Wie wahrscheinlich ist eine Myokarditis nach einer mRNA-Corona-Impfung?

Herzmuskelentzündungen bei Geimpften dreimal häufiger als bei Ungeimpften, aber bei SARS-CoV-2-Infizierten deutlich häufiger als bei Nicht-Infizierten. Impfungen von gesunden Kindern und Jugendlichen weiterhin fragwürdig

Das Auftreten einer Myokarditis und/oder Perikarditis ist eine zwar seltene, aber schwerwiegende Nebenwirkung nach der Impfung mit den in der EU zugelassenen mRNA-basierten Vakzinen Comirnaty und Spikevax der beiden US-amerikanischen Pharmaunternehmen Biontech-Pfizer und Moderna. Besonders betroffen sind junge Männer nach der zweiten Impfung.

Darüber hat Telepolis in den letzten Wochen ausführlich informiert.

Berichtet wurde auch, dass diese Nebenwirkung in der pharmakritischen wissenschaftlichen Zeitschrift Der Arzneimittelbrief als Hypersensivitäts-Myokarditis beschrieben wird. Darunter versteht man Krankheiten, die durch eine überschießende Immunreaktion verursacht werden.

Zu der gravierenden möglichen Impf-Nebenwirkung einer Myokarditis finden sich in der aktuellen September-Ausgabe des Arzneimittelbriefs und im aktuellen 14. Sicherheitsbericht des Paul Ehrlich-Instituts (PEI) vom 20.09.2021 weitere neue Informationen, über die im Folgenden kurz berichtet werden soll.

Histologische Befunde bei Myokarditis nach Impfung

So ist im aktuellen Arzneimittelbrief zu lesen, dass inzwischen von beiden pharmazeutischen Unternehmen vor dieser Nebenwirkung ihrer Impfstoffe mittels eines Rote-Hand-Briefs vom 19.07.2021 gewarnt worden ist. Bis zum 31. Mai 2021 wurden in der EU 145 Fälle von Myokarditis bei Personen registriert, die mit Comirnaty, und 19 Fälle bei Personen, die mit Spikevax geimpft worden waren.

In den USA wurden bis zum 18.08.2021 exakt 1.339 Fälle von Myokarditis und/oder Perikarditis bei Personen im Alter von 30 Jahren oder jünger nach der Injektion von mRNA-Impfstoffen gemeldet. Davon konnten 778 mittlerweile durch Überprüfung durch die CDC (Centers for Disease Control and Prevention) bestätigt werden.

Der Arzneimittelbrief berichtet, dass es bisher keine genauen histologischen Befunde zur Myokarditis nach mRNA-basierten SARS-CoV-2-Impfstoffen gegeben hat. Nun gibt es neue Erkenntnisse durch histologische Befunde. In einem Brief an das renommierte New England Journal Med wurden zwei Fälle einer Myokarditis genauer beschrieben, von denen eine Person verstorben ist.

Die histologischen Befunde bei beiden Patienten bestätigten das Bild der Hypersensitivitäts-Myokarditis und passen gut zu einer Autoimmunreaktion nach der Impfung. Bei dem verstorbenen Patienten zeigte sich, dass diese mögliche Nebenwirkung der mRNA-basierten Impfstoffe ernst zu nehmen ist.

Meldesysteme von Nebenwirkungen

Auch zur Inzidenz der Myokarditis nach Impfung mit Comirnaty aus Populations-basierten epidemiologischen Untersuchungen gibt es neue Befunde aus Israel. Zur Bewertung des Hintergrunds dieser neuen Daten führt der Arzneimittelbrief aus, dass die kurz- und mittelfristigen Nebenwirkungen der Corona-Impfstoffe bisher wenig systematisch untersucht worden seien.

Langzeit-Nebenwirkungen können erst während mehrerer Jahre nach der Zulassung erfasst werden. Seltenere Nebenwirkungen sind in Phase-III-Studien meist nicht zu ermitteln. Daher sind nach der Zulassung von Arzneimitteln verschiedene Arten von Meldesystemen der Nebenwirkungen wichtig.

Passive Meldesysteme (Vaccine Adverse Event Reporting System = VAERS) erfassen potenzielle Nebenwirkungen, die auf freiwilliger Basis von Gesundheitsbehörden gemeldet werden. Dazu gehören auch die Meldesysteme, auf denen der oben genannte Sicherheitsbericht des PEI aufgebaut ist.

Zusammen mit den Nebenwirkungen, die hier gemeldet wurden, und denen aus den Phase-III-Studien wird dann eine Liste von möglichen Nebenwirkungen (wie z.B. Safety Platform for Emergency Vaccines = SPEAC) erstellt.

Aktive Systeme auf der Basis großer elektronisch gesammelter Meldungen (wie z.B. "Biologics Effectiveness and Safety" = BEST) haben das Ziel, die Inzidenz solcher möglichen Ereignisse mit denen in einer historischen populationsbasierten Kontrollgruppe zu vergleichen, um einen möglichen kausalen Zusammenhang besser zu ermitteln.

Diese Systeme haben aber meist die Schwäche, dass eine große, gut vergleichbare Kontrollgruppe fehlt.

Inzidenzen von Myokarditis nach Impfung

Für eine solche vergleichende Untersuchung über die Inzidenz der Myokarditis nach Impfungen mit dem mRNA-Impfstoff Comirnaty ergaben sich jedoch in der oben genannten Studie aus Israel gute Voraussetzungen, denn hier wurde in einem kurzen Zeitraum über die Hälfte der Bevölkerung mit diesem Vakzin immunisiert.

Methodik: Als Grundlage der Analyse wurden die Daten der größten Gesundheitsorganisation in Israel nach der ersten Impfkampagne verwendet, um die Sicherheit des mRNA-Impfstoffs Comirnaty zu bewerten. Es wurden potenziell unerwünschte Ereignisse erfasst, die innerhalb von 42 Tagen nach der Impfung auftraten und vorher nicht bekannt waren.

Den Geimpften wurden Ungeimpfte (Daten einer Versicherungsgesellschaft) entsprechend soziodemographischer und klinischer Variablen individuell zugeordnet. In einer Kaplan-Meier-Analyse wurden "Risk Ratio" (RR) und Risiko-Unterschiede ermittelt. Diese Ergebnisse wurden dann mit entsprechenden Personen verglichen, die symptomatisch an Covid-19 erkrankt waren.

Ergebnisse: In der Impf-Analyse umfassten die Geimpften und die Kontrollgruppen jeweils einen Mittelwert von 884.828 Personen. Von allen potenziellen Nebenwirkungen war die Impfung mit Comirnaty am stärksten mit dem Risiko einer Myokarditis assoziiert (RR: 3,24; 95-Prozent-Konfidenzintervall = CI: 1,55-12,44; Risiko-Differenz: 2,7 Ereignisse pro 100.000 Personen; CI: 1,0-4,6).

Die Autoren errechneten eine Steigerung der Myokarditis-Inzidenz um den Faktor 3 durch die Impfung, allerdings für die gesamte Altersgruppe. Das mediane Alter der 21 Personen, die eine Myokarditis nach der Impfung entwickelt hatten, war 25 Jahre ("Interquartile range": 20-34), und 91 Prozent waren Männer.

Diskussion der Ergebnisse der Studie

Zur Diskussion dieser Ergebnisse werden von den Autoren des Arzneimittelbriefs die folgenden Überlegungen angestellt:

Die Erfassung seltener, zum Teil auch schwerwiegender Nebenwirkungen ist aktuell besonders wichtig, da Druck ausübt wird, junge Erwachsene und sogar Kinder zu impfen, obwohl ihr Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 im Bereich der Inzidenz solcher Nebenwirkungen liegt.

Um eine wissenschaftlich gut begründete Empfehlung für die Impfung in dieser Altersgruppe abgeben zu können, wären Daten zur Inzidenz von etwa der hypersensitiven Myokarditis bei Kindern und jungen Erwachsenen bis 25 Jahre in der gesunden Bevölkerung erforderlich.

Sollte die Inzidenz bei annähernd null liegen, was vermutlich so ist, dann sind die Zahlen aus der israelischen Studie beunruhigend, insbesondere deshalb, weil fast alle Myokarditiden bei Personen unter 30 Jahren aufgetreten sind.

Die wichtige Frage nach der Myokarditis-Inzidenz bei jungen Männern unter 30 Jahre mit und ohne Impfung wurde ganz ausgeblendet, und sie kann auch durch diese Studie nicht beantwortet werden, denn die hier gewählte Vergleichsgruppe – SARS-CoV-2-infizierte Patienten im medianen Alter von über 41 Jahre - ist dafür nicht geeignet. Darauf wird auch in einem Kommentar zu dieser Studie hingewiesen.

Es fehlen somit grundlegende Daten, um die weltweit beginnende Impfkampagne bei Jugendlichen und sogar Kindern als vorteilhaft für diese Altersgruppe zu begründen. Vor diesem ungelösten Problem stehe auch die Ständige Impfkommission (Stiko).

Die Autoren des Arzneimittelbriefs kommen zu folgendem Fazit:

Nach unserer Einschätzung sollten die mRNA-basierten SARS-CoV-2-Impfstoffe bei jungen, sonst gesunden, männlichen Personen zurückhaltend eingesetzt werden, da die Nutzen-Risiko-Relation für diese Gruppe nach den bisher vorliegenden und wegen noch fehlender Daten unklar ist. Insbesondere die hypersensitive Myokarditis erscheint uns in dieser Altersgruppe als eine sehr relevante Nebenwirkung.

Die Autoren des Arzneimittelbriefs

Myokarditis nach Impfung im Sicherheitsbericht des PEI

Auch der aktuelle Sicherheitsbericht des PEI befasst sich im Abschnitt "Zusammenfassung und Fazit" mit der angeführten Studie aus Israel.

Dort heißt es, dass in der Studie ein mehr als dreifach erhöhtes Risiko für Myokarditis bei mit Comirnaty geimpften Personen im Alter von 16 Jahren und älter gegenüber nicht geimpften Personen festgestellt wurde. Im Mittel wurden 2,7 zusätzliche Fälle einer Myokarditis pro 100.000 Personen festgestellt.

Gleichzeitig fanden die Autoren, dass eine SARS-CoV-2-Infektion mit einem deutlich höheren Myokarditis-Risiko assoziiert ist (Risikoverhältnis 18,28; 95 %-KI, 3,95 bis 25,12; Risikodifferenz 11,0 Ereignisse pro 100.000 Personen; 95-Prozent-KI, 5,6 bis 15,8).

Darüber hinaus werde in der Studie aus Israel angeführt, dass Personen mit einer Sars-CoV-2-Infektion ein wesentlich höheres Risiko für Herzrhythmusstörungen, Herzinfarkt, tiefe Venenthrombose, Lungenembolie, Herzbeutelentzündung, intrazerebrale Blutung und Thrombozytopenie zu haben scheinen als diejenigen, die mit Comirnaty geimpft waren. Leider wurde in der Studie keine Alters- und Geschlechtsstratifizierung vorgenommen.

Analysen von Sekundärdaten aus den USA weisen ebenso wie die Studie in Israel auf ein deutlich erhöhtes Myokarditisrisiko für infizierte Personen hin - hier war das Risiko 15-fach erhöht (95 %-KI 14.1-17.2) bei Covid-19-Patienten im Vergleich zu Personen ohne Covid-19, wobei die Risikoerhöhung mit dem Alter variiert und bei Kindern jünger als 16 Jahren und Personen im Alter von 75 Jahren und älter am höchsten war.1

Die Autoren des PEI meinen, dass beide Studien eindrücklich zeigten, wie wichtig es ist, ein Arzneimittelrisiko nicht isoliert, sondern im Kontext zum Nutzen zu betrachten. Mehr als 86 Millionen Impfdosen Comirnaty und Spikevax sind bis einschließlich 31.08.2021 in Deutschland verimpft worden.

Im Rahmen der Spontanberichterfassung sind bis zum 31.08.2021 insgesamt 792 Verdachtsmeldungen einer Myo-/Perikarditis unabhängig vom Kausalzusammenhang mit der jeweiligen Impfung berichtet worden, wobei die Melderate bei männlichen Jugendlichen im Alter von 12 bis 17 Jahren am höchsten war, gefolgt von jungen Männern im Alter von 18 bis 29 Jahren.

Weiterhin heißt es im Abschnitt "Kinder und Jugendliche zwischen 12 und 17 Jahren" (S. 17 ff), dass bis zum 31.08.2021 dem Paul-Ehrlich-Institut 58 Meldungen einer Myo-/Perikarditis bei Kindern und Jugendlichen in dieser Altersgruppe berichtet wurden.

Es handelt sich um 53 Jungen und vier Mädchen (n=54 Fälle einer Myokarditis, n=3 Fälle einer isolierten Perikarditis). Bei einem 13 Jahre alten Kind mit einer Myokarditis nach zweiter Comirnaty-Impfung war das Geschlecht nicht angegeben.

Bei männlichen Kindern und Jugendlichen traten die Reaktionen in 36 Fällen nach der zweiten Impfung und in 14 Fällen nach der ersten Impfung auf. In drei Meldungen wurde keine Angabe zur Impfdosis gemacht. Bei weiblichen Kindern und Jugendlichen traten die Reaktionen jeweils zweimal nach der ersten und zweimal nach der zweiten Dosis auf.

Zusammenfassend heißt es in diesem Abschnitt des 14. Sicherheitsberichts des PEI:

Die Melderate einer Myo-/Perikarditis betrug bei männlichen Kindern bzw. Jugendlichen 1 Fall auf 17.271 Impfdosen und bei weiblichen Kindern bzw. Jugendlichen 1 Fall auf 212.766 Impfdosen.

Ein Vergleich der gemeldeten mit den statistisch zufällig erwarteten Fällen einer Myokarditis (Hintergrundrate ermittelt anhand von Versichertendaten aus Deutschland aus dem Jahr 2020) innerhalb eines Zeitintervalls von 21 Tagen ergab für Jungen eine erwartete Anzahl von Myokarditiden von 5,6 bis 7,6 Fällen (Analyse 1) auf Basis der kalkulierten Impfrate (Analyse 2) unter Berücksichtigung der Untererfassung der Impfquote.

Berichtet wurden 51 Fälle. Bei weiblichen Kindern und Jugendlichen mit Myokarditis entsprach die erwartete Zahl dem gemeldeten Wert.

14. Sicherheitsbericht des PEI

Schlussgedanken

1. Angesichts der bevorstehenden Herbst- und Winterzeit wäre auch in Deutschland eine deutlich höhere Impfquote gegen SARS-CoV-2 als die derzeitige von etwa 65 Prozent wünschenswert, um zu vermeiden, dass es in den nächsten Monaten erneut zu vielen schweren Krankheitsverläufen von Covid-19 kommt.

2. Dazu sollten möglichst viele Personen aus der Gruppe der Erwachsenen durch eine rationale Aufklärung über Nutzen und Risiko der Corona-Impfung vonseiten ihrer behandelnden Ärztinnen und Ärzte gewonnen werden.

3. Covid-19-Impfungen bei gesunden Kindern und Jugendlichen und wohl auch jungen männlichen Personen erscheinen mir weiterhin fragwürdig zu sein.

Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin - Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin/Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Seit 1978 ist er als medizinischer Sachverständiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tätig. Zudem arbeitet er in der Kieler Gruppe der IPPNW e.V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhinderung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung) mit. E-Mail: klaus-dieter.kolenda@gmx.de

Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.