Würmer, Grillen, Heuschrecken – bald auch bei uns auf dem Tisch?
- Würmer, Grillen, Heuschrecken – bald auch bei uns auf dem Tisch?
- Gehören Insekten bald zu unserem Speiseplan?
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Noch sind in Europa Insekten auf dem Teller die Ausnahme. Sie könnten künftig den Eiweißbedarf der wachsenden Weltbevölkerung decken. Die strukturellen Probleme löst das aber nicht.
Grillen, Heuschrecken, Mehl- und Buffalowürmer, die Larven des Getreide-Schimmelkäfers, stehen für gewöhnlich nicht auf deutschen Speisekarten. Im Mikrokosmos in Berlin-Kreuzberg aber werden Krabbeltiere schon jetzt als Fritto Misto angerichtet oder zu Mehl verarbeitet, um sie im Brot zu verbacken und Saucen sämig zu machen.
Das Insekten-Restaurant in Berlin, das gerade mal vor zwei Monaten eröffnete, ist auf Insekten spezialisiert. Nicol Sartirani und ihr peruanischer Küchenchef Diego Castro verarbeiteten die Tiere zunächst unauffällig im Essen – etwa in Salsa Macha mit verarbeiteten Mehlwürmern.
Eigentlich war die Inhaberin auf der Suche nach Tieren gewesen, die sie selber züchten kann, auf kleinem Raum in der Stadt. Anstatt Fische von weither herzuschaffen, wollte sie Heuschrecken, Grillen und Mehlwürmer selber züchten. Doch das ist nach EU-Bestimmungen nicht erlaubt. Sechs Arten dürfen für den menschlichen Verzehr gezüchtet werden, und die dürfen nur von zertifizieren Farmen stammen und nur schockgefroren geliefert werden.
Aber auch mit zugekauften Insekten lassen sich Gerichte verfeinern, wie zum Beispiel Ceviche, peruanisches Nationalgericht, das hier mit Blumenkohl, Granatapfel und schwarzem Sesam serviert wird. Frittierte Heuschrecken werden mit Nudel- oder Reisgerichten kombiniert. Würmer mit Schokolade umantelt oder auf den Salat gestreut, in Desserts mit Karamell oder Schokolade verbunden oder als spezielle Insektenburger hergerichtet. Selbst im Nachtisch mit Praline werden Mehlwürmer in Butter verarbeitet.
Gäste des Restaurants sind vor allem Jugendliche, die sich nachhaltig ernähren wollen, aber auch Sportler, weil sie an einweißhaltiger Nahrung interessiert sind, erklärt die Inhaberin im Interview mit der Restaurantkritikerin Tina Hüttl.
Auch Folke Dammann verkauft seit zehn Jahren gefriergetrocknete Insekten zum Kochen, Insektenmehl zum Backen, Mehlwurm-Schokolade, Insektenriegel mit gerösteten Buffalowürmern und verschiedene gewürzte Insektensnacks zum Direktverzehr. Zudem bietet der Unternehmer Kochkurse an. Gefriergetrocknet oder geröstet schmeckten Heuschrecken sehr knusprig – ähnlich wie Chips, sagt er.
Ein Rezept für frittierten Heuschrecken geht so: Etwas Erdnussöl in die Pfanne, ein wenig Chili und Knoblauch daran, Heuschrecken anrösten und salzen. Der knusprige Snack erinnert ein wenig an Geflügelhaut. Oder eine süße Variante: Kurz ein paar Mehlwürmer in der Pfanne anrösten und mit flüssiger Couverture vermengen. Auch Buffalowürmer harmonieren aufgrund ihres nussigen Aromas gut mit Reibekuchen.
Vor zehn Jahren las der Jungunternehmer einen Beitrag über das Potenzial von Insekten als Proteinquelle der Zukunft. Damals produzierten bereits kleinere Farmen in Europa Nahrungsmittel aus Insekten. Bei denen habe er Heuschrecken bestellt und sich überwunden hineinzubeißen. Das hat ihn offenbar überzeugt, denn er eröffnete daraufhin sein eigenes Unternehmen.
Sei man gewohnt, Garnelen oder Krabben zu essen, sei das rein optisch nichts anderes, erklärt der Insekten-Koch im Interview. Bei einer Paella etwa werden die Garnelen mit ihren schwarzen Augen und den Fühlern obendrauf gestreut. Ein kleiner Heuschreckenspieß ist davon nicht weit entfernt.
"Gesunde Insekten – nachhaltig in der Produktion"
Insekten sind vielseitig verwendbar: In Chutney, in Saucen, im Ganzen gegrillt, frittiert – in Insektenburgern oder Pasta aus Insektenmehl. Sie bestehen zu 60 Prozent aus Eiweiß, Fleisch hingegen enthält zu 60 Prozent Wasser. Sie sind reich an Omega-Fettsäuren, Spurenelementen und Mineralstoffen wie Eisen, Zink, Magnesium und Phosphor, Vitaminen und teils auch an Folsäure.
Einige Heuschrecken enthalten mehr als doppelt so viel Eiweiß wie Rinder- oder Hühnerfleisch. Nur wenige der Tierchen reichen aus, um das Protein im Fleisch zu ersetzen, sagen Experten. Je nach Art liegt der Eiweißgehalt der essbaren Insekten bei 25 bis 77 Prozent. Der Fettgehalt liegt bei maximal 33 Prozent. Vom Energiewert – bezogen auf die Frischmasse – sind Insekten jedoch etwa mit Fleisch vergleichbar.
Bei der Produktion brauchen Insekten im Vergleich zur Rinderzucht deutlich weniger Platz und weniger Wasser. Zudem verursachen sie weniger Treibhausgas-Emissionen. Auch in der Futterverwertung punkten sie mit Effizienz. Um ein Kilogramm Körpermasse aufzubauen, brauchen sie im Durchschnitt drei Viertel weniger Futter als eine Kuh.
Was beim Rind vorn reingesteckt werde, komme hinten zu 30 bis 40 Prozent als Protein wieder raus. Beim Insekt sind das bis zu 80 oder 85 Prozent, weiß Insektenbiotechnologe Marc Schetelig. Es brauche weniger Futtermittel, um an dieselbe Menge an Proteinen zu kommen. Insektenproteine werden zudem längst in Form von Proteinpulver an Nutztiere verfüttert.
Wichtig wäre eine deutliche Kennzeichnung
Neben Mehlwürmern und Heuschrecken dürfen seit dem 24. Januar 2023 auch Grillen in sehr vielen Lebensmitteln zu einem gewissen Prozentsatz mitverarbeitet werden, wie aus einer neuen EU-Verordnung 2023/5 hervorgeht.
Zunächst soll das antragstellende vietnamesische Unternehmen die Grillen fünf Jahre lang alleine verkaufen dürfen, bevor andere Anbieter in die Vermarktung einsteigen. Demnach dürfen pulverisierte Insekten in einer Vielzahl an Lebensmitteln wie Back- und Teigwaren, Bier, Saucen, Kartoffelgerichten, Pizza, Chips und Cracker, Pasta und Keksen verwendet werden, Fleischersatzprodukte (pflanzliche Alternativen) dürfen bis zu maximal fünf Prozent aus gemahlenem Grillenpulver bestehen.
Die Mengen sind genau definiert: Der gelbe Mehlwurm darf nur getrocknet als Ganzes oder in pulverisierter Form verkauft werden. Kekse dürfen je 100 Gramm maximal zehn Gramm Mehlwurm-Mehl enthalten. Die neu zugelassene Hausgrille reiht sich hier in die Liste der so genannten Novel-Food-Produkte ein.
Manchmal werden Insekten auch offen als Verkaufsargument genutzt. Insekten können potenzielle Allergene enthalten, gibt Armin Valet von der Verbraucherzentrale Hamburg zu Bedenken. So können Menschen, die auf Krustentiere allergisch reagieren, auch nach dem Verzehr von Lebensmitteln mit Insektenpulver allergisch reagieren.
Beigefügtes Insektenpulver müsse daher deutlich auf dem Produkt gekennzeichnet sein. Alles andere sei Verbrauchertäuschung. "Getrocknete Larven/Pulver aus Larven von Acheta domesticus (Hausgrille)" – so könne etwa eine Kennzeichnung lauten.
Ein entsprechender Hinweis auf Allergene jedoch sei für Produkte mit Insekten in der EU derzeit nicht verpflichtend. Bei anderen Produkten erfährt man nur beim Lesen der kleingedruckten Zutatenliste, ob ein Produkt Insektenbestandteile enthält.
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