Verrückter Immobilienmarkt: Giganten in Schwierigkeiten
Die Krise des Großkonzerns Evergrande aus dem chinesischen Shenzhen macht nur die Spitze des Eisbergs aus
Der deutsche Immobilienmarkt ist ziemlich verrückt. Unangenehm verrückt. Für alte Menschen mit geringem Einkommen manchmal lebensbedrohlich verrückt, wenn sie mit Polizeigewalt im Interesse von unsozialen Politikern oder anonymen Luxemburger Briefkastenfirmen auf die Straße gesetzt und aus ihrer angestammten Nachbarschaft vertrieben werden.
Dennoch ist der deutsche Markt nur ein schwacher Abglanz dessen, was andernorts passiert. In China wandelt sich gerade ein Fünftel der Weltbevölkerung von einer agrarischen in eine urbane Gesellschaft und entsprechend glüht die Immobilienwirtschaft.
Und wie überall, wo man den Bau von Wohnungen dem Markt überlässt, wird mit ihm viel Geld verdient, werden immer mehr Kredite aufgenommen, um noch mehr Geld zu verdienen, und schon bald bläht sich eine immer größer werdende Blase auf, bestehend aus explodierenden Preisen und wachsendem Leerstand mangels kaufkräftiger Nachfrage.
Genau das passiert seit einiger Zeit in China, weshalb die Regierung sich bemüht, möglichst kontrolliert Luft aus der Blase abzulassen, bevor diese mit verheerenden Konsequenzen platzen kann. Dazu wurden unter anderem die Kreditbedingungen für die Immobilienwirtschaft ein wenig verschärft.
Und schon beginnen die ersten zu straucheln. Das Problem: Es sind wahrhafte Giganten, die da in Schwierigkeiten geraten. Zum Beispiel Evergrande aus Hongkongs Nachbarstadt Shenzhen. Nach einem Bericht der in der autonomen Perl-Fluss-Stadt erscheinenden South China Morning Post hat das Immobilienunternehmen Verbindlichkeiten von mehr als 300 Milliarden US-Dollar angehäuft und hatte zuletzt Schwierigkeiten, diese zu bedienen.
Entsprechend hat die Evergrande-Aktie in den letzten Wochen eine rasante Talfahrt hingelegt, die am gestrigen Montag vorerst gestoppt wurde. Die Hongkonger Börse hatte den Handel mit dem Papier ausgesetzt, um den Markt vor einer bevorstehenden Übernahme eines kontrollierenden Aktienpakets zu beruhigen.
Die Verschuldungsrate der chinesischen Wirtschaft
Die Nachrichtenagentur Bloomberg weist unterdessen darauf hin, dass die Schwierigkeiten des chinesischen Immobilienriesen schon seit einigen Wochen die Börsen beunruhigen. Allerdings sei nicht damit zu rechnen, dass es zu einem unkontrollierten Zusammenbruch wie seinerzeit im Falle der US-Bank Lehmann Brothers kommt.
Der galt seinerzeit als Auslöser der großen Finanzkrise, die in den Folgejahren weite Teile der Welt durchschüttelte und in Europa die von Berlin und anderen EU-Mitgliedern erzwungene Ausblutung der südeuropäischen Länder anstieß.
Der Bloomberg-Kommentator geht davon aus, dass die Regierung in Beijing (Peking) versuchen wird, eine Entwicklung wie seinerzeit in den USA zu verhindern. Zumal Evergrande nur die Spitze des Eisbergs zu sein scheint. Die Verschuldungsrate der chinesischen Wirtschaft sei inzwischen erheblich höher als jene Japans vor dessen großen Crash in den 1980-ern oder der südostasiatischen Tigerstaaten vor der Krise 1997/98.
Aber auch hier scheint den Kommentator weniger die Furcht vor einer fulminanten Krise als vielmehr vor den steuernden Eingriffen der Regierung umzutreiben. Denn diese könnten dem Wunsch von Unternehmen "im Wege stehen, Profit zu machen".