Linksbündnis soll Portugal regieren

Der Sozialistenchef Costa hat Staatspräsident Cavaco die "alternative Lösung" vorgestellt, doch nun liegt alles in der Hand des konservativen Präsidenten

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Es bahnte sich nach den verheerenden Wahlverlusten der rechtskonservativen Koalition von Pedro Passos Coelho und Paulo Portas ab, dass auch in Portugal die Austeritätspolitik abgewählt ist. Weil die Linksparteien zerstritten sind, die bei diesen Wahlen deutlich zugelegt haben, war vermutet worden, dass die Sozialisten (PS) von António Costa entweder eine große Koalition anstreben oder die Konservativen stützen, bis die Lage für vorgezogene Neuwahlen für die PS günstig wäre. Denn Costa hat eine "Negativmehrheit" eines Linksbündnisses zunächst ausgeschlossen.

Die Gespräche mit den Konservativen traten auf der Stelle, doch über die Widersprüche hinweg boten der große Wahlsieger Linksblock (BE) und die grün-kommunistischen Koalition (CDU) der PS eine Regierung an. Die Grundlage dafür war deren Schwenk weg vom Austeritätskurs. Und nun hat Costa am späten Dienstag Staatspräsident Anibal Cavaco Silva angekündigt, eine Linksregierung bilden zu wollen. Er habe eine Mehrheit, um eine stabile Regierung bilden zu können. Costa setzt auf eine "alternative Lösung", welche den "ausgedrückten Willen der Portugiesen" respektiert.

Nun liegt es in der Hand des konservativen Staatspräsidenten, ob das Land monatelang in der Instabilität gerät. Das wäre der Fall, wenn er heute seinen Parteikollegen Coelho mit der Regierungsbildung beauftragt. Denn der hat keinerlei Chance, eine Parlamentsmehrheit zu schmieden. Sein Programm würde von der linken Mehrheit abgelehnt, weshalb es zu Neuwahlen käme. Da die nicht vor Mai 2016 stattfinden könnten, droht dem Krisenland eine instabile Phase, wenn der Staatschef die Parteiinteressen über die Interessen des Landes stellt.

Costa appellierte an Cavaco, keine Versuche zu starten, die "keine Möglichkeit auf eine Parlamentsmehrheit haben". Auch die Linksblock-Chefin Catarina Martins sprach von einem "Zeitverlust" und kündigte an, dass ein stabiles Abkommen in wenigen Tagen vereinbart werde. Die Widersprüche seien ausgeräumt, um dafür zu sorgen, dass die Rechtsregierung Geschichte sei.

Das Gerangel um die Regierung findet vor dem Hintergrund statt, dass an den Bilanzen und der realen finanziellen Lage des Landes gezweifelt wird. Es gibt Hinweise, dass die konservative Regierung die Bilanzen aufgehübscht hat und die Lage deutlich schlechter als ohnehin erwartet ist. Zwar wurde dies von der Regierung dementiert, doch der Verdacht wird dadurch bestärkt, dass nun auch die EU-Kommission einen Rüffel ausgesprochen hat. Die Konservativen haben nicht, wie vereinbart, bis zum 15. Oktober einen Budgetentwurf für 2016 nach Brüssel geschickt. Coelho hatte sich geweigert und damit argumentiert, dass sei die Aufgabe der neuen Regierung.

Die Lage des angeblichen "Musterschülers" ist alles andere als gut. Portugal hat auch 2014 wieder das mit der Troika vereinbarte Defizitziel verfehlt. Da half auch das Doping über die Europäische Zentralbank (EZB) nichts, denn auch für dieses Krisenland wurden über die ultralockere Geldpolitik die Risikoaufschläge bei den Zinsen für Staatsanleihen pulverisiert. Und auch die Verschiebung der Rückzahlung der Hilfskredite auf den St. Nimmerleinstag sorgen nicht dafür, die Defizitziele zu erfüllen.

Zwar liegt die Staatsverschuldung im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) mit 130% unter der Griechenlands, ist aber inzwischen sehr gefährlich geworden. Die Gesamtverschuldung im Land liegt sogar noch deutlich über der in Griechenland und wächst ungebremst weiter. Die Schulden von Staat, privaten Haushalten und Unternehmen waren von 2008 bis Ende 2013 auf 381% der jährlichen Wirtschaftsleistung explodiert. Dabei wird das Land unter den entwickelten Staaten nur von Irland und Japan übertroffen.

Die Industrieproduktion in Portugal kommt auch nicht in Gang und ist zuletzt wieder um 0,5% gesunken. Billiges Öl und ein über die EZB-Politik geschwächter Euro und die Rekorde im Tourismusgeschäft sorgten für ein labiles Wachstum. 2014 wuchs die Wirtschaft um 0,9% und für das laufende Jahr hofft die nationale Zentralbank auf 1,7%. Die Arbeitslosenquote ist zwar deutlich gesunken, dafür ist aber vor allem eine massive Auswanderung verantwortlich. Trotz allem ist sie zuletzt wieder gestiegen und wird nach dem Ende der Tourismussaison weiter steigen.

Das Letzte, was das Land in dieser Lage nun gebrauchen kann, ist eine instabile Lage. Die würde es wieder ins Fadenkreuz von Spekulanten bringen und die Risikoaufschläge würden wieder steigen. Die enormen Schuldenstände würden dann schnell unbezahlbar. Man darf gespannt sein, wie der Staatspräsident agiert, der bisher stets seinem Parteikollegen beigesprungen ist und auch Gesetze abgenickt hatte, die klar verfassungswidrig waren und deshalb vom höchsten Gericht reihenweise kassiert wurden.