Bananenrepublik Deutschland: Christian Lindner hat seinen Porsche verdient!

Christian Lindner ist bekennender Fan der Marke Porsche. Allzu engen Kontakt zum Firmenchef lässt er sich nicht so gerne nachsagen. Foto: smokeonthewater2 / CC-BY-2.0

LobbyControl fordert Aufklärung zu möglicher Einflussnahme des Autobauers auf die Haltung der Ampel-Parteien zu synthetischen Kraftstoffen. Wird ein Schaumschläger VW-Boss?

Am Ende hat er sich also entschuldigt, der Noch-Porsche-Vorstandsvorsitzende Oliver Blume. Dafür, dass der Eindruck entstanden ist, eine für sein Unternehmen richtungsweisende politische Entscheidung wäre womöglich wegen seiner guten Beziehungen zu FDP-Chef Christian Lindner getroffen worden. Jetzt aber mal halblang! War alles nur ein Missverständnis, aber auch deshalb um so mehr: "Das tut mir leid."

Für sein Mea culpa, publikumswirksam verbreitet via Bild am Sonntag, hat sich der Spitzenmanager ziemlich lange Zeit gelassen. Die Kunde darüber, er habe sich Ende Juni bei einer Betriebsversammlung mit dem "großen Anteil" Porsches daran gebrüstet, "dass die E-Fuels in den Koalitionsvertrag miteingeflossen sind", war da schon fünf Tage alt. Die ZDF-Satireshow "Die Anstalt" hatte den Vorgang vor genau einer Woche enthüllt.

Auch Telepolis berichtete darüber am vergangenen Samstag, wobei dies noch die Zeit der großen Dementis war. "Es gab zuvor keinerlei Kontakt mit Herrn Blume und auch keinerlei anderweitige Einflussnahme", verlautete vom Bundesfinanzministerium (BMF). "Den Austausch hat es so nicht gegeben", bekräftigte ein Porsche-Sprecher.

Watergate verkehrt

Seither ist jedoch manches passiert, was die Darstellung ins Wanken bringt und weshalb Bild die Frage stellte: "Ist das Lindners Porsche-Gate?" Nun ja. Inzwischen ist es längst schlechte Gewohnheit, bei jedem noch so nichtigen Eklat die Mutter aller Skandale zu bemühen. Der Vergleich hinkt aber nicht nur wegen der Dimensionen. Auch der Ausgang ist irgendwie anders, fast spiegelverkehrt.

Bekanntlich fegte Watergate 1974 US-Präsident Richard Nixon aus dem Amt. Ganz anders läuft es in Deutschlands Vorzeigedemokratie. Hier wurde Porsche-Frontmann Blume dieser Tage mal eben zum VW-Boss befördert. Und von einer Demission Lindners ist bisher auch nicht die Rede, nicht einmal auf Seiten der Opposition.

Dabei lassen das fragliche Ereignis wie auch der Umgang der Beteiligten damit durchaus tief blicken, wie es hinter den Kulissen des politischen Tagesgeschäfts so zugeht. Eigentlich hätte hierzulande im Einklang mit EU-Vorgaben ab 2035 Schluss sein müssen mit den dreckigen Verbrennermotoren der Sorte Diesel und Benziner.

Effizienz "extrem schlecht"

In den Koalitionsvertrag der Ampelparteien fand allerdings der Passus Eingang, wonach "nachweisbar mit E-Fuels betankbare Fahrzeuge" auch über besagten Termin hinaus "neu zugelassen werden können". Die Einigung darauf war eine ziemlich böse Überraschung, denn die Klimabilanz der sogenannten Innovation ist ernüchternd. Die Herstellung des synthethischen Treibstoffs frisst Unmengen an Energie. Außerdem werden beim Fahren viele Stickoxide und reichlich Kohlenmonoxid freigesetzt.

Ausgerechnet Volkswagen-Frontmann Herbert Diess stimmte erst vor kurzem den Abgesang auf die Technologie an. Die Effizienz sei "extrem schlecht", weshalb die Kraftstoffe kein Zukunftsmodell wären, erklärte er Anfang Juli im Interview mit der Süddeutschen Zeitung (SZ). "Wenn in 2030 einer für zehn Euro Strom tankt, um 500 Kilometer weit zu kommen, wird der E-Fuel-Fahrer 60 Euro ausgeben müssen."

Nicht einmal drei Wochen später war Diess seinen Posten los, um dem bisherigen Porsche-Chef Blume Platz zu machen. Als dieser vor Mitarbeitern über seinen damals so guten Draht zu den Koalitionsverhandlern prahlte, befasste sich zeitgleich die Europäische Union mit dem Thema E-Fuels. Ende Juni bestätigten die EU-Umweltminister einen vorangegangenen Beschluss des EU-Parlaments für ein endgültiges Aus von Verbrennern.

Ab in den Hausmüll

Allerdings zeichnet sich ein Kompromiss unter den Mitgliedstaaten auf Betreiben der EU-Kommission ab. Demnach sollen Ausnahmen für mit E-Fuels betriebene Autos geprüft werden. Offenbar darauf war eine weitere Bemerkung Blumes bei besagter Betriebsversammlung gemünzt: "Der Christian Lindner hat mich in den letzten Tagen fast stündlich auf dem Laufenden gehalten."

Stimmte das, wäre die Nähe der beiden zueinander keine singuläre Episode, sondern von Nachhaltigkeit, ganz so wie die Liebe Lindners zu teuren Porsche-Karossen. Schon mit 20 Jahren nannte er einen 911er sein Eigen und jüngst, bei seiner pompösen Hochzeit auf Sylt, ließ er seine Braut mit einem Targa vorfahren.

Der Standard aus Österreich brachte diese Infos am Montag in einem Beitrag mit Neuigkeiten über Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zusammen. Der soll nämlich brisante Papiere im Hausmüll entsorgt haben.

Von Scholz weiß man auch, dass er in seiner Zeit als Hamburgs Erster Bürgermeister ziemlich enge Bande zu einem Banker gepflegt hatte, der zunächst irgendwie um die fällige Rückerstattung einer per Cum-Ex-Dividendenstripping erschlichenen Summe von 47 Millionen Euro herumgekommen war.

Und bei der FDP denken kritische Geister vielleicht ja an die "Mövenpick-Partei". Nach großzügigen Wahlkampfspenden eines führenden Hoteliers hatten die Freidemokraten nach der Regierungsübernahme durch Schwarz-Gelb Ende 2009 eilends ein Gesetz ins Werk gesetzt, das die Beherbergungsbranche mit einem reduzierten Mehrwertsteuersatz beglückte.

Bloß "überspitzt formuliert"

Und heute? Herumeiern und Lavieren, bis es weh tut. Gegenüber Bild zog Porsche die ersten beiden Versionen einer Stellungnahme zu Blumes vermeintlich getätigten Äußerungen bei der fraglichen Belegschaftssitzung wieder zurück. In der ersten hieß es noch: "Das wörtliche Zitat und das Gespräch hat es so nicht gegeben. Richtig ist, dass das Unternehmen grundsätzlich mit allen relevanten Stakeholdern – so auch der Politik – einen guten und konstruktiven Austausch pflegt."

Im zweiten Anlauf wurde dann auf die "Freiheiten" einer Satiresendung verwiesen, was wohl heißen sollte, "Die Anstalt" hätte die Äußerungen falsch wiedergegeben. Deren Redaktion versicherte jedoch in einem Faktencheck zur Sendung, über entsprechende Belege zu verfügen, "die diese Aussage verifizieren".

In einem Telefonat mit dem Springer-Blatt ließ Porsche dann durchblicken, fieberhaft nach Videoaufnahmen zu der Versammlung zu suchen. Offenbar wurde man fündig, denn gegenüber der Bild am Sonntag ließ sich Blume zu besagter Entschuldigung herab. Im Rahmen einer internen Veranstaltung sei "überspitzt formuliert worden". Und weiter: "Die Wortwahl entspricht nicht den Tatsachen. Der Austausch hat so nicht stattgefunden, und es gab keine Einflussnahme."

"Verlängerter Arm der Autolobby"

Statt Einflussnahme also nur Schaumschlägerei. Aber qualifiziert das dazu, den weltweit zweitgrößten Autobauer zu führen? Wohl schon, womöglich auch deshalb, weil man bei anderen etwas gut hat. Lindners Entourage jedenfalls gibt sich in der Sache ziemlich schmallippig. Aber immerhin: Das anfängliche "Kein Kontakt" zu Blume relativierte mittlerweile ein FDP-Sprecher. Es habe "im Oktober 2021 lediglich ein kurzes Telefonat zwischen Herrn Blume und Herrn Lindner zu Fragen der Verwendung von E-Fuels gegeben".

Geschenkt. Richtig heiß sind die Drähte vermutlich aber in diesen Tagen gelaufen. So erreichte die Bild-Redaktion ein E-Mail-Irrläufer aus dem Hause Porsche, der eigentlich fürs BMF bestimmt war. Daraus soll hervorgehen, wie beide Seiten ihre Reaktionen auf den ZDF-Bericht im Hintergrund abstimmten. Vollstes Verständnis auch dafür, denn welcher Wähler steht schon auf kakophonische Politkommunikation.

Weniger nachgiebig zeigt man sich bei LobbyControl. "Es ist unglaubwürdig, dass Blumes Aussage, es hätte stündliche Updates gegeben, überhaupt keine reale Grundlage hat", gab am Montag Vereinssprecher Timo Lange zu Protokoll. Es müsse alles auf den Tisch, der Minister müsse klarstellen, welche Kontakte es gab und welche Handynachrichten ausgetauscht wurden.

"Der aktuelle Fall verstärkt den verheerenden Eindruck, dass die FDP und ihr Vorsitzender sich als verlängerter Arm der Autolobby in der Bundesregierung verstehen." Ach was: So was gibt es doch nur in einer Bananenrepublik.