Zu wenig Regen und Systemversagen

Deutsch ist, wenn zur Entlastung der Intensivstationen eine Impfpflicht, aber kein Tempolimit möglich ist. Symbolbild: Riedelmeier auf Pixabay (Public Domain)

Die Energie- und Klimawochenschau: Noch immer zu wenig Grundwasser, Behördenversagen, Repression und Unwillen, auf die Lage in den Krankenhäusern Rücksicht zu nehmen

Für die Meteorologen neigt sich der Herbst seinem Ende zu. Am heutigen Mittwoch beginnt für sie der Winter. Zeit also für den Deutschen Wetterdienst (DWD), ein kleine Bilanz zu ziehen. Mit 9,8 Grad Celsius lagen die drei Monate September, Oktober und November im Durchschnitt um ein Grad Celsius über der Temperatur in der allgemein üblichen Referenzperiode 1961 bis 1990 und immer noch um ein halbes Grad über dem Mittelwert der Jahre 1991 bis 2020.

Unter anderem gab es am 9. September mit 30 Grad Celsius in Huy-Pabstorf bei Magdeburg noch einen außergewöhnlichen heißen Herbsttag oder eher Spätsommertag. Auch am 3. Oktober bescherten vom Süden über die Berge strömende Föhnwinde dem Alpenvorland noch mal einen Sommertag.

Sorgen muss man sich derweil weiter wegen anhaltender Trockenheit machen. Auch wenn in den letzten Tagen vieler Orts nasskaltes Wetter herrschte, war der ausgehende Herbst mal wieder niederschlagsarm. Über die ganze Republik und die drei Monate gemittelt fielen 130 Liter pro Quadratmeter, was am langjährigen Durchschnitt gemessen etwa 30 Prozent zu wenig war.

Nur Mecklenburg-Vorpommern hatte mehr Regen, als dort sonst im 30-Jahres-Durchschnitt fällt. Auch Bayern bekam – übers ganze Bundesland gemittelt – zu wenig Regen ab. Daran änderte auch ein Starkregen-Ereignis am 26. September nichts, dass von Bayern bis Sachsen-Anhalt zu hohen Niederschlagsmengen führte.

Der Dürremonitor des Umweltforschungszentrums in Leipzig zeigt dementsprechend ein durchwachsenes Bild. Aktuell ist im Norden und Osten für die Pflanzen genug Wasser verfügbar. Eng wird es nur in Baden-Württemberg und in Hessen.

Im Unterboden herrscht aber in einem Gürtel vom südlichen Niedersachsen über Sachsen-Anhalt bis nach Brandenburg weiter extreme Dürre. Selbst an der schleswig-holsteinischen Ostseeküste, sonst eher eine regenreiche Region, ist der Unterboden bis in 1,80 Metern Tiefe örtlich oft ungewöhnlich trocken.

Und dass, obwohl es an extremen Niederschlägen keinen Mangel hatte. Aber zum einen kommt es eben auf die Summe an, und zum anderen fließt bei besonders ergiebigen Regenfällen auch viel Oberflächenwasser ab, ohne im Boden versickern und dort den Grundwasserspeicher auffüllen zu können.

Keine Warnungen

Besonders schmerzhaft mussten das im Juli die Bewohner des rheinland-pfälzischen Ahrtals und des nordrhein-westfälische Erftstadt erfahren, zwei Orte, an denen ein Hochwasser in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli schwere Verwüstungen anrichtete und zahlreiche Menschenleben forderte. In Erftstadt in der Nähe von Bonn war eine von einer RWE-Tochter betriebene Kiesgrube nicht ausreichend gesichert worden. Ihre Ränder erodierten durch das Wasser der über die Ufer tretenden Erft, brachen auf über 100 Meter weg. Mehrere Häuser wurden in den sich bildenden Krater gerissen.

Anwohner berichten, dass sie keinerlei Aufforderung bekommen hatten, sich in Sicherheit zu bringen. Verschiedene Staatsanwaltschaften in der Region ermitteln jetzt, wie das Redaktionsnetzwerk RND berichtet. Sachverständige würden derzeit gehört.

In der Landeshauptstadt Düsseldorf beschäftigt sich inzwischen ein Untersuchungsausschuss des nordrhein-westfälischen Landtags mit dem Hochwasser und dem Agieren der zuständigen Behörden in der akuten Gefahrensituation. Auch aus anderen Orten gibt es wie aus Erftstadt Berichte, dass es keine Warnungen gegeben habe, weder über Sirenen noch anders.

Keine Akten

Vor dem Ausschuss sagten kürzlich die ersten Zeugen aus, wie der Sender WDR berichtet. Zum einen war das Hannah Cloke, die an der Universität im britischen Reading unterrichtet und forscht und auch am Projekten des dort ansässigen Europäischen Zentrum für Mittelfristige Wettervorhersagen mitarbeitet.

Zu Clokes Arbeitsschwerpunkten gehört die Vorhersage von Extremwetter wie Hitzewellen und Hochwasserkatastrophen mittels Computersimulationen. Clokes zeigte sich von der hohen Zahl der Todesopfer überrascht und sprach von Systemversagen. Mehrere Tage vor der Katastrophe sei absehbar gewesen, wie ernst die Bedrohung sei.

Die Meldungen des europäischen Hochwasserwarnsystems EFAS seien eindeutig gewesen, so Cloke. An EFAS ist auch der Deutsche Wetterdienst beteiligt. Die Informationen zum Ausmaß des Hochwassers hätten rechtzeitig vorgelegen. Sie können allerdings – was nicht weiter verwundert – keine Angaben machen, an welcher Stelle im behördlichen Hochwassermanagement in NRW der Fehler zu finden sei.

Zum anderen wurde Jörg Kachelmann, Betreiber eines privaten Wetterdienstes, befragt. Auch er war sich ziemlich sicher, dass die Toten hätten verhindert werden können. Sein Dienst habe frühzeitig und genau vor den Gefahren gewarnt, denn auch seine Wettermodelle hätten das heranziehende Unwetter im Vorfeld ausgemacht.

Der auf Antrag der oppositionellem Grünen und Sozialdemokraten eingerichtete Untersuchungsausschuss muss sich nun durch einige 100.000 Seiten Akten wühlen und wird weitere Zeugen vernehmen. Aber nicht alle kooperieren: Die geschäftsführende Bundesregierung hat bisher keine der angeforderten Akten geschickt.

Keine Rückgabe

Nur etwa 50 Kilometer nordnordwestlich von Erftstadt liegt der ebenfalls von RWE betriebene Braunkohletagebau Garzweiler II, in dessen Nachbarschaft in den Dörfern seit Jahrzehnten ein Teil der Bewohner gegen den Verlust ihrer Häuser und gewohnten Umgebung kämpfen.

Mit großer Erleichterung wurde dort der Koalitionsvertrag der Berliner "Ampel"-Koalition aufgenommen. Denn SPD, Grüne und FDP haben sich, wie berichtetdarauf verständigt, die Dörfer Keyenberg, Kuckum, Berverath sowie Unter- und Oberwestrich zu erhalten.

Doch damit ist die Auseinandersetzung mit dem Tagebau-Betreiber RWE noch lange nicht zu Ende. Das Dörfchen Lützerath, wo es gerade ein Protestcamp gibt, ist weiter von der Zerstörung bedroht. Und in den nun geretteten Dörfern hat die Pfarrei am vergangenen Sonntag die Kirchen an RWE übergeben.

Der Konzern hatte sie, wie auch bereits einen erheblichen Teil der Häuser erworben. Da es sich offiziell um gewöhnliche Kaufverträge handelt, gibt es keine automatische Rückgabe. Dass die Verträge oftmals nur unter dem Druck einer andernfalls drohenden Enteignung zustande gekommen sind, spielt keine Rolle.

Was Entwidmung und Übergabe letztlich heißt, ist aber offen. Anwohner und Braunkohlegegner aus der Region hatten sich in den betroffenen Kirchen niedergelassen und geweigert, sie zum Schluss der Öffnungszeiten zu verlassen. Nach anfänglichem Gerangel mit Kirchenverantwortlichen habe es schließlich Gespräche, eine erste vorsichtige Annäherung und ein gemeinsames Gebet gegeben. Die Anwohner hätten die Schlüssel für Kirchen und Gemeinderäume behalten.

So die Schilderung der Initiative "Kirche im Dorf lassen". Die weitere Nutzung der drei Kirchen sei offen. Man wolle sich weiter für ihre religiöse Nutzung und für ihre Rollen als Mittelpunkte der Dörfer einsetzen.

Keine Versöhnung

Zwischen Garzweiler und Erftstadt liegt der Tagebau Hambach und in dessen Nachbarschaft das Dorf Manheim. Das sollte ebenfalls einst der Braunkohle weichen und ist bereits weitgehend von RWE aufgekauft.

Auch dort soll die Braunkohle im Boden bleiben, doch RWE will das Zerstörungswerk dennoch fortsetzen. Dieser Tage wurden dort die Allebäume an der K53 gefällt, wie das Bündnis "Alle Dörfer bleiben" auf Twitter schreibt. Der Konzern will offensichtlich noch den dort abbaubaren Kies vermarkten. Außerdem soll unter Manheim Boden abgetragen werden, um mit diesen die Hänge im Tagebau Hambach abzuflachen und zu sichern.

Der Hambacher Forst, der nach langem Streit nun eigentlich erhalten bleiben soll, wird dann von drei Seiten von Gruben eingerahmt sein. Um diese zu stabilisieren, muss das Grundwasser in der Nachbarschaft abgepumpt werden. Eher unwahrscheinlich, dass der alte Wald das überstehen wird. Bei RWE scheint man offensichtlich kein Interesse an einem Ausgleich mit seinen Nachbarn und der Klimabewegung zu haben. Die wöchentliche Mahnwache vor der RWE-Zentrale in Essen wird also vermutlich noch eine Weile weitergehen.

Keine Rechtsgrundlage

Auf der anderen Seite scheinen auch staatliche Stellen eher auf Konfrontation zu setzen. Das hatte sich schon im besonderen Maße 2018 bei dem wochenlangen Polizeieinsatz zur Räumung des Hambacher Forstes gezeigt, der im Nachhinein von Gerichten als illegal erklärt wurde. Auf Krautreporter.de hat Rico Grimm in einer lesenswerten Reportage ein Bild von der massiven Polizeigewalt gezeichnet, denen Aktivistinnen und Aktivisten mitunter ausgesetzt sind.

Von tagelangem Freiheitsentzugs wegen eines Transparentes während der Automobilausstellung im September in München, von Platzverweisen, von "Gefährderansprachen", von hartem Vorgehen bei harmlosen Sitzblockaden.

Manchmal bekommen Betroffene sehr viel später vor Gericht recht, manchmal wird auch, wie im Hambacher Forst, einem sehr gewaltsamen Polizeieinsatz irgendwann, wenn alles längst vorbei ist, von Gerichten attestiert, dass ihm jegliche rechtliche Grundlage fehlte. Doch immer ohne Folgen für die uniformierten Gewalttäter oder die Minister, die die Einsätze veranlassten.

Und Justizia wir bemüht. Die Hessenschau berichtet, dass in der ganzen Republik derzeit die Gerichte gegen Aktive der Umweltbewegung bemüht werden, die im vergangenen Jahr an der Besetzung des Dannenröder Forsts beteiligt gewesen waren.

Der war wegen der dort geplanten Verlängerung der Autobahn A49 von Klimaschützern mit Unterstützung eines Teils der örtlichen Bevölkerung durch Baumhäuser und ähnliches in Beschlag genommen worden. Ab Anfang Oktober 2020 ließ Hessens Grüner Verkehrsministers Tarek Al-Wazir räumen. Telepolis berichtete mehrfach.

Kein Erbarmen

Seitdem sitzt eine der Besetzerinnen in Haft. Sie soll, als man sie in 15 Metern Höhe aus einem Baumhaus zog, nach einem Beamten getreten haben. Andere Klimaschützer sprechen von einem lebensgefährlichen Polizeieinsatz, bei dem wenig Rücksicht auf ihre Sicherheit genommen wurde. Da sie nicht ihre Identität preisgibt – von ihren Freundinnen und Freunden wird sie Ella genannt – sitzt sie seit etwas mehr als einem Jahr in der Justizvollzugsanstalt Preungesheim ein. Im Juni wurde sie in erster Instanz zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und drei Monaten verurteilt.

Im Januar 2022 findet vor dem Landgericht Gießen die Verhandlung der zweiten Instanz statt. Der Polizeibeamte, der bei der gleichen, sich über mehrere Wochen hinziehenden Räumung im Dannenröder Wald ein Seil durchtrennte, woraufhin eine Aktivistin abstürzte und sich lebensgefährlich verletzte, ist hingegen weiter auf freiem Fuß. Die Ermittlungen gegen ihn laufen noch.

Kein Interesse

Doch es wurde den Grünen nicht gedankt. Alles Heulen mit den Wölfen nichts genützt. Da hat Al-Wazir letztes Jahr gezeigt, dass man verkehrspolitisch zu allem bereit ist. Selbst den Autobahnbau gegen Teile der eigenen Klientel mit massiver Polizeigewalt durchzusetzen. Trotzdem hat man das Bundesverkehrsministerium in Berlin der FDP überlassen müssen.

Oder hat man es gar so gewollt? Weil das Außenministerium wichtiger ist, weil man da am geopolitischen Rad drehen und den bösen Chinesen drohen kann?

Jedenfalls übernimmt nun mit Volker Wissing ein FDP-Mann das Verkehrsministerium, der sich selbst zum Anwalt der Autofahrer erklärt und ein Bayerischer Automobilhersteller, der einst für den Krieg der Nazis Flugzeuge von KZ-Häftlingen bauen ließ, feiert das mit dem Konzept eines elektrisch betriebenen Panzers für den Krieg auf unseren Straßen.

Keine Rücksicht

Wissings Auto-Partei hatte schon in den Sondierungsgesprächen das Nein zum Tempolimit zur Bedingung der Koalition gemacht. Gibt ja auch angesichts von Pandemie und Klimakrise nichts wichtigeres, als sich ein derartiges Thema zur roten Linie zu machen.

Nicht einmal zeitweise werden wir ein Tempolimit bekommen. Dabei sind die Krankenhäuser und vor allem die Intensivstationen inzwischen rappel dicke voll.

Die Chefärzte der Berliner Kliniken haben gerade einen Aufruf veröffentlicht, doch bitte im Augenblick Extremsport und gefährlichen Drogenkonsum lieber sein zu lassen. Im Straßenverkehr bitten sie uns, besonders vorsichtig zu sein.

Aber nein, die Meine-Freiheit-geht-über-alles-auch-über-deine-Freiheit-Partei sorgt dafür, dass es keine Entlastung gibt, dass also nicht per Tempolimit die Zahl der Unfallopfer gedrückt wird. Sind ja schließlich noch ein oder zwei Intensivbetten irgendwo im Land frei, wohin die Verletzten dann von der Bundeswehr geflogen werden können.

Zu wenig Kohle

Zum Schluss aber noch die gute Nachricht der Woche: In den USA hat die Öl- und Gasbranche Schwierigkeiten, genug Leute zu finden. Nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Reuters wurden zu Beginn der Corona-Pandemie Zehntausende entlassen, um Kosten zu sparen. Doch nun seien viele nicht bereit, sich wieder anheuern zu lassen.

Der Grund könnte darin liegen, dass sich anderswo, nicht zuletzt bei den erneuerbaren Energieträgern mehr Geld verdienen lässt. Das legen Gehaltsstatistiken des privaten Arbeitskräfte-Vermittlers Brunel nahe, die die Agentur veröffentlicht.

Außerdem hätten Brunels Umfragen in der Branche ergeben, dass mehr als die Hälfte der Beschäftigten Interesse hat, zu den sauberen Energieträgern zu wechseln. Kein Wunder: In der Solarbranche lassen sich durchschnittlich 11.000 US-Dollar mehr im Jahr verdienen, bei der Windenergie sind es sogar 17.000 US-Dollar mehr.

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