Zwei Jahre Ukraine-Krieg: Was Frauen auf beiden Seiten der Front erleiden

Marianna Wischemirskaja und Natalja Poklonskaja, zwei Beispiele für Frauenschicksale im Ukraine-Krieg. Bilder: Wischemirskaja, Poklonskaja

Was wurde aus der Krim-Staatsanwältin Poklonskaja? Was aus Schwangeren der Geburtsklinik Mariupol, deren Foto um die Welt ging? Unser Autor hat nachgeforscht.

Wenn man zwei Jahre über den brutalen Krieg in der Ostukraine berichtet, bleibt ein starker persönlicher Eindruck. Am intensivsten ist er bei Begegnungen mit Menschen, deren gesamtes Leben durch ihn aus der Bahn geworfen wurde, die mit Glück auch Gefahren entgingen.

Oder die kurz im Zentrum des weltweiten Presseinteresses standen, bevor die Ereignisse ihr weiteres Schicksal scheinbar wieder verschluckten. Die Geschichte von drei solchen Frauen, denen ich begegnet bin, will ich hier den Telepolis-Lesern näher bringen.

Natalja Poklonskaja – Krim-Staatsanwältin als Kriegskritikerin

Die russische Ukraine-Invasion 2022 hatte eine achtjährige Vorgeschichte. Eine wichtige Rolle bei der Annexion der Krim durch Russland 2014, die von einem großen Bevölkerungsanteil auf der Halbinsel begrüßt wurde, spielte Natalja Poklonskaja. Sie war dort stellvertretende Bezirksstaatsanwältin, unterstützte durch eine eindrucksvolle und viel rezitierte Ansprache die russische Krim und wurde am Ende sogar zu einem Manga- und Internetphänomen.

Der weitere Weg der konservativen, jungen und sehr kameratauglichen Frau schien vorgezeichnet – eine steile Karriere im russischen Staatsapparat. Zunächst sah es danach aus.

Poklonskaja war auf vielen Events des Politestablishments prominent zu sehen, wurde Duma-Abgeordnete, dann stellvertretende Leiterin einer Regierungsagentur im Außenministerium. Journalisten nannten sie das "Postergirl des Kreml", obwohl sie sichtbar vor allem eine politische Akteurin war.

Der Kriegsausbruch im Februar 2022 änderte das abrupt. Denn im Gegensatz zu fast allen anderen regierungsnahen Politikern Russlands bekannte Poklonskaja öffentlich, dass sie die russische Ukraineinvasion nicht unterstütze und nannte sie eine "Katastrophe".

Mutiger Schritt

Dies war ein sehr mutiger Schritt und ein russischer Kollege und ich nahmen es zum Anlass, Poklonskaja um ein Interview für das Wochenmagazin Der Freitag zu bitten. Zu unserer Überraschung war sie dazu bereit.

Sie bekannte sich im Gespräch neben ihrer russischen auch weiter zur ukrainischen Staatsbürgerschaft, obwohl sie auf Kiewer Fahndungs- und Brüsseler Sanktionslisten steht.

Sie bestätigte aufgrund zahlreicher Kontakte auch die Änderung der Einstellung der zuvor oft prorussischen Ostukrainer nun gegen Russland, nachdem das Nachbarland ihre Heimat mit Militär überrollt hatte. Zu ihrer Rolle im Rahmen des Wechsels der Krim nach Russland bekannte sie sich weiterhin.

Stille Vereinbarung wahrscheinlich

Zwei Monate nach unserem Interview verkündete Poklonskaja, dass sie ab sofort als Beraterin der russischen Generalstaatsanwaltschaft arbeiten würde, sich darauf konzentrieren müsse und verschwand, was politische Äußerungen angeht, komplett von der Bildfläche.

Schlagzeilen machte sie danach nur noch zweimal: Als ein Fake-Account mit ihrem Namen auftauchte, stellte sie öffentlich klar, dass sie nicht dahinterstecke. Weiterhin postete sie im September 2023 im Social Media ein privates Video bei einer Wildfütterung, was ihre immer noch existente Fanbase als Lebenszeichen wertete. Ansonsten blieb sie seit 2022 im Dunkeln.

Man muss davon ausgehen, dass all das die Folge einer nicht öffentlichen Vereinbarung zwischen Poklonskaja und den Mächtigen in Russland war. Als Ikone der Krim konnte man ihr, wie anderen Kriegskritikern, keinen öffentlichen Prozess machen, aber auch ihre öffentlichen Meinungsäußerungen gegen den eigenen Feldzug nicht dulden. So bot man ihr wohl einen Rückzug aus der Öffentlichkeit gegen ein ruhiges Leben an.

Marianna Wischemirskaja: Schwanger in Mariupol zwischen Medienfronten

Die erste große Stadt, die die russischen Truppen in der Ukraine erfolgreich besetzten, war Mariupol, um das hart gekämpft wurde. Das schlagzeilenträchtigste Ereignis hierbei war der mutmaßliche russische Angriff auf eine Geburtsklinik, Bilder von evakuierten und teilweise später verstorbenen Schwangeren gingen um die Welt – aufgenommen von westlichen Journalisten vor Ort. Sofort entbrannte ein Glaubenskrieg um die Deutung der Ereignisse, die vier Menschen das Leben kosteten.

Eine der Schwangeren, Marianna Wischemirskaja (damals 29), erlangte in diesem Zug große Bekanntheit. Sie wurde zunächst von russischen und prorussischen Propagandamedien wie dem Antispiegel als Teilnehmerin an einer Inszenierung diffamiert, da sie zuvor als bekannte Beauty-Influencerin vor allem auf Instagram gearbeitet hatte.

Tatsächlich können auch Beauty-Influencerinnen wie Marianna schwanger werden und sich in Kliniken von Mariupol versorgen lassen, weil sie dort wohnen. Später tauchte Marianna auf einem regierungsnahen prorussischen YouTube-Channel aus Donezk auf und beschwerte sich über die Instrumentalisierung und Belästigung durch die distanzlose Berichterstattung der westlichen Journalisten, die an der Geburtsklinik gefilmt hatten.

Der Kanal wurde von einem Bekannten von ihr betrieben. Nun waren es westliche Medien, die zuvor ihr Schicksal instrumentalisiert hatten, ihr Propaganda vorzuwerfen.