Braunkohle: Enteignung vor der Enteignung?
Im Rheinland klagt ein Landwirt, weil sein Hof abgerissen werden soll, noch bevor das Enteignungsverfahren gegen ihn abgeschlossen ist
Am Braunkohle-Tagebau Garzweiler 2 im Rheinland ist weiter ungewiss, ob der die Region dominierende Energiekonzern RWE Anfang November mit dem Abriss der letzten Häuser in Lützerath beginnen wird. Die riesigen Bagger haben sich nordöstlich von Aachen inzwischen dicht an den Ortsrand des kleinen, zur Stadt Erkelenz gehörenden Dorfes vorgearbeitet.
Wie berichtet [1], hält der Landwirt Eckhardt Heukamp als einer der letzten im Dorf aus, unterstützt von einem Protestcamp von Dutzenden meist junger Klimaschützer und einer Mahnwache von Greenpeace.
Anders als viele andere Bewohner hat Heukamp es auf eine Enteignungsklage ankommen lassen, die noch nicht entschieden ist. Meist geben die Dorfbewohner dem nicht immer sanften Druck des Energiekonzerns und der Lokalpolitik nach, bevor es zur formellen Enteignung nach dem Bergrecht und unter Berufung auf Artikel 14(3) [2] Grundgesetz (Enteignung zum Wohle der Allgemeinheit) kommt.
Nicht so im Falle Eckhardt Heukamp. Der muss sich im Augenblick gegen eine sogenannte Besitzeinweisung erwehren. Diese würde RWE zum 1. November den Zugriff auf seinen denkmalgeschützen Hof sowie seine Wiesen und Felder noch vor dem Abschluss des Enteignungsverfahrens geben.
Dagegen hat Heukamp geklagt und war Anfang Oktober vom Verwaltungsgericht in Aachen abgewiesen worden [3]. Vergangenen Woche hat Heukamp hiergegen beim Oberverwaltungsgericht in Münster Beschwerde eingelegt.
Eckardt Heukamp, Landwirt in Lützerath
Das Bündnis Alle Dörfer bleiben [4], in dem sich Bewohner bedrohter Dörfer im Rheinland, der Lausitz sowie im Leipziger Land zusammen geschlossen haben, unterstützt Heukamp.
Der Tagebau Garzweiler 2 dürfe nicht weiter ausgeweitet werden, wenn Deutschland seinen Beitrag zur Beschränkung der globalen Erwärmung auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau leisten wolle.
Heukamp wird von der Anwältin Roda Verheyen vertreten, die im Frühjahr an der erfolgreichen Verfassungsbeschwerde zum Klimaschutzgesetz beteiligt gewesen war.
Nach dem Urteil der Karlsruher Richterinnen und Richter hatte die Regierungskoalition im Bundestag das Klimaschutzgesetz nachgebessert und die Klimaschutzziele angehoben, sie allerdings noch immer nicht mit der Pariser Klimaschutzübereinkunft [5] kompatibel gemacht.
Roda Verheyen, Rechtsanwältin
Die Aachener Richterinnen und Richter waren hingegen in der Urteilsbegründung der Ansicht, dass es bisher kein „zwingende(s) Gebot zum sofortigen oder gegenüber den bisherigen Planungen frühzeitigen Kohleausstieg“ gibt.
Bleibt abzuwarten, ob die nächste Instanz die genau so sieht, wann sie über die Beschwerde entscheidet und ob die Besitzeinweisung RWE zumindest bis dahin aufgeschoben wird.
Alle Dörfer bleiben kündigen schon mal weitere Proteste und für den 31. Oktober eine große Demonstration an. Mit von der Partie werden auch die Jugend-Klimaschutzbewegung Fridays for Future sowie andere Organisationen und Umweltverbände sein.
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[1] https://www.heise.de/tp/features/Luetzerath-Der-Unbeugsame-6209950.html
[2] https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_14.html
[3] https://www.kostenlose-urteile.de/VG-Aachen_6-L-41821-und-6-L-43321_Luetzerath-Eilantraege-gegen-die-zugunsten-von-RWE-erfolgte-vorzeitige-Besitzeinweisung-abgelehnt.news30918.htm
[4] https://www.alle-doerfer-bleiben.de/
[5] https://unfccc.int/process-and-meetings/the-paris-agreement/the-paris-agreement
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