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Windkraft: Viel Zustimmung

Bild: pxhere.com

Energie und Klima – kompakt: Akzeptanz von erneuerbaren Energieträgern auf hohem Niveau weiter gewachsen. Ausschreibungsverfahren behindert den Ausbau allerdings massiv.

Während die Porsche- [1] und Autobahnpartei [2] FDP Druck für den Weiterbetrieb rissiger [3] Atomkraftwerke macht [4], für die es im übrigen derzeit gar keine Brennstäbe gebe [5], ist die Bevölkerung einen deutlichen Schritt weiter:

Die neueste im Auftrag der Agentur für [6]erneuerbare Energien durchgeführte Akzeptanzumfrage zeigt, dass der Zuspruch zu Wind und Sonne & Co unter dem Eindruck der jüngsten Energiekrise weiter gestiegen ist. Wird allgemein nach dem Ausbau der erneuerbaren Energieträger gefragt, so halten ihn 66 Prozent der Interviewten für "sehr oder außerordentlich wichtig" und weitere elf Prozent für "wichtig". Nur vier Prozent halten ihn hingegen für "überhaupt nicht wichtig" und weitere sechs Prozent für "nicht wichtig".

Etwas genauer nach den verschiedenen Technologien und nach den Ansichten über derlei Anlagen in der Nachbarschaft des Wohnortes bis zu einem Umkreis von bis zu fünf Kilometern befragt, zeigt sich mit 80 Prozent die meiste Zustimmung für die Solardächer. Es folgen Solarparks, gegen deren Nachbarschaft 65 Prozent der Befragten nichts einzuwenden und Windkraftanlagen, die 50 Prozent akzeptabel finden.

Besonders bei letzterem gab es mit einem Plus von elf Prozentpunkten einen erheblichen Zuwachs der Zustimmung. Auffallend ist außerdem, dass Menschen, die aus ihrer Nachbarschaft bereits entsprechende Anlagen kennen, diese zum Teil deutlich positiver sehen. Zum Beispiel ist bei Menschen mit Windkraftanlagen vor der Haustür die Akzeptanz um 13 Prozent höher als beim Durchschnitt aller Befragten.

Schließlich zeigt die Meinungsumfrage einen deutlichen Umbruch in der öffentlichen Stimmung. 50 Prozent der Befragten gaben an, schon vor der aktuellen Energiekrise für neue Windräder gewesen zu sein. 20 weitere Prozent sagen, vor der Krise "nicht unbedingt ein Fan" gewesen, aber inzwischen für den Ausbau zu sein. Acht Prozent waren nach eigenen Angaben bis vor kurzem noch strikt gegen die Windenergie, meinen nun aber, dass ein "gewisser Ausbau" hingenommen werden müsse.

Im Gegensatz dazu steht allerdings die reale Entwicklung beim Ausbau der Windkraftanlagen. Während der Solarausbau endlich wieder brummt – wenn auch noch lange nicht das von der Bundesregierung angestrebte Niveau erreicht ist – hapert es in den Ausschreibungen für neue Windparks erheblich. Seit einigen Jahren kommen Betreiber neuer Windkraftanlagen nur in den Genuss von garantierten Abnahmepreisen, wenn sie zuvor an einer der zentralen Ausschreibungsrunden der Bundesnetzagentur teilgenommen haben.

Nun meldet [7] diese, dass erneut erheblich weniger Angebote eingegangen und bezuschlagt wurden, als möglich gewesen wäre. Zuschläge habe es für 189 Megawatt gegeben, ausgeschrieben seien allerdings 604 Megawatt gewesen.

Die Ausschreibungen laufen so ab, dass die Netzagentur einen Höchstpreis festlegt, das heiß vorgibt, wie hoch der maximale Garantiepreis pro Kilowattstunde liegen darf. Die Bieter müssen dann abwägen, ob sie zu diesem oder einem niedrigeren Preis noch arbeiten können und bieten schließlich ihrerseits einen Preis an, zu dem sie bereit sind, zu liefern. Denn Zuschlage erhalten dann die Gebote mit den niedrigsten Preisen, bis das Ausschreibungsvolumen ausgeschöpft ist.

Enorme bürokratische Hürden für Windparks

Bei der jüngsten Ausschreibungsrunde lag der Höchstpreis bei 5,88 Cent pro Kilowattstunde, was angesichts der derzeit galoppierenden Inflation ziemlich wenig ist. Zum Vergleich: Die Bauherren und künftigen Betreiber des westenglischen AKW Hinkley Point [8] haben 2012 einen Garantiepreis von rund elf Cent pro Kilowattstunde zugesichert bekommen, der zudem der Inflation angepasst werden soll. Letzteres ist bei den deutschen Einspeisevergütungen für Grünstrom ausdrücklich nicht der Fall.

Schon die Ausschreibungsmenge von 640 Megawatt war viel zu gering, wenn man bedenkt, dass eher 10.000 Megawatt pro Jahr an neuer Leistung von Windkraftanlagen hinzukommen müssen, wenn die Energieversorgung bis in die 2030er-Jahre elektrifiziert und auf Erneuerbare umgestellt werden soll. Doch ein Zuschlag in der Ausschreibung bedeutet noch lange nicht, dass die Anlagen nun auch bald errichtet werden. Die Fachagentur Windenergie an Land schreibt [9], dass in der Windbranche durchschnittlich 26 Monate zwischen Zuschlag und Inbetriebnahme vergehen.

Offensichtlich sind die bürokratischen Hürden, die neue Windparks zu überwinden haben, inzwischen enorm. Welche Ausmaße sie angenommen haben, beschreibt Markus Mann, der Geschäftsführer von MANN Naturenergie in einem Interview [10] mit der Agentur für erneuerbare Energien. Er habe 1991 in Rheinland-Pfalz das erste kommerzielle Windrad aufgestellt, was seinerzeit viel belächelt wurde, aber auch Prominenz zur Einweihung anzog. 150 Kilowatt oder 0,15 Megawatt Leistung habe die Anlage gehabt, was im Vergleich zu den üblichen zwei, drei oder auch fünf Megawatt als geradezu winzig erscheint.

Der Bauantrag sei am 29. Januar 1991 eingereicht worden. Am 21. Februar des gleichen Jahres gab es eine Teilbaugenehmigung und einen guten Monat später die Genehmigung. Am 14. März 1991, also nicht einmal drei Monate nach Antragsstellung, konnte die Anlage in Betrieb genommen werden. Das Genehmigungsschreiben habe auf drei DIN A4 Seiten gepasst und die Kosten der des Verfahrens hätten 5.544 DM betragen.

Traumhafte Zustände in Vergleich zu einem aktuellen Beispiel, das der Unternehmer ebenfalls anführt: Er habe kürzlich gemeinsam mit einer Energiegenossenschaft vier Altanlagen mit einer Gesamtleistung von 0,8 Kilowatt durch eine neue Anlage mit 3,2 Megawatt ersetzt. Also fast das Vierfache an Output bei erheblich verringerter Anlagendichte. (Der Ehrlichkeit halber muss man anmerken, dass die neue Anlage erheblich höher sein wird.)

Das Genehmigungsverfahren habe dafür – für eine einzige Neuanlage – sieben Jahre in Anspruch genommen und 163.000 Euro gekostet. Der Bescheid habe 61 Seiten umfasst. Mann äußert sich nicht dazu, ob er für dieses sogenannte Repowering auch das Ausschreibungsverfahren habe durchlaufen müssen. Dennoch wird an seinem Beispiel deutlich, wie aufwendig und auch riskant das Verfahren heute ist.

An einer Ausschreibungsrunde kann nämlich in der Regel erst teilgenommen werden, wenn die Genehmigung vorliegt. Da es aber keine Sicherheit gibt, einen Zuschlag zu bekommen, gleicht das ganze einem Pokerspiel. Schlimmsten Falls sind die hohen Genehmigungsgebühren futsch. Kein Wunder, dass sich nahezu keine kleinen Genossenschaften und andere Bürgerprojekte beteiligen können, und die Windkraft durch die Ausschreibungen mehr und mehr zur Angelegenheit kapitalkräftiger Unternehmen und Fonds wird.


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https://www.heise.de/-7441807

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.heise.de/tp/features/Bananenrepublik-Deutschland-Christian-Lindner-hat-seinen-Porsche-verdient-7190082.html
[2] https://www.t-online.de/finanzen/boerse/ticker/wissing-will-bau-von-autobahnen-beschleunigen-kritik-von-den-gruenen/0DAB0400741FC72F/
[3] https://www.ausgestrahlt.de/themen/atomunfall/gefahr-neckarwestheim/
[4] https://www.n-tv.de/politik/FDP-pocht-auf-AKW-Weiterbetrieb-article23796218.html
[5] https://www.greenpeace-magazin.de/ticker/akw-brennstaebe-vom-uran-bis-zur-lieferzeit
[6] https://unendlich-viel-energie.de/
[7] https://www.bundesnetzagentur.de/DE/Fachthemen/ElektrizitaetundGas/Ausschreibungen/Wind_Onshore/Gebotstermin01122022/start.html
[8] https://www.theguardian.com/news/2017/dec/21/hinkley-point-c-dreadful-deal-behind-worlds-most-expensive-power-plant
[9] https://www.fachagentur-windenergie.de/fileadmin/files/Veroeffentlichungen/Analysen/FA_Wind_Zubauanalyse_Wind-an-Land_Herbst_2022.pdf
[10] https://unendlich-viel-energie.de/%e2%80%9eam-ende-sind-fossile-und-nukleare-energiequellen-fuer-keine-volkswirtschaft-der-welt-eine-preiswerte-loesung%e2%80%9c