Wie kommt deutscher Plastikabfall in den Pazifik?
Die Weltmeere sind voll mit Plastikabfall in unterschiedlichen Fraktionen
Da war doch die Freude groß, als im Zusammenhang mit den Funden von Kunststoffresten in den Weltmeeren offensichtlich die Pazifik-Anrainer für die Vermüllung ihres Ozeans verantwortlich gemacht werden konnten. Chinesen sowie die Einwohner Süd- und Südostasiens sollten dafür verantwortlich sein. Aus Deutschland könnte der Müll nicht stammen.
Da stellt sich die Frage, wo der deutschen Kunststoff-Abfall denn hin geht? Bis in den Gelben Sack und bis zum kommunalen Wertstoffhof scheint der Weg des Kunststoffabfalls noch nachvollziehbar zu sein. Doch bald darauf verlieren sich die Spuren. Da wird nichts mehr dokumentiert oder getracked.
Die Verfolgung der Kunststoff-Fraktion aus dem Recycling zählt weder zu den Aufgaben der Zentralen Stelle Verpackungsregister noch zu den Aufgaben der Stiftung ear.
Nach Aussage des Umweltbundesamtes gilt: Die "Verbringung von Abfällen ist in der EU durch die Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 (VVA) geregelt. Der Export von Abfällen nach China und Südostasien ist nur für ungefährliche, sogenannte 'grüne Abfälle' erlaubt. Die ungefährlichen Abfälle sind in den Anhängen III oder IIIA der VVA gelistet, Kunststoffabfälle werden dort unter dem Code B3010 geführt. Diese Abfälle dürfen auch nur mit dem Zweck der Verwertung (stofflich oder energetisch) ausgeführt werden, nicht zur Beseitigung. Es besteht keine Pflicht, diese Abfälle vorab zu notifizieren und den Export genehmigen zu lassen, was die statistische Dokumentierbarkeit an dieser Stelle erschwert."
Und so steht in der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 nur:
Im Fall von Verbringungen von zur Verwertung bestimmten Abfällen, die in den Anhängen III, IIIA oder IIIB aufgeführt sind, ist es zweckmäßig, ein Mindestmaß an Überwachung und Kontrolle sicherzustellen, indem vorgeschrieben wird, dass bei solchen Verbringungen bestimmte Informationen mitzuführen sind.
Die grenzüberschreitende Abfallstatistik des Statistischen Bundesamtes nennt für Kunststoffabfälle (Zoll-Code 3915) für das Jahr 2017 Exporte in der Höhe von insgesamt 1218349,4 Tonnen, wovon 1027768,9 Tonnen nach China, einschließlich Hongkong und Macao gingen und 410950,1 Tonnen nach Asien (inkl. Nahost und Ozeanien) gingen.
Damit steht fest, dass Kunststoffabfälle aus Deutschland in Länder geliefert werden, die zum Pazifik hin entwässern. Da man für den Transport der Kunsstoff-Abfälle preiswerte Transportkapazitäten nutzen kann, die dadurch entstehen, dass viele Leercontainer von europäischen Häfen nach Fernost transportiert werden müssen, um dort wieder mit den Waren-Lieferungen für Europa befüllt werden, ist der Transport beinahe kostenfrei.
Was passiert mit dem deutschen Kunststoffmüll in Fernost?
Georg Mehlhart vom Öko-Institut in Darmstadt hat sich intensiv mit der Frage der Kunststoffmüllexporte nach Fernost befasst und kommt zu dem Ergebnis, dass das
Recycling und auch die Entsorgung von gemischten Kunstoffen in Deutschland und Europa nicht kostenfrei ist. Problematisch sind auch Kunststoffabfälle von Elektroaltgeräten die oft mit Flammschutzmitteln belastet sind. Solche Kunststoffe dürfen in Europa nicht mehr als Sekundärrohstoffe in Verkehr gebracht werden. Für diese kommt eigentlich nur noch eine Verbrennung Frage und auch das kostet in der Regel Geld. Ohne regulatorische Kontrolle ist es dann eine einfache Abwägung: Wie werde ich die Kunststoffabfälle am billigsten wieder los. Für die chinesischen Handelspartner war das interessant: technisch ist das Recycling solcher Kunststoffe z.B. mit Flammschutzmitteln kein Problem. Die Produkte mit solchen minderwertigen oder gefährlichen Kunststoffen gelangen dann regelmäßig auch wieder in Produkten auf dem europäischen Markt. Das was auch in China nicht mehr verwertbar war, konnte kostengünstig und auch häufig illegal entsorgt werden.
Nachdem China nicht mehr die Müllhalde für die Industriestaaten geben wollte, suchten sich die Kunststoff-Abfälle neue Ziele (Ohne die billige Müllhalde China verschärft sich das weltweite Plastikmüllproblem). Vor allem die Export-Mengen nach Malaysia und Vietnam seien förmlich explodiert, bemerkt Mehlhardt vom Öko-Institut. Vietnam habe dann reagiert und den Import im Sommer 2018 praktisch verboten. Auch Malaysia konnte seine Importmengen zeitweise reduzieren. Inzwischen sei Indonesien der größte Einzelimporteur für Kunststoffabfälle aus der EU (Was geschieht mit unserem Kunststoffmüll?).
Hierbei sollte man sich vor Augen führen, dass Indonesien der zweitgrößte Verursacher von Kunststoffen im Ozean ist. Laut Stopoceanplastic verarbeitet Indonesien derzeit mehr als 6 Millionen Tonnen Neu-Kunststoff pro Jahr und der Austrag in Gewässer wird auf etwa 1 Million Tonnen pro Jahr geschätzt. Und ausgerechnet dorthin werden nun die europäischen Kunststoffabfälle exportiert. Auch Malaysia wird unter den Top 10 der aktuellen Verursacher von Kunststoffen im Meer gesehen.
Die Umweltministerin Malaysias hat in diesem Zusammenhang Mitte Januar angekündigt, 100 illegale Kunststoffrecyclinganlagen in Malaysia zu schließen. Außerdem wurden drastische Maßnahmen angekündigt: Importlizenzen sollen aufgehoben werden. Es sollen auch Gebühren und Geldbußen eingeführt werden, damit verunreinigte Kunststoffabfälle nicht mehr importiert werden.
Malaysia könnte jetzt auch die zuständigen Behörden in Deutschland auffordern, illegal nach Malaysia eingeführten Kunststoff-Abfall zurückzunehmen. Bislang ist keine solche Aufforderung ergangen. Zuständig für die Verfolgung illegaler Verbringungen von Abfällen sind in Deutschland die Behörden der Bundesländer, was die Stellung einer Rücknahmeforderung für die malaysischen nicht gerade erleichtert.
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