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Zehn Millionen E-Autos statt Verbrenner-Autos: Was bringt das dem Klima?

Ein Vergleich der aktuellen CO-2-Bilanz zeigt, in welchem Maße die Verkehrswende von der Hoffnung auf Dekarbonisierung abhängig ist

Nach den Anfang 2022 vorgelegten Berichten des Weltklimarats (IPCC) müssen die jährlichen CO2-Emissionen bis 2030 um rund die Hälfte reduziert werden, um die Erwärmung der Erde unter 1,5 Grad Celsius zu halten. Der Deutsche Bundestag hat die Zielvorgaben bezüglich der CO2-Emissionen im geänderten Klimaschutzgesetz im Juni 2021 angehoben. Deutschland soll bis zum Ende des Jahrzehnts seinen Treibhausgas-Ausstoß insgesamt um 65 Prozent gegenüber dem Jahr 1990 verringern.

Für den Sektor Verkehr soll die zulässige Jahresemissionsmenge von 145 Millionen Tonnen CO2-Äquivalent in 2021 auf 85 Millionen Tonnen in 2030 begrenzt werden. Wie kann die Elektromobilität dazu beitragen? Denn davon hängt ja ab, wie sinnvoll ihre staatliche Subventionierung ist.

Ausgehend von den CO2-Emissionen des Pkw-Verkehrs im Jahr 2020 untersucht der vorliegende Text, wie sich die CO2-Emissionen durch den Ersatz von zehn Millionen Verbrennern durch zehn Millionen E-Autos ändern würden.1 [1]

Oder anders gefragt: Wenn zehn Millionen Verbrenner gegen eine gleiche Zahl an vergleichbaren E-Autos ausgetauscht würden – wäre das gut oder schlecht für das Klima?

Wie viel Kohlendioxid verursachen die 48,5 Miillionen Verbrenner?

Zum 1. Januar 2022 waren nach den Angaben des Kraftfahrtbundesamts in Deutschland 48,5 Millionen Pkw angemeldet [2]. Die Inländerfahrleistung dieser Pkws betrug im Jahr 2020 genau 626.423 Millionen Kilometer. Jedes Fahrzeug legte dabei im Durchschnitt 12.915 Kilometer (626.423 Mio. / 48,5 Mio.) zurück.

Im Jahr 2020 emittierte der Verkehrssektor 146 Millionen Tonnen Klimagase, das sind 20 Prozent der Emissionen Deutschlands, wobei diese im Sektor fast ausschließlich in Form von CO2 entstehen.2 [3]

Von den CO2-Emissionen sind 58,7 Prozent den Pkws zuzurechnen; 35,1 Prozent der Straße Nutzfahrzeuge. Für etwa 59 Prozent der Emissionen des Verkehrs in Deutschland sind Benzin- und Diesel-Pkw verantwortlich. Wenn ein Fahrzeug einen Liter Benzin verbraucht, stößt es etwa 2,37 Kilogramm CO2 aus. Bei einem Dieselfahrzeug sind es 2,65 Kilogramm [4] CO2.3 [5]

Die CO2-Emissionen belaufen sich in 2020 für Pkw und Kombis auf rund 105 Millionen Tonnen. Da jedoch schon bei der Exploration, Gewinnung und Transport der Treibstoffe CO2-Emissionen anfallen, muss man die bei diesem Weg (Well to Tank) entstehenden Emissionen mit einem Aufschlag von etwa 15 Prozent berücksichtigen.4 [6]

Somit erhalten wir für die Emissionen im Jahr 2020 einen Wert von (105 * 1,15) 120 Millionen Tonnen CO2. Auf jeden im Jahr 2020 gefahrenen Kilometer entstanden Emissionen von 0,192 kg CO2 (120 Mrd. kg / 626.423 Millionen Kilometer).

Bei 48,5 Millionen Pkw in 2020 verursacht jeder Pkw in 2020 im Durchschnitt eine Emission von 2.474 Kilogramm CO2 (120 Millionen Tonnen / 48,5).

Anders ausgedrückt: Jeder Verbrenner, der stillgelegt wird, führt zu Einsparungen in Höhe von rund 2,5 Tonnen CO2. Obwohl es im Folgejahr sowohl bei der jährlichen Fahrleistung als auch bei der Zahl der Fahrzeuge im Jahr 2021 geringfügig andere Werte gab, dürften sie sich nicht wesentlich geändert haben.

Wie hoch ist die Einsparung an CO2-Emissionen, wenn zehn Millionen Benzin- und Dieselfahrzeuge stillgelegt werden? Das zeigt eine einfache Rechnung: Durch deren Stilllegen entfallen CO2-Emissionen in Höhe von 24,74 Millionen Tonnen CO2 (2.474 Kilogramm * zehn Millionen), also rund 25 Millionen Tonnen CO2.

Und wie viel Strom brauchen uzehn Millionen E-Autos?

Doch wie hoch sind die Emissionen von zehn Millionen E-Autos? Während des Betriebs ist die Emission von E-Autos Null, jedoch benötigen sie Strom. Wie hoch ist der Strombedarf für zehn Million E-Autos?

Die meisten der heutigen E-Autos liegen mit ihrem Stromverbrauch zwischen 15 und 25 kWh/100 KIlometer. Für unsere Berechnungen nehmen wir einen Durchschnittsverbrauch von 20 kWh pro km an. Für eine Fahrleistung von 13.000 Kilometer ergibt sich damit ein Jahresverbrauch von 2.600 kWh oder 2,6 MWh.

Wenn zehn Millionen E-Autos ihren Strombedarf decken wollen, werden dazu 26 TWh pro Jahr (2,6 MWh * zehn Millionen) benötigt. Im Jahr 2021 betrug die Nettostromerzeugung der öffentlichen Stromerzeugung 490,6 TWh [7], wobei die Erneuerbaren Energien 224,56 TWh, Kernenergie 65,37 TWh und die aus fossilen Quellen 200,65 TWh beitrugen [8].

Im Jahr 2021 stieg der Anteil konventioneller Energiequellen von Kohle, Erdgas und Atomenergie an der Stromerzeugung gegenüber 2020 von 52,9 Prozent auf 57,6 Prozent, während der Anteil aus erneuerbaren Energien von 47,1 auf 42,4 Prozent sank.

Solaranlagen in Deutschland produzieren rund 48 TWh, Windräder rund. 114 TWh. Der klimaschädliche Strom aus Kohlekraftwerken verzeichnete den höchsten Anstieg und betrug damit 30 Prozent – nach 24,8 Prozent im Vorjahr. Kohlestrom in Deutschland stammt zu rund 60 Prozent aus der besonders klimaschädlichen Braunkohle [9].

Wie sieht es nun bei den Emissionen im Jahr 2021 aus? Die CO2-Emissionen der Stromwirtschaft in Deutschland sind 2021 um rund 13 Prozent auf 212 Millionen Tonnen CO2 gestiegen. Diese umfassen die CO2-Emissionen aller Stromerzeugungsanlagen in Deutschland einschließlich der Anlagen in der Industrie. Der Zuwachs an CO2 ergab sich u. a. aus der gestiegenen Stromnachfrage in Verbindung mit einer gesunkenen Erzeugung aus Windenergie [10] CO2-Emissionen für den Strom von zehn Millioenen E-Autos.

Das E-Auto braucht Strom. Woher kommt der Strom für diese zusätzlichen Stromverbraucher? Wenn jemand sein E-Auto aus dem öffentlichen Netz lädt, wird die Strommenge aus Wind und Sonne nicht erhöht.

Das Stromangebot von Windkraftanlagen und Fotovoltaik schwankt mit der Windbewegung und der Intensität der Sonneneinstrahlung an den jeweiligen Standorten. Angesichts fehlender Speichermöglichkeiten bedarf es regelbaren Energiequellen, um Stromangebot und Stromnachfrage zum Ausgleich zu bringen.

Regelbar sind fossile Kraftwerke, auf die man zurückgreifen muss. Da Atomstrom als konventioneller Träger kaum CO2 verursacht, soll er hier vernachlässigt werden. Somit müssen die CO2-Emissionen der Stromerzeugung den fossilen Trägern zugerechnet werden.

Jedes E-Auto, das heute neu in Betrieb genommen wird, muss notwendigerweise mit Strom fahren, der in einem Kohle- oder Gaskraftwerk erzeugt wird. Für 2021 errechnet sich der Emissionsfaktor für die Erzeugung aus fossiler Energie wie folgt:

Unter den im Jahr 2021 gegebenen Bedingungen wird ein E-Auto mit Strom von 1,047 Kilogramm CO2 pro kWh geladen. Wie werden nun die entsprechenden CO2-Emissionen ermittelt?

Das geschieht durch die Multiplikation der oben ermittelten Strommenge mit dem Emissionsfaktor (26 TWh * 1,047 CO2/kWh). Um den Strom von 26 TWh für die zehn Millionen E-Autos herzustellen, entstehen Emissionen von 27,2 Millionen Tonnen CO2, also rund 27 Millionen Tonnen CO2.

Diese Emissionen sind höher als diejenigen, die wir für die (fiktiv) stillgelegten zehn Millionen Verbrenner errechnet haben. Diese betrugen nur rund 25 Millionen Tonnen CO2. Durch den Austausch der Verbrenner durch E-Autos errechnen sich CO2-Emissionen, die um rund zwei Millionen Tonnen CO2 höher liegen. Das ist ein frappierendes Ergebnis, beruht doch die Hoffnung (nicht nur) der Bundesregierung auf eine Dekarbonisierung des Pkw-Verkehrs durch das E-Auto und dessen Förderung.

Das E-Auto bringt keine Einsparung. Was ist zu tun?

Sollten zehn Millionen Verbrenner durch E-Autos ausgetauscht werden, würden die CO2-Emissionen nicht gesenkt, sondern sogar um rund zwei Millionen Tonnen CO2 jährlich erhöht werden.

Das Ergebnis ist eindeutig: Das E-Auto führt unter den gegenwärtigen Bedingungen in Deutschland zu keiner CO2-Reduktion. Für die E-Autos steht klimaneutraler Strom aus Erneuerbaren Energien nicht in ausreichender Menge zur Verfügung. Deshalb wird der Ladestrom die Auslastung fossiler Kraftwerke (vor allem Kohle) erhöhen, und dies voraussichtlich für die nächsten ein bis zwei Jahrzehnte. Durch den Atomausstieg im Jahr 2022 und den zu erwartenden Zusatzbedarf für die E-Autos wird die Stromversorgung schwieriger werden.

Die staatliche Förderung der Elektromobilität ist so lange unsinnig, wie für den Betrieb der E-Autos kein klimaneutraler Strom zur Verfügung steht. Noch absurder ist es, riesige Elektro-SUVs mit ihrem enormen Stromverbrauch in gleicher Höhe zu fördern wie energieeffiziente Kleinwagen.

So entpuppt sich die staatliche Förderung der E-Mobilität als Absatzförderung für die Automobilhersteller, nicht aber als wirksame Maßnahme für den Klimaschutz. Während in Deutschland die Kaufprämien für E-Autos bis Ende 2025 verlängert und erhöht wurden [11], laufen in China die Kauf-Subventionen für Elektroautos Ende 2022 komplett aus. Man sollte diese Form der Steuerverschwendung in Deutschland beenden und die Mittel für Maßnahmen einsetzen, die tatsächlich eine Verringerung der Emissionen bewirken, wie z.B. für den Ausbau der Erneuerbaren Energien.


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[1] https://www.heise.de/tp/features/Zehn-Millionen-E-Autos-statt-Verbrenner-Autos-Was-bringt-das-dem-Klima-6681209.html?view=fussnoten#f_1
[2] https://www.kba.de/DE/Statistik/Fahrzeuge/Bestand/bestand_node.html
[3] https://www.heise.de/tp/features/Zehn-Millionen-E-Autos-statt-Verbrenner-Autos-Was-bringt-das-dem-Klima-6681209.html?view=fussnoten#f_2
[4] https://www.helmholtz.de/newsroom/artikel/wie-viel-co2-steckt-in-einem-liter-benzin/
[5] https://www.heise.de/tp/features/Zehn-Millionen-E-Autos-statt-Verbrenner-Autos-Was-bringt-das-dem-Klima-6681209.html?view=fussnoten#f_3
[6] https://www.heise.de/tp/features/Zehn-Millionen-E-Autos-statt-Verbrenner-Autos-Was-bringt-das-dem-Klima-6681209.html?view=fussnoten#f_4
[7] https://www.ise.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/news/2022/nettostromerzeugung-in-deutschland-2021-erneuerbare-energien-witterungsbedingt-schwaecher.html
[8] https://energy-charts.info/charts/energy_pie/chart.htm?l=de&c=DE&interval=year&year=2021
[9] https://www.spiegel.de/wirtschaft/kohle-loest-windkraft-als-wichtigste-stromquelle-deutschlands-ab-a-69dad9aa-3eae-46c9-a991-f7a56fbb176c
[10] https://www.bdew.de/media/documents/Jahresbericht_2021_korrigiert_19Jan2022.pdf
[11] https://www.bdew.de/media/documents/Jahresbericht_2021_korrigiert_19Jan2022.pdf