Zoonosen: Prävention gegen zukünftige Pandemien ist möglich
Wo Tier- und Humanmediziner eng zusammenarbeiten, um Frühwarnsysteme zu entwickeln – und wie sich das Risiko durch einen anderen Umgang mit Tieren senken lässt
Zoonosen sind der Grund, warum im Robert-Koch-Institut (RKI) in Berlin auch Veterinäre arbeiten, während im Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) – dem Bundesforschungsinstitut für Tiergesundheit – auch Humanmediziner beschäftigt sind. "Der Mensch ist biologisch ein Teil des Tierreichs, man könnte also Humanmediziner auch als 'Fachtierärzte für Menschen' bezeichnen", so die Biologin Elke Reinking von der Pressestelle des FLI.
Bei der Erforschung und Bekämpfung von Zoonosen, also Infektionskrankheiten, die vom Tier auf den Menschen und umgekehrt übertragen werden können, arbeiten die Fachleute, darunter auch Biologinnen und Bioinformatiker, eng zusammen.
Zu den Aufgaben des Friedrich-Loeffler-Instituts mit Sitz in Greifswald gehört die Erstellung von Risikobewertungen im Austausch mit deutschen und internationalen Kooperationspartnern – mit anderen Worten: Es soll mit Blick auf die weltweite Tiergesundheitssituation mögliche Brutstätten und Übertragungswege zukünftiger Pandemien identifizieren.
Deren Ursprung müsste nicht zwangsläufig in der Massentierhaltung liegen – hohe Tierzahlen auf kleinem Raum können aber die Infektions- und Ausbreitungswahrscheinlichkeit erhöhen.
"Hier sollten insbesondere Influenzaviren bei Schweinen im Auge behalten werden – Schweine eignen sich hervorragend für die Vermehrung und Neusortierung von Influenzaviren, die von Mensch, Schwein oder Vogel stammen", erklärt Reinking auf Nachfrage von Telepolis.
Pelztiere als "Brückenwirte"
Die aktuellen Coronaviren sind vermutlich anderen Ursprungs, eine Schlüsselrolle scheint aber auch hier der Umgang von Menschen mit Tieren zu spielen. "Der Erreger der derzeitigen Pandemie, SARS-CoV-2, stammt nach heutigem Kenntnisstand ursprünglich wahrscheinlich aus einem Wildtierreservoir, nicht aus der kommerziellen Tierhaltung", so Reinking. Es könne aber nicht ausgeschlossen werden, dass zu kommerziellen Zwecken gehaltene "mögliche Brückenwirte" eine Rolle beim Übergang auf den Menschen gespielt haben – zum Beispiel Pelztiere.
Diese Theorie hat der Berliner Charité-Virologe Christian Drosten im vergangenen Sommer als wahrscheinlichste und plausibelste Erklärung dargestellt. Die Idee eines Forschungsunfalls nannte er "ausgesprochen unwahrscheinlich".
Das Coronavirus SARS-CoV-2 sei mit dem ersten Erreger des Schweren Akuten Atemwegssyndroms (SARS) eng verwandt – und in diesem Fall seien die Übergangswirte Marderhunde und Schleichkatzen gewesen. Das sei gesichert, sagte Drosten seinerzeit dem Schweizer Online-Magazin Republik.
In China spielten Marderhunde nach wie vor eine große Rolle in der Pelzindustrie. Dabei würden immer wieder auch wilde Marderhunde in die Zuchtbetriebe gebracht, die zuvor Fledermäuse gefressen haben könnten. Letztere gelten wiederum als wahrscheinlichster Ursprungswirt von SARS-CoV-2. Marderhunden und Schleichkatzen werde lebendig das Fell über die Ohren gezogen, betonte der Charité-Virologe. Bei ihren Todesschreien würden Aerosole freigesetzt. "Dabei kann sich dann der Mensch mit dem Virus anstecken."
Eine solche Erklärung lässt sich geopolitisch natürlich weit weniger gegen China verwenden als die These eines Laborunfalls, denn etliche Kleidungsstücke mit solchen Pelzkrägen wurden in den letzten Jahren auch in Westeuropa verkauft – in der Regel wohl an Menschen, die deren Entstehungsgeschichte lieber nicht so genau wissen wollten.
Pelzindustrie "nahezu am Ende", Fleischkonsum weltweit gestiegen
Organisationen wie Peta hatten in diesem Zusammenhang vor allem auf das Tierleid aufmerksam gemacht. Dass nun Italien zum Jahreswechsel die Pelztierzucht verboten hat, ist aber auch der menschlichen Gesundheit geschuldet. Nach Angaben des Tierschutzbundes waren auf knapp 400 europäischen Nerzfarmen Corona-Ausbrüche bekannt geworden.
In Dänemark waren als Reaktion darauf Ende des Jahres 2020 rund 17 Millionen Zuchtnerze getötet worden. Rund 13 Millionen Tiere wurden verbrannt, vier Millionen wurden dagegen eilig in Massengräbern im Westen des Landes verscharrt. Sie mussten allerdings im Frühjahr 2021 exhumiert und ebenfalls verbrannt werden, nachdem sich Gase in den verwesenden Körpern gebildet hatten, die Gewebe und Knochen nach oben drückten – und das in der Nähe von Badeseen und Grundwasserreservoirs.
Vielen war zuvor gar nicht bewusst, dass es bis zu diesem Zeitpunkt noch so viele Pelztierfarmen in Westeuropa gab – schließlich hatten schon seit den 1990er-Jahren Topmodels und andere Promis mit der Peta-Plakatkampagne "Lieber nackt als im Pelz" erfolgreich zum Imageverlust von Pelzmänteln beigetragen. Im Jahr 2020 beendete Peta die Kampagne nach 30 Jahren mit der Begründung, dass die Pelzindustrie "mittlerweile nahezu am Ende" sei. Die letzte deutsche Nerzfarm in Rahden hatte bereits 2019 geschlossen. Zuletzt sollen rund 4000 Tiere dort gelebt haben.
Der weltweite Fleischkonsum hat sich dagegen in den letzten zwei Jahrzehnten mehr als verdoppelt – die globale Nachfrage stieg aber zuletzt langsamer an, obwohl die Weltbevölkerung gewachsen ist.
In Deutschland ist der Fleischkonsum zwar in den letzten Jahren gesunken, liegt aber immer noch auf einem ungesund hohen Niveau: 2020 lag er im Durchschnitt bei 57,3 Kilogramm pro Person, neuere Zahlen hat die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung noch nicht veröffentlicht.
Durchschnittsdeutsche kamen damit auf mehr als ein Kilo Fleisch pro Woche. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung empfiehlt aus gesundheitlichen Gründen, nicht mehr 300 bis 600 Gramm Fleisch pro Woche zu essen.
Eine Erhöhung des Pflanzenanteils an der menschlichen Ernährung würde also nicht "nur" Tiere, Umwelt und Klima schonen, sondern auch in zweifacher Hinsicht die menschliche Gesundheit. Kurz- und mittelfristig.
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