Wird Tiktok in den USA verboten – und zieht Deutschland nach?

Bild: antonbe auf Pixabay

Debatte um Einfluss von China auf Videoplattform. US-Abgeordnete: Tiktok gewährt Peking Zugriff auf Daten. In Deutschland warnt auch der Verfassungsschutz.

Die Videoplattform Tiktok ist aus dem Leben vieler junger Menschen in den USA nicht mehr wegzudenken. Mit knapp 150 Millionen Nutzern ist es nicht nur eine beliebte Plattform für Kurzvideos, sondern auch ein milliardenschwerer Marktplatz. So mancher Influencer soll es dank Tiktok auf ein sechsstelliges Jahreseinkommen bringen.

Doch damit könnte es bald vorbei sein. Unter US-amerikanischen Politikern mehren sich die Stimmen, die auf ein Verbot der Plattform drängen. In dieser Frage sind sich Republikaner und Demokraten weitgehend einig.

Der republikanische Kongressabgeordnete Neal Dunn dürfte dabei einer der vehementesten Verbotsverfechter sein. Er bezeichnete die weitverbreitete Nutzung von Tiktok kürzlich bei einer Anhörung als "Krebsgeschwür".

Das tief sitzende Misstrauen und die Ablehnung bekam Tiktok-Chef Shou Zi Chew am Donnerstag bei einer Befragung im US-Kongress zu spüren. Dort wurde der Plattform vorgeworfen, Inhalte zu fördern, die Essstörungen bei Kindern, den Verkauf illegaler Drogen und sexuelle Ausbeutung begünstigen.

Ähnliche Vorwürfe könnte man auch anderen sozialen Netzwerken machen. Facebook wurde etwa beschuldigt, den Völkermord an den Rohingya in Myanmar begünstigt zu haben. Der Kurznachrichtendienst Twitter ist dafür bekannt, dass über ihn Pornografie, auch Kinderpornografie, verbreitet wurde. Versuche, diese sozialen Netzwerke zu verbieten, sind allerdings nicht bekannt.

Bei Tiktok liegt die Sache anders – weil diese Plattform ihre Ursprünge in China hat. Schon der frühere US-Präsident Donald Trump hatte deshalb versucht, Tiktok zu verbieten. Doch seitens Tiktok wird immer wieder betont, man sei keine Tochter eines chinesischen Konzerns. Der Eigentümer, das Unternehmen Bytedance, sei zu 60 Prozent im Besitz westlicher Investoren und habe den offiziellen Firmensitz auf den Caymaninseln in der Karibik.

In Washington hat man allerdings ein Problem damit, dass die chinesischen Gründer von Bytedance immer noch einen Anteil von 20 Prozent halten. Sie hätten dank höherer Stimmrechte weiterhin die Kontrolle über das Unternehmen, so ein Vorwurf. Außerdem unterhalte man in Peking eine große Zentrale. Laut Medienberichten fordert die US-Regierung einen Ausstieg der chinesischen Anteilseigner.

"Tiktok muss ein amerikanisches Unternehmen mit amerikanischen Werten werden und die Verbindungen zur chinesischen Kommunistischen Partei kappen", erklärte der demokratische Abgeordnete Darren Soto laut Deutscher Presse-Agentur (dpa) am Donnerstag.

Und die Republikanerin Marianette Miller-Meeks betonte demnach, die Technologie anderer Social-Media-Plattformen wie Facebook, Instagram oder Twitter werde "in den USA, nach US-Richtlinien, unter US-Gesetzen zum Datenschutz entwickelt".

Shou Zi Chew verwies seinerseits auf Probleme von US-Plattformen beim Datenschutz, etwa den Facebook-Skandal um Cambridge Analytica. Doch mit solchen Argumenten konnte er nicht zu den Abgeordneten durchdringen, die ihn immer wieder unterbrachen, ohne dass er auf ihre Vorwürfe adäquat reagieren konnte.

Tiktok-Chef Chew beteuert Schutz der Kundendaten

In Bezug auf Datenschutz habe man viel unternommen, betonte Chew. Seit mehr als zwei Jahren habe man eine Art Firewall aufgebaut, um US-Nutzerdaten vor unbefugtem Zugriff aus dem Ausland abzuschotten. Das funktioniere nach dem Prinzip: "Amerikanische Daten, gespeichert auf amerikanischem Boden, von einem amerikanischen Unternehmen, beaufsichtigt von amerikanischem Personal", so Chew.

Die Kritiker wurden davon allerdings nicht besänftigt, auch nicht davon, dass das Unternehmen bislang mehr als 1,5 Milliarden US-Dollar für Maßnahmen zur Datensicherheit unter dem Namen "Project Texas" ausgegeben hat. Daran arbeiten nach Angaben von Reuters aktuell etwa 1.500 Beschäftigte in Vollzeit. Außerdem hat Bytedance mit dem US-Konzern Oracle einen Vertrag über die Speicherung der US-Nutzerdaten von Tiktok abgeschlossen.

Die Abgeordneten in Washington haben zwei Gesetzentwürfe auf den Weg gebracht, mit den ein Verbot von Tiktok angestrebt werden soll. Auch wenn eines der Vorhaben Aussicht auf Erfolg hätte, würde ein Verbot wahrscheinlich nicht schnell erfolgen. Das gesetzgeberische Verfahren würde Monate dauern und dann würde es wahrscheinlich noch mindestens ein Jahr dauern, bis das US-Handelsministerium die notwendigen Prüfungen abgeschlossen hat.

Und selbst dann könnte das Verbot noch am ersten Verfassungszusatz scheitern, heißt es bei Reuters, der "das Recht der Amerikaner auf Zugang zu sozialen Medienplattformen ihrer Wahl" schütze.

Zudem erklärte demnach ein Experte von der Columbia University, die US-Regierung müsste erst nachweisen, dass Datenschutz- und Sicherheitsbedenken von Tiktok nicht berücksichtigt werden können. "Die Regierung hat dies nicht nachgewiesen, und wir bezweifeln, dass sie es könnte", erklärte der Experte.

Mit einem Verbot würde die US-Regierung auch einen "gefährlichen Präzedenzfall" schaffen, der sich auch auf alle anderen sozialen Netzwerke auswirken könnte, so die Befürchtung. Schließlich gehe es um den Zugang zu einer Plattform, die täglich von Millionen Amerikanern genutzt werde.

Auch für Deutschland könnte ein Verbot der Videoplattform in den USA Folgen haben. Laut Medienberichten warnt hierzulande das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV). BfV-Vizepräsident Sinan Selen erklärte laut Hamburger Morgenpost:

Wenn Sie sich Umfang der Daten, der Metadaten, der Inhalte bei TikTok anschauen auf der einen Seite, und wenn Sie sich dann auch anschauen, welche Einflussmöglichkeiten staatliche Stellen auf solche Unternehmen haben, dann kann das nur Bauchschmerzen auslösen.

Man sei sich im Ausmaß dessen, worauf chinesische staatliche Stellen Einfluss nehmen könnten, nicht klar genug, so Selen. So bleibt die Frage, ob auch Facebook, Twitter und Co. mit diesem Argwohn betrachtet werden.

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