AKW in Belgien: Fragwürdige Verlängerung der Laufzeit birgt Risiken

Westlicher Nachbarstaat will Laufzeit für zwei Reaktoren um eine Dekade auf 50 Betriebsjahre strecken. Das sorgt für Irritation und Kritik

Belgien will die Laufzeit von zwei Reaktoren um zehn Jahre verlängern. Eigentlich hatte Deutschlands westlicher Nachbarstaat beschlossen, seine insgesamt sieben Reaktoren in den Atomkraftwerken Tihange an der Maas unweit der deutschen Grenze bei Aachen und Doel an der Westerschelde unweit der Nordseeküste alle bis spätestens 2025 vom Netz zu nehmen.

Nun berichten die Agenturen sowie unter anderem der Spiegel und Euronews, dass der 2021 gefasste Beschluss, aus der Atomenergie auszusteigen, für die Reaktoren Doel 4 und Tihange 3 revidiert und die Stilllegung um zehn Jahre nach hinten verschoben werden soll.

Bei der Betreiberfirma Engie scheint man nicht allzu begeistert. Der neue Beschluss werfe erhebliche Fragen nach Sicherheit und Umsetzung auf, zumal in den Nachbarreaktoren bereits die Vorbereitungen für die Stilllegung begonnen haben oder demnächst beginnen, gibt Euronews die Bedenken des Unternehmens wieder.

Telepolis hatte in den vergangenen Jahren wiederholt über den bedenklichen Zustand und das hohe Alter der belgischen AKW-Flotte berichtet. Die beiden fraglichen Reaktoren laufen zum Beispiel bereits seit 1985, haben also schon rund 37 Betriebsjahre auf dem Buckel.

Für gewöhnlich sind die stählernen Reaktordruckbehälter, die Herzstücke der Anlagen, auf einen Betrieb von 40 Jahren ausgelegt. Während der Nutzung sind die Wände der Behälter einem dauernden Beschuss mit energiereichen Neutronen ausgesetzt, der das Material mit der Zeit spröde und damit bruchanfälliger macht.

Einige der belgischen Reaktoren zeigen schon seit einigen Jahren zahlreiche kleine und größere Haarrisse, wobei strittig ist, ob dies ein Materialfehler oder eine vorzeitige Alterungserscheinung ist. Betroffen sind Tihange 1 und 2 sowie Doel 3.

Die beiden jetzt mit einer Gnadenfrist versehenen Anlagen sind (bisher) nicht darunter, aber bei den drei Haarrissreaktoren ist auch noch bis zu drei Jahre Zeit, Murphys Law („Was schiefgehen kann, geht schief.“) zu bestätigen.