Wie wirksam und sicher sind die neuen Vektor-Impfstoffe?

Klaus-Dieter Kolenda

Kritische Sichtung der bisher publizierten Daten über die AstraZeneca- und Sputnik V-Vakzine sowie ein Vergleich mit den zugelassenen mRNA-Impfstoffen

In meinem letzten Telepolis-Beitrag zu den Corona-Impfungen habe ich mich mit der Wirksamkeit und Sicherheit der beiden mRNA-Impfstoffe - das Kürzel steht für Messenger-Ribonukleinsäure - von Biontech-Pfizer und Moderna beschäftigt, die bisher in Deutschland zugelassen worden sind.

Angesicht der bestehenden Impfstoff-Knappheit hatte ich mich in dem Artikel für eine schnelle Zulassung und Verfügbarkeit von weiteren wirksamen und sicheren Impfstoffen ausgesprochen und vorgeschlagen, dass dabei auch der russische Sputnik V-Impfstoff berücksichtigt werden sollte, der in Dessau offensichtlich auch per Lizenz produziert werden könnte. Damit könnten in den nächsten Monaten in Deutschland wahrscheinlich viele Menschenleben gerettet werden.

Deshalb beschäftige ich mich im vorliegenden Beitrag mit den vorliegenden Daten über Wirksamkeit und Sicherheit der neuen Vektor-Impfstoffe, zu denen auch Sputnik V gehört. Ich stütze ich mich dabei vor allem auf einen aktuellen Artikel in der Februar-Ausgabe der pharmakritischen wissenschaftlichen Zeitschrift Der Arzneimittelbrief, der sich vor allem mit dem Vektor-Impfstoff von AstraZeneca befasst.1Die Daten über Sputnik V habe ich den jüngst erschienenen Publikationen der britischen Wissenschaftszeitschrift The Lancet entnommen.

Was sind Vektor-Impfstoffe?

Traditionelle virale Impfstoffe (Vakzine) zur aktiven Immunisierung enthalten abgeschwächte, nicht mehr vermehrungsfähige beziehungsweise abgetötete Viren. Die neuen Vektor-Impfstoffe dagegen gehören wie die mRNA-Impfstoffe zu den künstlich hergestellten genetischen Vakzinen. Sie verwenden manipulierte, für Menschen nicht pathogene Viren als Transportvehikel (Vektoren), um das Impfantigen selbst beziehungsweise seine Erbinformation in die Zelle einzuschleusen. Bei zugelassenen Impfstoffen sind diese Verfahren bisher nicht routinemäßig eingesetzt worden. Eines der wenigen Beispiele ist die Ebola-Vakzine des Gamaleya-Instituts in Russland.

Für die jetzt gegen Sars-CoV-2 geprüften Vektor-Impfstoffe werden harmlose Adenoviren entweder menschlicher Herkunft wie zum Beispiel beim Impfstoff von Sputnik V oder dem von Johnson & Johnson oder Adenoviren von Schimpansen wie bei dem Impfstoff von AstraZeneca verwendet. Sie transportieren die Erbinformation für das Spike-Glykoprotein, das das Sars-CoV-2 bei der Infektion zu seinem Eintritt in die Wirtszellen benötigt. Nach Eintritt in die Zelle produzieren die manipulierten Adenoviren dann das Spike-Protein selbst und generieren damit eine Immunantwort des Organismus.

Zu den derzeit bereits eingesetzten Vektorimpfstoffen gegen Sars-CoV-2 zählen der an der Oxford-Universität entwickelte und vom schwedisch-englischen Konzern AstraZeneca vermarktete Impfstoff (ChAdOx1 nCoV-19), der Sputnik V-Impfstoff (Gam-Covid-Vac) vom staatlichen Gamaleya-Institut für Epidemiologie und Mikrobiologie in Moskau, der CanSino-Impfstoff aus China und der Impfstoff des US-Konzerns Johnson & Johnson (Ad26.CoV2-S).

Ergebnisse aus Phase-I/II-Studien mit diesen Vakzinen haben gezeigt, dass die Induktion von neutralisierenden Antikörpern und CD4-/CD8-vermittelter T-Zell-Immunität ähnlich stark ist wie bei den beiden bereits zugelassenen mRNA-Impfstoffen von Biontech-Pfizer und Moderna.

Studienergebnisse mit dem AstraZeneca- Impfstoff

Die AstraZenica-Vakzine wurde als erster Vektorimpfstoff gegen Covid-19 von der Europäischen Kommission (EC) am 29.1.2021 für Menschen ab 18 Jahren bedingt zugelassen. Dieser Impfstoff hatte bereits einen Monat zuvor eine Notfallzulassung in Großbritannien erhalten und es wurden schon mehrere Millionen Briten damit geimpft.

Wirksamkeit

Im Arzneimittelbrief wird berichtet, dass der primäre Studienendpunkt in zwei der vier vorliegenden Phase-III-Studien des Astrazeneca-Impfstoffs die Verhinderung eines bestätigten, symptomatischen Auftretens von Covid-19 vierzehn Tage nach der zweiten Impfung war. Ein Krankheitsfall war definiert über einen positiven PCR-Test und das Vorhandensein von mindestens einem der nachfolgenden Symptome: Fieber ≥ 37,8°C, Husten, Kurzatmigkeit, Geruchs- oder Geschmacksverlust. Jeder Fall musste von einem verblindeten "Endpoint Review Commitee" bestätigt werden.

Die Daten aus zwei der vier Studien fehlen in dieser ersten, vorab am 8.12.2020 publizierten Zwischenanalyse, weil die prädefinierte Mindestfallzahl von Covid-19-Fällen in diesen Studien noch nicht erreicht war. Der primären Analyse zur Wirksamkeit liegen somit nur die Daten von 11.636 Probanden aus Großbritannien und Brasilien zu Grunde, die beide Impfungen erhalten hatten. Davon waren 86,7 Prozent im Alter von 18 bis 55 Jahren (mittleres Alter 40 Jahre) und 60,5 Prozent Frauen. Die mediane Nachbeobachtungszeit beträgt 3,4 Monate.

Insgesamt wurden in dieser Zeit 131 Fälle von Covid-19 diagnostiziert, 30 im Arm der AstraZeneca-Vakzine (0,5 Prozent) und 101 im Arm der Kontrollgruppe (1,7 Prozent), bei der ein Meningokokken-Impfstoff als Placebo eingesetzt wurde. Hieraus errechnet sich eine relative Wirksamkeit der Impfung von insgesamt 70,4 Prozent.

Demnach heißt es im Arzneimittelbrief zur Wirksamkeit:

Die durch den ersten in der Europäischen Union zugelassenen Adenovirus-basierten Vektor-Impfstoff von AstraZeneca induzierte Immunität, gemessen an der Induktion neutralisierender Antikörper und spezifischer T-Zellen, ist vergleichbar mit den beiden bereits zugelassenen mRNA-Impfstoffen, auch bei älteren Menschen. Die klinische Wirksamkeit, also der Schutz vor Erkrankung an Covid-19, liegt bei ca. 70 Prozent.

Arzneimittelbrief 2/2021

Weiter heißt es dort, dass die berechneten Ergebnisse für die AstraZeneca-Vakzine eine deutlich geringere Wirksamkeit, verglichen mit den mRNA-Impfstoffen (mehr als 90 Prozent), suggerieren. Ein derartiger indirekter Vergleich sei jedoch nicht zulässig, unter anderem, weil die Studien unterschiedliche Probanden in unterschiedlichen Regionen der Welt eingeschlossen haben, in denen teilweise auch schon stärker ansteckende Virusvarianten kursierten. Zudem würden sich die einzelnen Studien mit dem Antra-Zeneca-Impfstoff in ihrer Durchführung deutlich unterscheiden (Einschlusskriterien, verwendete Impfdosis, Impfabstand, Vergleichstherapie), was externe Vergleiche erschwere.

Bei dem wesentlich wichtigeren Endpunkt, der Verhinderung von Krankenhausbehandlungen beziehungsweise schweren Covid-19-Verläufen zwei Wochen nach der zweiten Dosis, betrug die Wirksamkeit der Impfung jedoch 100 Prozent (null vs. fünf Fälle). Für die Interpretation dieses Ergebnisses müssen jedoch weitere Zwischenanalysen mit mehr Fällen abgewartet werden.

Eine Reihe von Zwischenanalysen aus den oben genannten vier Studien haben weitere Informationen ergeben, die aber ebenfalls mit Vorsicht gedeutet werden müssen. Basierend auf 332 Patienten mit Covid-19 und 619 positiven Abstrichen bei 17.177 initial seronegativen Probanden wird darin eine Wirksamkeit der AstraZeneca-Vakzine-Vakzine ab Tag 22 nach der ersten Impfung von 76 Prozent berechnet. Außerdem habe man Hinweise darauf, dass die Wirksamkeit mit den Abständen zwischen beiden Impfungen ansteigt: 54,9 Prozent bei weniger als sechs Wochen und 82,4 Prozent nach mehr als zwölf Wochen.

Aus dieser Auswertung ergeben sich laut Arzneimittelbrief auch schwache Hinweise darauf, dass die Impfung mit der AstraZeneca-Vakzine zum Teil auch vor asymptomatischen Infektionen schützen könnte.

Der Artikel im Arzneimittelbrief weist darauf hin, dass eine weitere post-hoc-Auswertung der Daten der älteren Studienteilnehmer sich auf die Frage konzentrierte, ob der AstraZeneca-Impfstoff auch bei Älteren eine ausreichende Immunität induziert.

Insgesamt drei Alterskohorten wurden in diese Analyse eingeschlossen, 160 im Alter von 18 bis 55 Jahre, 160 im Alter von 56 bis 69 Jahren und 240 im Alter von 70 Jahren und älter. Die Titer der gegen das Spike-Glykoprotein von SARS-CoV-2 gerichteten neutralisierenden Antikörper waren 28 Tage nach der zweiten Impfung in allen Gruppen ähnlich hoch, genauso wie die Ergebnisse der gegen das Spike-Glykoprotein gerichteten T-Lymphozyten. Dies weist darauf hin, dass der Impfstoff möglicherweise auch bei älteren Personen ausreichend wirksam ist.

In das bisherige Impfprogramm von AstraZeneca wurden nur relativ wenige Probanden über 65 Jahre eingeschlossen. Deshalb ist die Schutzwirkung bei älteren Menschen derzeit nicht ausreichend zu beurteilen, sodass weitere Auswertungen abgewartet werden müssen. Das ist der Grund dafür, dass die Ständige Impfkommission (Stiko) in Deutschland die Impfung mit der AstraZeneca-Vakzine aktuell nur für Personen zwischen 18 und 64 Jahren empfiehlt.

Das gilt auch für die Wirksamkeit gegen neue Virusmutationen sowie für die Beobachtung, dass die Wirksamkeit möglicherweise höher ist bei niedrigerer Erstdosis und/oder einem längeren Intervall zwischen der ersten und zweiten Impfung. Weiterhin ist unklar - wie auch bei den mRNA-Impfstoffen -, ob durch die Impfung eine "sterile Immunität" erzeugt wird, das heißt, ob die Transmission von SARS-CoV-2 im Falle einer Infektion verhindert oder vermindert wird.

Zur Sicherheit des AstraZeneca-Impfstoffes

Zur Sicherheit des AstraZeneca-Impfstoffes schreibt der Arzneimittelbrief:

Die angegebenen Werte zur Reaktogenität (lokale und systemische unerwünschte Arzneimittelereignisse = UAE nach 7 Tagen) basieren auf einer Auswertung von 5.145 Personen, deren UAE systematisch mittels Impftagebuch erfasst wurden. Dabei zeigt sich, dass die Vakzine von AstraZeneca in den ersten 7 Tagen um ca. 50 Prozent häufiger lokale und systemische UAE verursacht als der Meningokokken-Impfstoff in der Kontrollgruppe.

Arzneimittelbrief 2/2021

Im indirekten Vergleich mit den mRNA-Impfstoffen (z.B. der Covid-19-Vakzine von Moderna, Alterskohorte 18 bis 65 Jahre) scheint die zweite Dosis des Impfstoffes von AstraZeneca besser vertragen zu werden (lokale UAE 46,8 Prozent vs. 90,3 Prozent und systemische UAE 44,6 Prozent vs. 81,9 Prozent). Bei 168 Studienteilnehmern wurden schwerwiegende UAE beschrieben: 79 mit der Vakzine und 89 mit der Kontrolle.

Ein Proband in der Kontrollgruppe entwickelte eine hämolytische Anämie, ein Patient mit der Vakzine 14 Tage nach der Zweitimpfung eine transverse Myelitis (neuroimmunologische Erkrankung des zentralen Nervensystems). Zwei weitere Fälle von transverser Myelitis (zehn Tage nach der ersten Impfung und 68 Tage nach der Gabe der Kontroll-Vakzine) wurden durch ein unabhängiges neurologisches Expertengremium nicht im Zusammenhang mit der Impfung gegen SARS-CoV-2 interpretiert.

Es gab zudem auch noch eine weitere Diagnose von Multipler Sklerose im Arm mit dem AstraZeneca-Impfstoff, wobei die MRT-Befunde darauf hinwiesen, dass diese Erkrankung schon zuvor bestanden hatte. Insgesamt wurden mehr neurologische UAE mit den Vakzinen beobachtet als in der Kontrollgruppe (11,7 Prozent vs. 7,8 Prozent); meist handelte es sich dabei um Kopfschmerzen (9,3 Prozent vs. 6,1 Prozent).

Vier Probanden starben, einer in der Vakzine-Gruppe und drei in der Kontrollgruppe. Als Todesursachen wurden Verkehrsunfall, stumpfes Gewalttrauma, Tötungsdelikt und eine Pilzpneumonie genannt.

Über allergische Reaktionen wurde in den Studienprotokollen des AstraZeneca-Impfstoffs nicht explizit berichtet. Eine anaphylaktische Reaktion trat 64 Tage nach der Impfung auf, ein Zusammenhang ist somit nicht sehr wahrscheinlich.

Zum Problem des Auftretens von schweren allergischen Reaktionen nach Corona-Impfungen hatte ich in meinem Dezember-Artikel in Telepolis berichtet, dass in Großbritannien am ersten Tag der Impfung mit der Biontech-Pfizer-Vakzine zwei Fälle von schweren allergischen, anaphylaktischen Reaktionen bei Mitarbeitern des National-Health-Service aufgetreten waren, die deshalb behandelt werden mussten.

In der Januar-Ausgabe des Arzneimittelbriefs wird darauf hingewiesen, dass derzeit davon ausgegangen wird, dass die beiden zugelassenen mRNA-Impfstoffe gegen Covid-19 zehnmal häufiger Allergien auslösen als etablierte Impfstoffe.

Studienergebnisse mit Sputnik V

Am 2.2.2021 wurde die erste Zwischenanalyse der Phase-III-Studie mit dem Sputnik V-Impfstoff im Lancet publiziert.

Reinhard Renneberg schreibt in seinem lesenswerten Artikel im Neuen Deutschland vom 19.2.2021, dass der Name des russischen Impfstoffes an den russischen Sputnik erinnern soll, der 1957 als erster künstlichen Erdtrabant in die Erdumlaufbahn gebracht worden ist.Dabei stehe der Buchstabe V für "Vakzine", aber auch für die Zahl 5 und versuche damit recht offensichtlich, an das Image der vier sowjetischen Sputniks anzuknüpfen, so Renneberg.

Wirksamkeit

Im Unterschied zum Impfstoff von AstraZeneca verwendet Sputnik V für die erste und zweite Impfung zwei verschiedene adenovirale Vektoren (rAd26 und rAd5). Damit soll verhindert werden, dass die bei der ersten Impfung gegen den ersten Vektor gebildeten Antikörper die Immunogenität der zweiten Impfung abschwächen. Das Lancet berichtet darüber, dass mit Sputnik V eine randomisierte, doppelblinde, Placebo-kontrollierte Phase-III-Studie in 25 Krankenhäusern und Polikliniken in Moskau durchgeführt worden ist.

In die Studie eingeschlossen waren Teilnehmer im Alter von mindestens 18 Jahren mit negativen SARS-CoV-2 PCR- und IgG- und IgM-Tests, die keine Infektionskrankheiten in den 14 Tagen vor der Einschreibung und keine anderen Impfungen in den 30 Tagen zuvor durchgemacht hatten. Die Teilnehmer wurden nach dem Zufallsprinzip (drei zu ein) zugewiesen, um Impfstoff oder Placebo zu erhalten, wobei eine Schichtung nach Altersgruppen erfolgte.

Für die Untersucher, Probanden und alle Studienmitarbeiter war die Studie verblindet. Der Impfstoff wurde intramuskulär in einem Prime-Boost-Regime verabreicht (0,5 ml/Dosis): Ein 21-Tage-Intervall bestand zwischen der ersten Dosis (rAd26) und der zweiten Dosis (rAd5), wobei beide Vektoren das Gen für das SARS-CoV-2-Glykoprotein S in voller Länge trugen.

Der primäre Endpunkt war der Anteil der Teilnehmer mit einer PCR-bestätigten Covid-19 ab Tag 21 nach Erhalt der ersten Dosis. Alle Analysen schlossen Teilnehmer mit Protokollverletzungen aus: Der primäre Endpunkt wurde nur bei Teilnehmern bewertet, die zwei Dosen Impfstoff oder Placebo erhalten hatten.

Die Resultate der Phase-III-Studien von Sputnik V werden im Lancet-Artikel so zusammengefasst (eigene Übersetzung):

Zwischen dem 7. September und dem 24. November 2020 wurden 21.977 Erwachsene nach dem Zufallsprinzip der Impfstoffgruppe (n=16.501) oder der Placebogruppe (n=5476) zugeordnet. 19.866 erhielten zwei Dosen Impfstoff oder Placebo und wurden in die primäre Ergebnisanalyse einbezogen. Ab 21 Tagen nach der ersten Impfstoffdosis (Tag der Dosis 2) wurden bei 16 (0, 1 Prozent) von 14.964 Teilnehmern in der Impfstoffgruppe) und 62 (1,3%) von 4902 in der Placebo-Gruppe Covid-19 bestätigt und daraus eine Wirksamkeit von 91,6 Prozent errechnet.

Denis Logunow und Mitarbeiter im Lancet

Sicherheit

Schwerwiegende unerwünschte Ereignisse (UAE) wurden bei allen Teilnehmern bewertet, die zum Zeitpunkt der Datenbanksperre mindestens eine Dosis erhalten hatten, und seltene unerwünschte Ereignisse wurden bei allen Teilnehmern registriert, die zwei Dosen erhalten hatten und für die alle verfügbaren Daten im Fallberichtsformular zum Zeitpunkt der Datenbanksperre überprüft wurden.

Die meisten gemeldeten unerwünschten Ereignisse wurden als Grad 1 (7485 entsprechend 94 Prozent von 7966 Gesamtereignissen) eingestuft. 45 entsprechend 0,3 Prozent von 16.427 Teilnehmern in der Impfstoffgruppe und 23 entsprechend 0,4 Prozent von 5435 Teilnehmern in der Placebo-Gruppe hatten schwerwiegende Nebenwirkungen. Keine dieser UAW wurde ursächlich mit der Impfung in Verbindung gebracht, was durch einen unabhängigen Ausschuss für Datenüberwachung bestätigt wurde.

Während der Studie wurden vier Todesfälle gemeldet (drei entsprechend weniger als 0,3 Prozent von 16.427 Teilnehmern in der Impfstoffgruppe und einer entsprechend weniger als 0,1 Prozent von 5435 Teilnehmern in der Placebo-Gruppe, von denen keiner mit dem Impfstoff in Zusammenhang gebracht wurde.

Abschließend heißt es in dem Lancet-Artikels (eigene Übersetzung):

Ein heterologer rekombinanter Adenovirus (rAd)-basierter Impfstoff, Gam-Covid-Vac (Sputnik V), zeigte ein gutes Sicherheitsprofil und induzierte starke humorale und zelluläre Immunreaktionen bei Teilnehmern in klinischen Phase-I/II-Studien. Hier berichten wir vorläufige Ergebnisse zur Wirksamkeit und Sicherheit von Gam-Covid-Vac aus der Zwischenanalyse dieser Phase-III-Studie.

Somit zeigte diese Zwischenanalyse der Phase-III-Studie mit dem Impfstoff Sputnik V (Gam-Covid-Vac ) eine Wirksamkeit von 91,6 Prozent gegen Covid-19, wobei dieser Impfstoff in einer großen Kohorte von den Probanden gut vertragen wurde.

In einem Kommentar von zwei englischen Wissenschaftlern – ebenfalls am 3.2.2021 im Lancet veröffentlicht – wird der Arbeit von Denis Logunov und Mitarbeiter ausführlich gewürdigt.

Es wird auf den zentralen Aspekt der Entwicklung von Sputnik V hingewiesen, dass die Verwendung von zwei verschiedenen Serotypen von Adenoviren, die im Abstand von 21 Tagen appliziert werden, eine eventuell bereits bestehende Adenovirus-Immunität in der Bevölkerung überwinden soll.

Von den bisher wichtigsten Covid-19-Impfstoffen habe bisher nur Sputnik V (Gam-Covid-Vac) diesen Ansatz verwendet. Bei anderen, wie beim Impfstoff von AstraZeneca, wird für beide Dosen das gleiche Vektormaterial verwendet. Der frühere Impfstoff gegen Ebola, der auch am Gamaleya-Institut in Moskau entwickelt wurde, war ähnlich aufgebaut, mit einem Adenovirus und einem vesikulären Stomatitis-Virus als Trägerviren.

Der die große Leistung der russischen WissenschaftlerInnen anerkennende Kommentar im Lancet schließt mit den Worten (eigene Übersetzung):

Die Entwicklung der Sputnik V-Vakzine wurde international dafür stark kritisiert, überhastet und nicht transparent genug gewesen zu sein. Aber das Ergebnis, das jetzt hier veröffentlicht wird, ist eindeutig, und das wissenschaftliche Prinzip der Impfung konnte demonstriert werden. Das bedeutet, dass ein weiteres Vakzin jetzt zur Verfügung steht, um die Inzidenz von Covid-19 einzudämmen.

Jan Jones und Polly Roy, Lancet 3.2.2021

Sputnik V auch in Deutschland willkommen?

Sputnik V ist inzwischen außer in Russland auch in einer Reihe anderer Länder zugelassen. Dazu zählen Serbien, Kasachstan und Turkmenistan, aber auch Argentinien, Bolivien, Brasilien, Venezuela und Iran. Auch das EU-Land Ungarn setzt trotz fehlender Zulassung in der Europäischen Union diese Vakzine ein.

In einem Artikel in der Online-Ausgabe des Deutschen Ärzteblatts vom 3.2.2021 wird darüber berichtet, dass laut Kanzlerin Merkel und Gesundheitsminister Spahn Sputnik V in Deutschland willkommen sei. Aus dem Büro des sachsen-anhaltinischen Ministerpräsidenten sei zuletzt zu vernehmen gewesen, dass eine mittelständische Firma in Dessau eventuell Sputnik V in Lizenz produzieren könne.

Fazit

  1. In diesem Artikel werden die vorliegenden Daten über Wirksamkeit und Sicherheit von zwei neuen Vektorimpfstoffen gegen SARS-CoV-2, der Vakzine von AstraZeneca und dem russischen Impfstoff Sputnik V, mitgeteilt.
  2. Aus den Daten ist zu entnehmen, dass der AstraZeneca-Impfstoff im Vergleich mit den in der EU zugelassenen mRNA-Impfstoffen von Biontech-Pfizer und Moderna und auch mit der Sputnik V-Vakzine, die eine Wirksamkeit von über 90 Prozent angeben, eine geringere Wirksamkeit aufweist (circa 70 Prozent). Ob diese Unterschiede jedoch von Bedeutung sind, ist fragwürdig, da es Hinweise dafür gibt, dass die Wirksamkeit hinsichtlich der wesentlich wichtigeren Studienendpunkte, der Verhinderung von Krankenhausbehandlungen beziehungsweise schweren Covid-19-Verläufen zwei Wochen nach der zweiten Dosis, bei der AstraZeneca-Vakzine ebenfalls sehr hoch ist.
  3. Da in das bisherige Impfprogramm von AstraZeneca nur relativ wenige Probanden über 65 Jahre eingeschlossen waren, ist die Schutzwirkung bei älteren Menschen derzeit nicht ausreichend zu beurteilen, sodass weitere Auswertungen abgewartet werden müssen. Deshalb ist die Entscheidung der STIKO in Deutschland nachvollziehbar, die Impfung mit der AstraZeneca-Vakzine nur für Personen zwischen 18 und 64 Jahren zu empfehlen.
  4. Beim Vergleich der UAE (unerwartete Arzneimittelereignisse) ergibt sich, dass bei den beiden vorgestellten Vektorimpfstoffen offenbar deutlich weniger UAE auf allergischer Basis auftreten als bei den mRNA-Impfstoffen.
  5. Für den Sputnik V-Impfstoff zeigt die Darstellung eine hohe Wirksamkeit von 91,6 Prozent gegen Covid-19, wobei dieser Impfstoff in einer großen Kohorte von Probanden gut vertragen wurde.
  6. Angesichts des bestehenden Impfstoffmangels in Deutschland wäre eine Zulassung von Sputnik V auch bei uns wünschenswert. In anderen Ländern gibt es diesen Impfstoffmangel nicht. So nimmt Serbien in Europa einen der Spitzenplätze beim Impfen gegen Covid-19 ein. Dort haben die Bürger die Wahl zwischen Biontech-Pfizer, Sputnik V, Sinopharm, AstraZeneca und Moderna.
  7. Es ist zu hoffen, dass die EU den Impfstoff Sputnik V aufgrund von wissenschaftlichen und humanitären Überlegungen, und nicht aufgrund von politischen bewerten wird. Leider gibt es Hinweise dafür, dass daran aber Zweifel angebracht sind und Sputnik V in Deutschland entgegen der Ankündigung von politischen Verantwortungsträgern nicht willkommen ist.

Klaus-Dieter Kolenda, Prof. Dr. med., Facharzt für Innere Medizin- Gastroenterologie, Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin- Sozialmedizin, war von 1985 bis 2006 Chefarzt einer Rehabilitationsklinik für Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems, der Atemwege, des Stoffwechsels und der Bewegungsorgane. Seit 1978 ist er als medizinischer Sachverständiger bei der Sozialgerichtsbarkeit in Schleswig-Holstein tätig. Er ist Mitglied des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Nikotin-Tabakforschung e.V. (DGNTF) und arbeitet in der Kieler Gruppe der IPPNW e.V. (Internationale Ärztinnen und Ärzte für die Verhinderung des Atomkriegs und für soziale Verantwortung) mit. Email: klaus-dieter.kolenda@gmx.de

Fußnoten

[1] Der erste zugelassene adenovirale Vektorimpfstoff gegen SARS-CoV-2: ChAdOx1nCoV-19 (AZD 1222). Der Arzneimittelbrief 2021, 55, Nr. 2, 13-16.