Zwischenbilanz zu Rammstein und Lindemann: Viel Aufregung, wenig Rechtsstaat

Seite 2: Wie führende Medien professionelle Distanz missen lassen

Viele der beteiligten Leitmedien haben es versäumt, die Problematik, die dem Thema sexueller Missbrauch innewohnt, hinreichend zu erläutern: die Fallstricke der Verdachtsberichterstattung, die problematische Rechtslage, das Verhältnis von Legislative und Judikative zum kulturellen Raum.

So entsteht der Eindruck, dass die tatsächlichen oder vermeintlichen Straftaten hinter der Rammstein-Bühne als Vehikel für ideologische Missionen dienen und die tatsächlichen oder vermeintlichen Opfer in Folge ideologisch missbraucht werden.

Gefährliche Aufforderungen an Betroffene

Anders ist es nicht zu verstehen, wenn nun Medien und medial-politische Akteure wie die ehemaligen Grünen-Politikerin Jutta Ditfurth mit Verweis auf eine in sozialen Netzwerken kursierende und durchaus fragwürdige Einschätzung einer österreichischen Rechtsanwältin dazu aufrufen, Abmahnungen zu ignorieren. Sind sich die Verfasser bewusst, welchem Risiko sie die Adressaten solcher Aufrufe – zusätzlich zu deren ohnehin schwieriger Situation – aussetzen?

Diese Beispiele und Entwicklungen zeigen, dass sich die Debatte im "Fall Rammstein" oder im "Fall Lindemann" in eine fragwürdige Richtung entwickelt. Auch in anderen ideologischen Kampffeldern stellen sich die Protagonisten inzwischen bewusst gegen den Rechtsstaat. Seien es tendenziell rechte Rundfunkgebührenverweigerer aus Opposition gegen den "Staatsfunk". Oder tendenziell linke Umweltaktivisten, die unter Berufung auf einen "Klimanotstand" und damit einen politischen Kampfbegriff Autofahrer nötigen und Sachbeschädigungsdelikte begehen.

Dem Klima ist damit ebenso wenig geholfen, wie der von Erregungsjournalismus getriebene Hype um die Band Rammstein und ihren Frontmann Till Lindemann künftige Opfer von Sexualstraftaten nachhaltig schützt.

Gut ist, dass die Irin Shelby Lynn, auf deren Schilderungen die Rammstein-Kontroverse fußt, besonnen bleibt: Angesichts skandalisierender Berichte verweist sie auf Fakten und ihre tatsächlichen Aussagen; angesichts der in Litauen eingestellten Ermittlungen reicht sie Beschwerde ein.

Richtig ist, dass nun offenbar die Staatsanwaltschaft Berlin, die Presseberichten zufolge einen Anfangsverdacht wegen Sexual- und Drogendelikten sehen soll, zur Klärung beiträgt.

Aufklärung durch unabhängige Stellen tut Not. Sollten strafrechtlich relevante Verstöße aber nicht nachgewiesen oder gar Vorwürfe geahndet werden – der Schaden wäre nachhaltig.

Von dem medial getragenen Skandal blieben dann nur Klicks und Verkaufszahlen in den Jahresbilanzen.

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