Wie reagieren Länder des Globalen Südens auf die Gewalteskalation in Nahost?

Zerstörungen nach Bombardierung des Gazastreifen durch israelisches Militär. Bild: Screenshot Democracy Now Video

Elf Staaten des Globalen Südens verurteilen zwar die Angriffe der Hamas. Aber viele verweisen auf die "eigentlichen Ursachen". Wie sich diese Position begründet. Ein Gastbeitrag.

Eine Untersuchung der offiziellen Reaktionen von elf Staaten des Globalen Südens außerhalb der Region Naher Osten/Nordafrika – Brasilien, Mexiko, Kenia, Nigeria, Südafrika, Bangladesch, Indien, Malaysia, Indonesien, Singapur und Vietnam – zeigt, dass die Angriffe der Hamas übereinstimmend verurteilt werden.

Allerdings gehen die Aussagen darüber auseinander, wer die Schuld trägt, wie die Lösung aussieht und was als Nächstes zu tun ist. Die meisten der in dieser Umfrage ausgewählten Staaten gehören zu den wichtigsten Mittelmächten des Globalen Südens. Vier kleinere oder weniger einflussreiche Staaten – Bangladesch, Kenia, Malaysia und Singapur – sind ebenfalls vertreten.

In Lateinamerika erklärte Brasilien, es …

verurteile die Serie von Bombenanschlägen und Bodenangriffen, die vom Gazastreifen aus in Israel verübt wurden, spreche den Familien der Opfer Beileid aus und bekunde seine Solidarität mit dem israelischen Volk.

"Es gibt keine Rechtfertigung für die Anwendung von Gewalt, insbesondere gegen Zivilisten", schrieb das brasilianische Außenministerium in einer Erklärung. "Die brasilianische Regierung fordert alle Parteien auf, größtmögliche Zurückhaltung zu üben, um eine Eskalation der Situation zu vermeiden."

Sarang Shidore ist Studiendirektor am Quincy Institute und Fellow beim Council on Strategic Risks.

Brasilien "bekräftigt außerdem sein Engagement für die Zwei-Staaten-Lösung ... innerhalb der gegenseitig vereinbarten und international anerkannten Grenzen" und "bekräftigt, dass die bloße Verwaltung des Konflikts keine gangbare Alternative zur Lösung der israelisch-palästinensischen Frage darstellt und die Wiederaufnahme von Friedensverhandlungen dringend erforderlich ist".

Auch der brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva brachte seine "Ablehnung des Terrorismus in all seinen Formen" zum Ausdruck und forderte eine Zwei-Staaten-Lösung. Brasilien, das im Oktober den Vorsitz im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen innehat, berief an diesem Wochenende eine geschlossene Dringlichkeitssitzung des Rates ein. Bei der Sitzung konnte keine Einigung über eine Erklärung erzielt werden.

Das mexikanische Außenministerium "verurteilt die Angriffe auf das israelische Volk (und) fordert ein Ende dieser unangemessenen Gewalt ..., um eine Eskalation zu vermeiden, die noch größeres ... Leid über die Zivilbevölkerung bringen wird".

In der mexikanischen Erklärung heißt es außerdem, dass es "von wesentlicher Bedeutung ist, den Prozess direkter und vertrauenswürdiger Verhandlungen zwischen beiden Parteien ... im Rahmen der Zwei-Staaten-Lösung ... innerhalb der gegenseitig vereinbarten und international anerkannten, sicheren Grenzen in Übereinstimmung mit (den Resolutionen der Vereinten Nationen) wieder aufzunehmen."

Das kenianische Außenministerium verurteilt auf das Schärfste den unprovozierten Angriff der militanten Hamas" und rief beide Seiten auf, Zurückhaltung zu üben und eine Verhandlungslösung" für den Konflikt zu finden.

Nigeria erklärte seinerseits, es sei "zutiefst besorgt" über den "Ausbruch der Feindseligkeiten zwischen Israel und der Hamas" und rufe "zu Deeskalation und Waffenstillstand" sowie zu einer "friedlichen Lösung des Konflikts durch Dialog" auf.

Südafrika rief zur "sofortigen Beendigung der Gewalt, zur Zurückhaltung und zum Frieden" auf.

"Der neue Flächenbrand ist entstanden durch ... die illegale Besetzung palästinensischen Landes, die Entweihung der Al-Aqsa-Moschee und der christlichen heiligen Stätten sowie die anhaltende Unterdrückung des palästinensischen Volkes", erklärte das südafrikanische Außenministerium am Samstag in einer Erklärung und forderte die Rückkehr zu den "international anerkannten Grenzen von 1967 mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt" und erwähnte auch "das Recht auf Rückkehr".

Mit Blick auf Asien wurde der indische Premierminister Narendra Modi mit den Worten zitiert, er sei "zutiefst schockiert über die Nachricht von den Terroranschlägen in Israel" und fügte hinzu, er und seine Regierung stünden "in Solidarität mit Israel". Das indische Außenministerium hatte bei Redaktionsschluss noch keine Presseerklärung zu der Krise abgegeben.

Verhandlungen jetzt!

Das Außenministerium von Bangladesch erklärte, es "verurteile den anhaltenden bewaffneten Konflikt zwischen Israel und Palästina und bedauere den daraus resultierenden Verlust unschuldiger ziviler Leben (und) fordere einen sofortigen Waffenstillstand".

"Das Leben unter der israelischen Besatzung und den erzwungenen Siedlungen auf palästinensischem Gebiet wird keinen Frieden bringen", heißt es in der Erklärung weiter. Bangladesch unterstütze eine Zwei-Staaten-Lösung, bei der Palästina und Israel als unabhängige Staaten nebeneinander leben, die frei von Besatzung sind und den UN-Resolutionen 242 und 338 folgen.

Das indonesische Außenministerium erklärte, es sei "tief besorgt über die Eskalation des Konflikts zwischen Palästina und Israel".

"Indonesien fordert die sofortige Beendigung der Gewalt", heißt es in der Erklärung. "Die Ursache des Konflikts, nämlich die Besetzung der palästinensischen Gebiete durch Israel, muss in Übereinstimmung mit den von der Uno vereinbarten Parametern gelöst werden."

Vietnam teilte mit, es sei "zutiefst besorgt" und forderte "die betroffenen Parteien auf, Zurückhaltung zu üben" und "von Aktionen abzusehen, die die Situation verkomplizieren". Hanoi fügte hinzu, dass es die "relevanten Parteien" auffordere, "bald die Verhandlungen wieder aufzunehmen, um die Meinungsverschiedenheiten mit friedlichen Mitteln auf der Grundlage des Völkerrechts und der einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrats zu lösen".

Singapur erklärte unterdessen, dass es "die Raketen- und Terrorangriffe aus dem Gazastreifen auf Israel, die zum Tod und zu Verletzungen vieler unschuldiger Zivilisten geführt haben, aufs Schärfste verurteilt".

"Wir fordern ein sofortiges Ende der Gewalt und drängen alle Seiten, ihr Möglichstes zu tun, um die Sicherheit der Zivilisten zu schützen", sagte ein Sprecher des Außenministeriums von Singapur.

Malaysia sagte, es sei "zutiefst besorgt über den Verlust von so vielen Menschenleben durch die jüngste Eskalation der Zusammenstöße im und um den Gazastreifen. In dieser kritischen Zeit müssen die Parteien äußerste Zurückhaltung üben und deeskalieren".

"Die eigentliche Ursache muss erkannt werden", heißt es in der Erklärung weiter. "Die Palästinenser sind der anhaltenden illegalen Besatzung, der Blockade und dem Leid, der Entweihung der Al-Aqsa sowie der Politik der Enteignung durch Israel als Besatzer ausgesetzt."

"Es sollte keine ... eklatante Heuchelei im Umgang mit einem Regime geben, das Apartheid praktiziert und eklatant gegen ... internationales Recht verstößt", fügte das malaysische Außenministerium hinzu. "Die Palästinenser haben das Recht, in ihren eigenen anerkannten Grenzen, die auf den Grenzen von vor 1967 basieren, in einem Staat des Friedens zu leben, mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt."

Zwar hat jeder dieser 11 Staaten, wie zu erwarten war, den schrecklichen Anschlag der Hamas verurteilt, doch lassen ihre Erklärungen unterschiedliche Haltungen zu Israel erkennen. Indien (obwohl eine offizielle Erklärung des Außenministeriums noch aussteht) scheint derzeit der israelischen und amerikanischen Position am nächsten zu stehen, indem es sich auf den Terrorismus beruft, ohne Deeskalation, die Zwei-Staaten-Lösung oder wichtige UN-Resolutionen zu Palästina zu erwähnen.

Auch Singapur bezieht sich auf den Terrorismus. Kenia erwähnt den Terrorismus indirekt, bezeichnet den Hamas-Angriff aber als "unprovoziert". Obwohl in der offiziellen brasilianischen Erklärung das T-Wort nicht vorkommt, bezeichnet Lula die Hamas-Angriffe eindeutig als Terrorismus.

Die sieben anderen Staaten haben den Angriff nicht als Terrorismus bezeichnet. Nigeria vermeidet es jedoch, Israel zu kritisieren, und formuliert seine Friedensaufrufe in allgemeinen Worten.

Bangladesch, Indonesien, Malaysia und Südafrika kritisieren Israel und nennen ausdrücklich die israelische Besatzung als Ursache. Brasilien, Mexiko und Vietnam konzentrieren sich auf Zurückhaltung, die Zwei-Staaten-Lösung und UN-Resolutionen oder das einschlägige Völkerrecht.

Wenn wir diese Reaktionen auf ein Spektrum des Grades der Übereinstimmung mit den Positionen der USA und Israels zur Krise projizieren (zugegebenermaßen eine schwierige Aufgabe aufgrund der Komplexität der beteiligten Themen und des frühen Stadiums der Reaktionen), scheinen Indien und Kenia am nächsten an den USA und Israel zu sein. Dahinter folgen Singapur und Nigeria. Brasilien, Mexiko und Vietnam scheinen weiter weg zu sein.

Am anderen Ende des Spektrums und damit am wenigsten mit den israelischen und US-amerikanischen Positionen übereinstimmend liegen Bangladesch, Indonesien, Malaysia und Südafrika.

Sollte die Gewalt im Nahen Osten weiter eskalieren, was wahrscheinlich ist, werden sich die diplomatischen Bemühungen auf die Vereinten Nationen verlagern. Dann werden wir viel mehr darüber wissen, wie die Staaten des Globalen Südens zu diesem Thema stehen.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit dem US-Medium Responsible Statecraft. Hier geht es zum englischen Original. Übersetzung: David Goeßmann.

Sarang Shidore ist Studiendirektor und Senior Research Fellow am Quincy Institute und Senior Non-Resident Fellow beim Council on Strategic Risks. Außerdem ist er Lehrbeauftragter an der George Washington University. Sarang hat mit zahlreichen Organisationen zusammengearbeitet und dort veröffentlicht, darunter das Asian Peace Program, Brookings Institution, Center for Strategic and International Studies, Council on Foreign Relations, Council on Strategic Risks, Oxford Analytica, Paulson Institute, Stimson Center, UK Ministry of Defense und Woodwell Climate Research Center.

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