Lützerath: Der Unbeugsame
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Energie- und Klimawochenschau: Von widerspenstigen Bauern, einer Baggerbesetzung, einem Braunkohleriesen, der kein Interesse an Klimaschutz zeigt, und von explodierenden Energiepreisen
Es wird wohl noch ein wenig dauern, bis sich die ersten Konturen der Energie- und Klimapolitik der nächsten Bundesregierung abzeichnen. Bisher kann man bestenfalls spekulieren, wie diese bei der derzeit am wahrscheinlichsten erscheinenden Ampel-Koalition aussehen könnte. Doch das sparen wir uns und ersparen es den Leserinnen und Lesern.
Absehbar ist allerdings schon, dass der aufs engste mit der nordrhein-westfälischen Politik verflochtene Braunkohlekonzern RWE im Rheinland weiter versucht, Tatsachen zu schaffen. Am 1. Oktober hat die Rodungssaison begonnen, und am Tagebau Garzweiler II soll dies ausgenutzt werden. Dort ist aktuell mit Lützerath ein winziger, zur Stadt Erkelenz zählender Ort, nordöstlich von Aachen von der Zerstörung bedroht.
Doch die letzten Anwohner und Klimaschützer aus dem ganzen Land sind nicht bereit, dies hinzunehmen. Vergangene Woche gab es sogar Unterstützung von der schwedischen Aktivistin Greta Thunberg, die kurz vorbeischaute. Ein letzter Dorfbewohner, Eckhardt Heukamp, weigert sich, seinen Hof dem Energiekonzern zu überlassen, der bereits im Januar angefangen hat, die Häuser seiner einstigen Nachbarn abzureißen. Heukamp klagt gegen das Land Nordrhein-Westfalen, das seine Enteignung zugunsten RWEs betreibt.
Spätestens Ende des Monats erwartet er ein Urteil, kündigt aber schon jetzt an gegebenenfalls in Berufung zu gehen. Er wolle seinen Hof weiter verteidigen, um RWE aufzuhalten.
Denn die Klimakrise betrifft uns alle, wir dürfen uns nicht weiter wegducken und RWE machen lassen. Ich fordere von den Parteien, dass sie jetzt umsetzen, was sie uns vor der Wahl an Klimaschutzversprechen gegeben haben. Die Wissenschaft zeigt es deutlich: Deutschland kann das 1,5 Grad Ziel nur einhalten, wenn mein Hof und Lützerath bleiben.
Eckhardt Heukamp, Bauer in Lützerath
Unterstützung bekommt er nicht nur von Klimaschützern und Menschen aus den umliegenden Dörfern, sondern auch von der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). Deren Landesvorsitzender in NRW, Bernd Schmitz, findet es "angesichts der fortschreitenden Klimakrise inakzeptabel (,dass) jetzt noch ein Hof abgerissen wird, um weiter Kohle zu fördern".
Schmitz fordert stattdessen einen schnellen Ausstieg aus der Kohle und verweist auf das große Potential landwirtschaftliche Böden, Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu speichern und damit zum Klimaschutz beizutragen. Jeder Hof zähle, auch in Lützerath. Heukamps Hof dürfe "nicht den Profitinteressen von RWE zum Opfer fallen."
Die 1,5-Grad-Grenze
Heukamp und die AbL beziehen sich auf ein Gutachten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin, wonach die Erkelenzer Dörfer, darunter Lützerath, erhalten werden könnten, wenn Deutschland das Ziel der Pariser Klimaübereinkunft ernst nehmen würde.
2015 war in dieser vereinbart worden, die globale Erwärmung deutlich unter zwei Grad Celsius und möglichst bei 1,5 Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.
Doch dafür dürften hierzulande wie auch anderswo nur noch eine begrenzte, und zwar eine eng begrenzte Menge an Treibhausgasen in die Luft geblasen werden. Und da bei der Verbrennung von Braunkohle pro erzeugter Kilowattstunde Strom mit Abstand am meisten des wichtigsten Treibhausgases, des CO2, entsteht, wäre es ratsam, die Braunkohlekraftwerke als erste abzuschalten.
Die DIW-Ökonominnen und -Ökonomen kommen daher zu dem Schluss, dass im Rheinischen Revier nur noch 235 Millionen und nicht wie vorgesehen 900 Millionen Tonnen abgebaut werden sollten. Dann könnten die Dörfer am Tagebau Garzweiler II gerettet und auch noch Klimaschutz betrieben werden.
Besetzte Kohlebagger
Am Freitag vergangener Wochen hatten Klimaschützer den Auftakt zu mehreren Protestwochen gemacht. Unterstützung kommt unter anderem von Greenpeace und Fridays vor Future. In den nächsten Wochen sollen Dorfspaziergänge und Gottesdienste folgen. Am 1. November beginnt dann ein "Unräumbar-Festival" in Lützerath.
In der Nacht von Donnerstag auf Freitag hatten zudem 21 Personen drei Bagger im Tagebau besetzt, der das Dorf schon fast erreicht hat. Diese wurden schließlich von der Polizei geräumt und 13 von ihnen festgenommen. Da sie nicht bereit waren, ihre Identität preiszugeben, können sie nach dem neuen nordrhein-westfälischen Polizeigesetz bis zu sieben Tage festgehalten werden.
Am gestrigen Dienstag saßen noch acht Personen in Haft, wie eine Sprecherin der sich "Gegenangriff - für das Gute Leben" nennenden Aktionsgruppe im Gespräch mit Telepolis berichtete. Sie seien willkürlich auf verschiedene Haftanstalten in der weiteren Umgebung verteilt worden.
Der Vorwurf laute auf Hausfriedensbruch, was vollkommen unverhältnismäßig sei. Derlei Anklagen hätten in der Vergangenheit vor Gerichten regelmäßig keinen Bestand gehabt, weil RWE nicht einmal sein Gelände einzäune.
Es ginge vielmehr darum, die Aktivistinnen und Aktivisten einzuschüchtern. Dies wolle man sich aber nicht gefallen lassen, da die Gruppe sich für Klimaschutz und damit für das Gemeinwohl einsetze. Daher würden auch keine Identitäten preisgegeben.
RWEs Glück
Für RWE hat der Weiterbetrieb der Braunkohlekraftwerke derweil ganz handfeste Gründe. Wurden 2019 mit ihnen noch Verluste gemacht, so profitiert der Konzern inzwischen massiv vom ungewöhnlich hohen Strompreis. Nicht einmal den ebenfalls steigenden Preis für die CO2-Emissionen muss man fürchten. Gegen den hat sich RWE nämlich, wie berichtet, durch den rechtzeitigen Einkauf entsprechender Zertifikate abgesichert.
Der Strompreis an der Leipziger Börse ist vor allem in August und September stark angestiegen und schwankte in den letzten Wochen in etwa um 125 Euro pro Megawattstunde (12,5 Cent pro Kilowattstunde). Die Ausschläge waren stark und der Preis erreichte oftmals Werte über 200 Euro pro Megawattstunde was bisher nur vereinzelt und sehr selten vorkam. Noch 2019 lag der Preis meist zwischen 25 und 50 Euro pro Megawattstunde.
Auch die anderen Energiemärkte kennen seit vielen Wochen nur eine Richtung: nach oben und das äußerst rasant. Der Preis für ein Barrel (159 Liter) Rohöl der europäischen Standardsorte Brent liegt inzwischen bei 82,7 US-Dollar und hat sich damit binnen Jahresfrist verdoppelt.
In den USA gibt es bisher jedoch keine Anzeichen, dass der Preisanstieg zu mehr Investitionen in neue Felder führt, während die OPEC mit der Lage ganz zufrieden zu sein scheint und die Förderung bisher nur moderat erhöht. Die hohen Preise werden uns also wohl noch eine Weile erhalten bleiben.