Sag mir wo es hingehen soll
Google Maps ist keine Landkarte mehr, sondern ein Butler. Oder eine Helikoptermama. Kommt auf den Standpunkt an
Ich hatte ja mal eine schöne Sammlung von Faltplänen. Da war ich richtig stolz drauf, so vor 20 Jahren. Schön aufgereiht im Bücherregal. Ja, damals gab es noch echte Bücher aus echtem Papier, die man nach einmaligem Lesen in das Regal packte. Und so ähnlich muss man sich das auch mit den Faltplänen vorstellen. Mehr als einmal war man ja nicht in Lissabon, aber der Stadtplan dazu war innerlich darauf vorbereitet, seinen Lebensabend in meinem Regal zu verbringen.
Und dann kam Google Maps.
Nicht, dass man den Bildschirm schon vom ersten Moment an mit den Landkarten von Google zu einer Stadtwanderung mitnehmen wollte. Faltbar war so ein Bildschirm eh nur schwer, hatte auch noch nicht die Masse einer sinnvollen mobilen IT-Einheit angenommen. Aber immerhin war man von Anfang an mit Google Earth imstande, auf die Stadt der eigenen Wahl am heimischen Arbeitsplatz einzufliegen. Zuerst war die noch flach wie eine Flunder, aber inzwischen sind die Wolkenkratzer von New York ähnlich beeindruckend in 3-D darin zu finden wie der Mount Everest.
Und seit längerem schon fängt nun Google Maps an, den reinen Informationssektor zu verlassen und sich in den Alltag seiner Nutzer mit Ratschlägen einzumischen. Über 250 Feature-Updates hat das Produkt im laufenden Jahr bekommen, und es sollen noch mehr folgen, um Tipps für die Freizeitgestaltung abzugeben und wegen der Verbreitung von Covid 19 wichtige Warnungen auszusprechen. Viel mehr soll noch kommen.
So hat zum Beispiel eine neue Erweiterung Ratschläge für Städte parat, wo die denn am besten Bäume anpflanzen sollten, um die Einwohner vor einem Hitzschlag zu bewahren. Das nenne ich doch jetzt mal eine Steilvorlage. Wobei wir schon ein wenig enttäuscht sind festzustellen, dass Google nicht eine einzige Erweiterung herausgebracht hat, um Donald Trump zu zeigen, wo er noch wegen Wahlfälschung klagen hätte können. Aber geben wir Google hier recht: Da lohnt sich kein Feature mehr. Politische Leichen stinken höchstens zum Himmel, werfen aber wegen ihrer Beratungsresistenz keinen müden Cent ab.
2020 wird wegen alledem vermutlich in die Annalen als das Jahr eingehen, in dem Google anfing, freundlich, aber bestimmt wie eine Helikoptermama den Einwohnern dieses Planeten ihr Leben vorzuschreiben. Und in 50 Jahren wird man sich fragen, wie wir alle ohne die wertvollen Tipps von Mama Maps noch leben konnten. Das heißt, wir fragen uns das nur vordergründig. Hinter vorgehaltender Hand geben wir uns zu verstehen, dass das mit diesen ewigen Tipps ziemlich zu nerven beginnt und wir uns nach den Faltplänen der guten alten Zeit zu sehnen beginnen. Die konnte man wenigstens zuklappen und ins Regal stellen. Die poppten nicht ständig mit "Darf ich Dir einen Tipp geben" in die Fresse.