Deutschland zwischen Dunkelflaute und Gas-Transitstopp
Bei Windstille im Dezember war Deutschland auf fossile Brennstoffe und Stromimporte angewiesen. Die Situation zeigt die Herausforderungen der Energiewende.
Wie Bloomberg am 9. Dezember berichtete, war Deutschland wegen vieler Windflauten in diesem Winter gezwungen, entweder fossile Brennstoffe zu verbrennen oder Strom aus Frankreich zu importieren, sodass Strompreise stiegen. Niedrige Temperaturen erhöhten dazu den Strom- und Heizbedarf.
Unsicherheit wächst
Europa musste seine Gasspeicher in Rekordmengen anzapfen. Die Unsicherheit, wie sich der Winter im Falle weiterer Windflauten entwickeln wird, ist daher groß.
Bloomberg
Strommarktdaten der Bundesnetzagentur zeigen die stark schwankende Erzeugung der Windkraftanlagen auf See und an Land im Dezember an.
Daten der Gas Infrastructure Europe GIE zeigen, dass die Füllstände der Gasspeicher vor einem Jahr in Deutschland über 90 Prozent betrugen. Jetzt Mitte Dezember sind diese zu knapp 84 Prozent gefüllt.
Außerdem schürt das Ende des Transitvertrages für Gas aus Russland über die Ukraine Unsicherheiten. Auch wenn Deutschland kein russisches Gas mehr importiert, kann der Wegfall der Transitmengen das Preisniveau bei Gasimporten nach oben drücken, weil Befürchtungen über Versorgungsengpässe erneut die Runde machen.
Gaskraftwerke müssen liefern
Am 12. Dezember fiel die verfügbare Stromkapazität abzüglich der erwarteten Nachfrage auf den tiefsten Stand des Winters, weil die Windkraftleistung auf unter drei Gigawatt zurückging. Gas- und Kohlekraftwerke mussten liefern, um die Lücke der ausbleibenden Windkraftleitung zu füllen. Der Strompreis verzehnfachte sich auf weit über 900 Euro je Megawattstunde.
Kerstin Andreae, Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, sprach sich im Dezember für zusätzliche steuerbare Kraftwerke aus, „um die Schwankungen von Wind- und Sonnenenergie auszugleichen und die Stabilität des Stromnetzes sicherzustellen.“ Den Zubau solcher Kraftwerke nennt sie „hochgradig zeitkritisch. Daher muss dies auf die 100-Tage-Agenda einer neuen Regierung.“
Nur so ließen sich Versorgungs- und Systemsicherheit langfristig gewährleisten und gleichzeitig der Kohleausstieg umsetzen. H2-ready-Gaskraftwerke sollen dies nach Plänen zu einem neuen Kraftwerksgesetz vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz bewerkstelligen. Bis genug klimafreundlicher Wasserstoff zur Verfügung steht, dürfte das den Gasbedarf erhöhen.
Deutschland senkte Import und Verbrauch von Erdgas
Im vergangenen Jahr verbrauchte Deutschland nach Daten der Bundesnetzagentur mit 810,4 Gigawattstunden fünf Prozent weniger Gas als im Vorjahr. Die deutschen Importe sanken 2023 um knapp 33 Prozent auf 968 Gigawattstunden Erdgas. Allein 883 Gigawattstunden davon lieferten Norwegen, die Niederlande und Belgien.
Der Rest kam aus Österreich, der Schweiz, Frankreich und per Schiff ins Land. Die LNG-Importe lagen bei 70 Gigawattstunden. Die russischen Pipelinelieferungen in 2023 betrugen indes 0 Gigawattstunden, die 2022 noch 314 Gigawattstunden oder 21 Prozent der Importe umfassten.
Auch wenn deutsche Versorgungsunternehmen offiziell kein russisches Gas beziehen, ist nicht auszuschließen, dass dies über LNG-Importe von Belgien, den Niederlanden oder Frankreich ins Land strömt.
Neuer Ausstiegsplan soll EU wieder auf Kurs bringen
In seinem ersten Interview seit seinem Amtsantritt als neuer Energiekommissar der EU sprach sich Dan Jørgensen für einen vollständigen Stopp der Energielieferungen aus Russland aus. Er warnte, dass die EU in ihrem mehrjährigen Bemühen zur Abkehr von russischem Brennstoff ins Stocken geraten sei und einen Plan benötige, um wieder auf den richtigen Kurs zu kommen.
Solch einen Plan will Jørgensen innerhalb der ersten 100 Tage nach seinem Amtsantritt vorlegen. Besonders besorgniserregend nannte er die steigenden Käufe von russischem Flüssigerdgas.
Ferner seien fünf EU-Länder bei der Versorgung mit Kernbrennstoffen immer noch auf Russland angewiesen. Sein Plan soll sich „vor allem auf Gas, aber auch auf Öl und Atomenergie“ konzentrieren und Schritte aufzeigen, um russische Energieimporte auf null zu bringen. Der Ausstieg ist bislang auf das Jahr 2027 terminiert.
Sollte nach dem Ende des russisch-ukrainischen Transitvertrages Anfang 2025 tatsächlich kein Gas mehr aus Russland über die Ukraine in Österreich ankommen, dürfte der Bedarf an LNG-Importen auch über Deutschland zunehmen.
Das wiederum würde für eine höhere Auslastung der deutschen LNG-Terminals sorgen. Im November hatte die Deutsche Regas mitgeteilt, dass das Energie-Terminal Deutsche Ostsee Kapazitäten für die österreichische Energieversorgung bereitstellen könne.