Die Geldmaschine der Rechten

US-Think Tanks und das Netzwerk der Neo-Konservativen, Teil 4

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"Wenn es in ihre Agenda passte." (vgl. Schlauer als die CIA) - dieser radikal-pragmatische und ideologisch durchtränkte Umgang mit der Wahrheit durch prominente Leuchtfiguren der Neokonservativen beschränkt sich weder auf den Umgang mit Geheimdienstmaterial, noch auf das derzeit strahlende Exekutiv-Team der US-Außenpolitik.

Die konservative Bewegung, die seit den späten 60er Jahren mehr und mehr Einfluss auf die politischen Debatten in den USA gewonnen hat, umfasst mehr als eine Handvoll neokonservativer Machiavellis.

In einer detaillierten, lesenswerten Untersuchung Wie konservative Gönner (Philanthropies) und Think Tanks die Politik der USA veränderten schrieb Sally Covington (vermutlich Ende der 90erJahre):

1984 warnte der moderate Republikaner John Saloma vor einer "mächtigen neuen Präsenz in der amerikanischen Politik". Die, wenn ihr nichts entgegengesetzt wird, als "neues konservatives Labyrinth" das politische Zentrum der Nation scharf nach rechts rücken würde. Heute ist das Labyrinth größer, ausgefeilter und mehr und mehr dazu imstande, das zu beeinflussen und zu bestimmen, was wichtig ist und was unbedeutend ist für die Agenda des öffentlichen politischen Lebens

Ob es ganz allgemein um die Reduzierung der Staatsaufgaben, Privatisierung und Downsizen von Sozialprogrammen, drastische Steuerkürzungen, angebotsorientierte Wirtschaftspolitik, Negieren von Umweltschäden, Ausstieg aus internationalen Umweltvereinbarungen, medizinische Grundversorgung, Abtreibung, Minderheitenpolitik, Geschlechterrollen (Der Irakkrieg habe eine von den Frauen lange verachtete Tugend, nämlich den Mut, wieder ans Tageslicht gebracht, schrieb der "Weekly Standard") usw. geht oder um die Rolle der Vereinigten Staaten (unipolar, dominant, weniger "apologetisch") in der Weltpolitik: die richtigen Wahrheiten dazu findet man in den "wissenschaftlichen Expertisen" der Heritage Foundation, des Cato Institutes, des Manhattan Institutes und - last but not least - des American Enterprise Institutes (AEI) - vgl.hierzu: Die Prätorianer-Garde des Imperiums.

Sie nennen sich "senior fellows", "alumnis", "scholars" - alles Titel, die auf alterwürdige, ergo seriöse akademische Tradition hinweisen. Und sie schreiben Expertisen, täglich, wie bestellt: "Warum die Luftverschmutzung weiterhin abnehmen wird" (AEI) oder "Die neue Steuerkürzung bringt 61.000 neue Jobs in Texas"(Heritage).

Als Reaktion auf die liberalen Universitäten unterstützen reiche konservative Geschäftsleute eine wachsende Zahl von äußerst rechten Think Tanks, um eine Theorie-gestützte Basis für ihre Anliegen zu schaffen. Ohne die erforderlichen Korrektur- und Kritikinstanzen, die akademische Forschung zur 'Wahrhaftigkeit' zwingt, produzieren diese Think Tanks fehlerhafte und vorurteilsbehaftete Studien, deren einziger Zweck darin besteht, die politischen Maßnahmen zu unterstützen, welche die Geschäfte derer begünstigen, die sie finanzieren

Steve Kangas

Familienalbum 2: Mäzene

Fünf große Gönner, so Kangas in seiner 'Entmystifizierung' der Think Tanks als Antwort auf linke Universitäten haben den großen rechtsgerichteten Think Tanks (z.B. Cato, Heritage, AEI) zum schnellen Aufstieg verholfen: die Lynde und Harry Bradley Stiftung, die Koch-Familien-Stiftung, die John M. Olin Stiftung, die Scaife-Familien-Stiftung (siehe Anfang des Artikels) und die Adolph Coors Stiftung. (Von William Coors wird gerne erzählt, dass er, wie eine weitere Quelle bestätigt, 1984 bei einem Treffen mit afro-amerikanischen Geschäftsleuten gesagt habe, "eine der besten Dinge, welche sie (die Sklavenhändler) für Sie getan haben, war, Ihre Vorfahren in Ketten hierher zu schleppen.")

Der Journalist David L. Callahan stützt Kangas These in einem viel beachteten Artikel, der 1999 in der linken amerikanischen Zeitschrift "The Nation" erschienen ist:

Der Erfolg von Heritage (das Heranschaffen von Sponsorgeldern in Höhe von 85 Millionen Dollar für die "Leadership for America"-Kampagne; Anm. d. A.) beim Füllen der Geldkoffer ist ein dramatisches Zeugnis für die wachsenden finanziellen Ressourcen, die den konservativen Think Tanks in den Neunzigern zur Verfügung stehen...Der Großteil dieser Gelder kommt von Stiftungen und reichen Geschäftsleuten und in diesem Zusammenhang agieren die konservativen Think Tanks mehr und mehr als Magneten für "special-interest"- Geld.

Als weitere Beispiele führt Callahan "einige Millionen Dollars" an, die Wall Street Firmen an das Cato Institute und anderen Befürwortern für die Privatisierung der sozialen Sicherheit abgeführt haben. Außerdem gebe es neuerdings große Anstrengungen seitens der Think Tanks ihre Ideen im Internet zu verbreiten. Die Heritage Website verzeichne beispielsweise mehr als 100.000 Zugriffe am Tag (1999). Town Hall ein Zusammenschluss von Heritage und National Review - "The conservative movement starts here" - konnte 1997 immerhin mehr als 145.000 Hits verbuchen.

Es sei unmöglich, die Rolle, welche die konservativen Think Tanks beim Rechtstrend der amerikanischen Politik gespielt haben, genau zu ermessen; aber alle Beobachter in Washington würden der Feststellung zustimmen, dass ihr Einfluss zwangsläufig sei und am Wachsen.

Neben den Expertisen, Studien, Webseiten und unzähligen Kommentarbeiträgen in viel gelesenen Zeitungen haben konservative Think Tanks größere finanzielle Unterstützung seitens ihrer Mäzene auch für eine besonders effektive Art von Aufmerksamkeitspolitik bekommen: dem Lancieren von Best-Sellern.

Die Rechten, so Eric Alterman in seinem Artikel "Die 'rechten' Bücher und große Ideen", hätten ihre Botschaft in Form von einem Bestseller nach dem anderen ans "Volk" gebracht. Und, wenn man genau hinsehe, sehe man nicht nur die neue "Blüte" von ideologisch revanchistischen Ideen, sondern auch die, welche sie finanzieren:

Abigail Thernstrom, ein "senior fellow" am Manhattan Institute, und ihr Gatte, Harvard-Professor Stephan Thernstrom, bedanken sich bei der John M. Olin Stiftung, der Lynde und Harry Bradley Stiftung, der Smith Richardson Stiftung und.....für die finanzielle Unterstützung beim Verfassen ihres anti-affirmative-action-Werkes "America in Black and White". Tamar Jacoby, Mitglied des Manhattan Institutes, bedankt sich bei der John M.Olin Stiftung, der Joyce Stiftung und der Smith Richardson Stiftung für die finanzielle Unterstützung beim Verfassen ihres kritischen Beitrags zur Integration "Someone Else's House: America's Unfullfilled Struggle for Integration". Dinesh D'Souza bedankt sich bei der John M.Olin Stiftung für die finanzielle Unterstützung beim Verfassen seiner Bestseller:"Illiberal Education" und "The End of Racism" und "Ronald Reagan: How an Ordinary Man Became an Extraordinary Leader"; außerdem ist D'Souza auch dem American Enterprise Institute zur Dankbarkeit verpflichtet.

Nicht erwähnt wurde hier der Bestseller-Autor Charles Murray (vgl. dazu Die Prätorianer-Garde des Imperiums), der für seine Bücher "Losing Ground"(Sozialhilfe soll abgeschafft werden) und "The Bell Curve" (Intelligenz hängt von der Rasse ab) ebenfalls vom American Enterprise Institute (dem Manhattan Institute erschienen Murrays Thesen nicht mehr passend) und von der Lynde und Harry Bradley Stiftung mit 100 000 Dollar im Jahr unterstützt wurde.

Der Präsident der Bradley Stiftung Michael Joyce - "Murray ist einer der hervorragendsten sozialen Denker dieses Landes" - gilt als Schlüsselfigur in den konservativen Gönner-Kreisen. Er war früher Präsident der Olin-Stiftung (siehe weiter unten) und ist Vorsitzender des "Philantrophy Roundtable", der federführend an der Entwicklung eines nationalen Netzwerkes von Think Tanks beteiligt war.

Die John M. Olin Stiftung, hervorgegangen aus einer reichen Industriellenfamilie, unterstützt das American Enterprise Institute, Heritage, das Manhattan Institute und Publikationen wie Commentary und Public Interest - mehr darüber hier: Buying a movement.

Richard Mellon Scaife (siehe Artikelanfang) ist Mitglied einer reichen Bankiers- und Ölfamilie; der "monetäre Erzengel für die Finanzierung intellektueller Unterströmungen der konservativen Bewegung" wurde von Newt Gingrich als einer derjenigen bezeichnet, die "den modernen Konservativismus wirklich erschaffen haben". Das Geld seiner Familienstiftungen fließt in großzügigen Mengen an das American Enterprise Institute, Heritage, und an den American Spectator, der Clinton während der Lewinsky-Affäre sehr zugesetzt hat. Mehr hier: Buying a movement.

Die Adolph Coors Stiftung - die Ansichten von William Coors zu den Afro-Amerikanern wurde weiter oben bereits zitiert - gründet ihr Vermögen u.a auf Brauereien und die Gründung von Heritage mitfinanziert; Beteiligungen an der Finanzierung von Streikbrechern und den Nicaraguanischen Contras werden ihr ebenfalls nachgesagt. Mehr hier: Buying a movement.

Die Geldmaschine der Rechten sei bewundernswert, schreibt der frühere Konservative David Brock in seinem Buch "Blinded by the Right: The Conscience of an Ex Conservative", das letztes Jahr in den USA erschien. Das Geld von der Rechten sei auch völlig ideologisch.

Keiner der großen Gönner wie Richard Mellon Scaife, Smith Richardson, Coors, Olin würde den Anspruch erheben, dass man unparteische Forschung oder unabhängige Untersuchungen von öffentlichen Themen finanziere. Man unterstütze Think Tanks und Gruppierungen, die ausdrücklich damit befasst seien, eine Agenda der Rechten zu verfechten.

In den vergangenen drei Jahrzehnten, schreibt der Princeton-Professor und Wirtschaftsexperte Paul Krugmann (in der ZEIT vom 7.November 2002), seien die Gehälter der meisten US-Bürger nur moderat gestiegen, um 10 Prozent in 29 Jahren. Die Jahresgehälter der Firmenchefs dagegen seien nach Angaben des Fortune Magazines in derselben Zeit von 1,3 Millionen Dollar, dem 39fachen Gehalt eines durchschnittlichen Arbeiters, auf 37,5 Millionen Dollar gestiegen, was dem mehr als 1000fachen Lohn eines normalen Arbeitnehmers entspreche.

Die Explosion der Vorstandsgehälter deutet für Krugman auf einen größeren Zusammenhang hin: "die erneute Konzentration von Einkommen und Wohlstand in den USA." Offizielle Erhebungen, so Krugman, würden belegen, dass ein wachsender Einkommensanteil an die oberen 20 Prozent der Familien fließe und innerhalb dieser Schicht besonders an die obersten fünf Prozent, während die Familien in der Mitte immer weniger abbekämen.

Dies sind die Fakten. Trotzdem beschäftigt sich eine ganze, gut finanzierte Industrie damit, sie zu leugnen. Konservative Denkfabriken produzieren reihenweise Studien, die diese Daten, die Methoden ihrer Erhebung und die Motive jener Statistiker diskreditieren sollen, die doch nur das Offensichtliche berichten.

Paul Krugman