Zunächst ist anzunehmen, dass wir kaum noch Kinder haben werden. Schon unter den Bedingungen des Wohlstandes sind die Geburtenzahlen zurückgegangen, auch wenn sie in den letzten Jahren wieder zugenommen haben. Die jungen Menschen haben sich entschieden, auf den richtigen Moment in ihrem Leben zu warten, um Kinder zu haben. Daran ist nichts zu bemängeln. Aber unter den Bedingungen der Klimakrise wird es keinen richtigen Moment mehr geben. Kaum jemand wird in einer Zeit der größten Unsicherheit über die Zukunft verantworten wollen, Kinder in diese Welt zu setzen. Zudem sind Kinder für 10-20 Jahre selbst eine große Belastung und erhöhen das Risiko, den Gefährdungen der unsicheren Zeiten nicht begegnen zu können.
Die unsicheren Zeiten kommen schleichend. Sie beginnen mit Unterbrechungen im Schienenverkehr durch Blitzeinschläge in Stellwerke, durch Unterspülung von Schienen, mit Stromausfällen durch umgestürzte Strommasten, mit überschwemmten Autobahnen und Fernstraßen. Vielleicht beginnen die unsicheren Zeiten des Klimawandels auch mit Ernteausfällen, die das Mehl und das Obst teurer machen, oder mit Staubstürmen auf den Autobahnen. Sie beginnen mit niedrigen Wasserständen in den Stauseen, die dazu führen, dass hier und da und für kurze Zeit das Trinkwasser knapp zu werden droht.
Teil 8: Wie die Hochtechnologie im Klimawandel versagt