Wieder türkische Militäroffensive im Nordirak
Präsident Erdogan will die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) "ausrotten" und sagt, mehrere Mitglieder seien "neutralisiert" worden. Kurdische Medien melden, die Guerilla lasse die Angriffe weitgehend ins Leere laufen
Seit Freitagabend läuft erneut eine türkische Militäroffensive gegen kurdische Milizen im Nordirak. Nach Angaben des türkischen Staatssenders TRT begann die Armee zunächst auf der türkischen Seite der Grenzregion - in der überwiegend von Kurdinnen und Kurden bewohnten Provinz Hakkari - mit Luft- und Artillerieangriffen gegen mutmaßliche Stellungen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK).
Am Samstag beteiligten sich demnach auch Spezialkräfte, bewaffnete Drohnen und Helikopter mit Luftschlägen unter anderem in den nordirakischen Kandil-Bergen. "Mehrere Terroristen wurden neutralisiert", sagte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan in einer Videobotschaft, die über die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu verbreitet wurde. Ziel der Offensive sei es, sie "auszurotten", so Erdogan. Die Türkei respektiere die territoriale Integrität des Irak, betonte er. Reaktionen aus Bagdad oder der Autonomen Region Kurdistan im Nordirak blieben zunächst aus. In der Vergangenheit hatte der Irak der Türkei vorgeworfen, mit Militäraktionen seine staatliche Souveränität zu verletzen.
Am Sonntag meldete Anadolu 31 "neutralisierte" PKK-Mitglieder und wies darauf hin, dass dies in Behördensprache sowohl "getötet" als auch "gefangen genommen" heißen kann.
Laut einem Bericht der kurdischen Nachrichtenagentur ANF hatte die türkische Armee nach Aussage von "Quellen vor Ort" selbst mehrere Soldaten verloren. Bei einem Gefecht in der Region Metîna seien am Sonntagabend acht Militärs ums Leben gekommen. Die Rede war auch von mehreren verletzten türkischen Soldaten, die aber teilweise durch in Panik geratene Kameraden verwundet worden seien. Am Gipfel Zendura sei den Angaben zufolge ein weiterer Soldat getötet worden. Aus der Avaşîn-Region sei ein gezielter Guerillaangriff auf türkische Truppen mit sechs Toten gemeldet worden.
Die Volksverteidigungskräfte HPG (Hezen Parastina Gel) und die Frauenguerilla YJA-Star - beides bewaffnete Arme der PKK - würden durch neue Taktiken und jahrelange Kampferfahrung die massive technische Überlegenheit der türkischen Armee ins Leere laufen lassen, hieß es in dem ANF-Bericht. Die Guerilla am Wochenende eine revolutionäre Gegenoffensive begonnen.
Das Pressezentrum der HPG hatte am Samstag von einer "umfassenden Besatzungsoffensive gegen die Regionen Metîna, Avaşîn und Zap in den Medya-Verteidigungsgebieten" gesprochen, die "der kolonialistische Besatzerstaat Türkei" am 23. April eingeleitet habe.
Der bewaffnete Konflikt zwischen der PKK, die im kurdisch geprägten Südosten des Landes und im Nordirak von großen Bevölkerungsteilen unterstützt wird, dauert seit 1984 an. Allerdings gab es mehrere Waffenstillstände, sei der PKK-Mitgründer Abdullah Öcalan aus der Haft heraus versuchte, einen Friedensprozess einzuleiten.
Seit dem Scheitern des letzten Waffenstillstands im Sommer 2015 fliegt das türkische Militär wieder regelmäßig Angriffe gegen die PKK in der Südosttürkei und dem Nordirak, wo die PKK mit den "Medya-Verteidigungsgebieten" eine Rückzugsmöglichkeit geschaffen hatte.
Im Sommer 2015 hatten die PKK und andere kurdische Organisationen türkischen Militärs, Polizisten und Geheimdienstlern die Kooperation mit der Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" (IS) vorgeworfen, die damals einen Sprengstoffanschlag auf ein Treffen linker Jugendvereine in Suruç verübt und dabei mehr als 30 Menschen getötet hatte. Als daraufhin zwei türkische Polizisten getötet wurden, eskalierte der Konflikt zwischen PKK und Armee erneut.
Anfang dieses Jahres warf die türkische Regierung der PKK vor, 13 türkische Sicherheitskräfte als Geiseln genommen und im Grenzgebiet zum Irak getötet zu haben. Ihre Leichen waren im Februar nach einer Militäroffensive geborgen worden. Die PKK dagegen erklärte, sie seien durch türkische Bombardements gestorben.