Ukraine: Toter bei Überfall einer Nazi-Bande auf ein Roma-Lager

Das verwüstete Roma-Lager. Bild: Igor Zinkevych

Die Überfälle gegen Roma mehren sich. Dieses Mal waren es Jugendliche einer Gruppe, die sich "Lemberg Jugend" nennt und vermutlich mit der Asow-Bürgerwehr National Druzhyna verbunden ist

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Am Samstagabend wurde wieder von einer Neonazi-Bande ein Roma-Lager angegriffen und verwüstet. Dieses Mal war es ein kleines Lager, in dem sich 10 Roma, darunter 4 Kinder, aufgehalten haben sollen, in einem Wald in einem Vorort von Lwiw. Dieses Mal war es eine Gruppe von minderjährigen 16-17-jährigen Jugendlichen, angeführt von einem 20-Jährigen, die mit Messern und Schlagstöcken in einer gezielten Aktion das Lager überfallen und dabei einen 24-Jährigen getötet sowie weitere vier Personen verletzt haben, darunter eine Frau und ein zehnjähriger Junge. Schon am 9. Mai war ein Roma-Lager in Lwiw in Brand gesetzt worden.

Nach Andriy Sadovy, der Bürgermeister von Lwiw, stehen die Roma nun unter Polizeischutz, da sie Zeugen des Vorfalls sind. Er sprach allerdings von 17-18 Jahre alten Tätern und einem 20-jährigen Anführer. Die Angreifer hätten mit der Absicht, den 24-Jährigen zu töten, auf ihn eingestochen. Die Frau sei verletzt worden, nachdem sie ihr Kind zu schützen versuchte. Igor Zinkevych vom Stadtrat sprach von 10 Angreifern.

Bild: Polizei von Lwiw

Dieses Mal hat womöglich die Polizei noch Schlimmeres verhindert. Nach Angaben der Polizei wurde sie um 23:25 am Samstagabend auf den Überfall durch maskierte Männer hingewiesen und ist dann ausgerückt. Man habe die Täter, sieben Minderjährige, festgenommen. In einer späteren Mitteilung ist dann davon die Rede, dass die Polizei den Angriff beendet und mit dem 20-jährigen Anführer der Bande insgesamt 8 Personen festgenommen habe. Angeklagt werden sie u.a. wegen vorsätzlichem Mord. Es soll sich um Schüler und Studenten handeln.

Die ukrainische Menschenrechtsorganisation KHPG sagt, vermutlich habe die Polizei bereits gewusst, dass jemand getötet worden war. Die Zeitangabe sei seltsam, wird angemerkt, schließlich hätten die Täter dann auch gewusst, dass sie jemanden ermordet hatten. Zweifel wird angemeldet, ob die 8 Festgenommen wirklich, wie die Polizei sagt, alle Täter waren oder ob es weitere Beteiligte gab. So war auch von 11-12 Angreifern die Rede. Interfax berichtet, die Polizei habe wegen der früheren Überfälle bereits zur Sicherheit Roma-Lager kontrolliert, aber das im Wald nicht gekannt. Ein Zeuge des Überfalls habe diesen der Polizei gemeldet.

Von der verschwundenen Facebook-Seite der Gruppe

Nach der Polizei setzten die Angreifer einen vorher bestimmten Plan um. Jeder der Täter soll genau gewusst haben, was er wo machen sollte. Die Bande soll der Gruppe "Nüchterne und wütende Jugend" (Твереза і зла молодь) angehört haben. Die Größe der bislang nicht bekannten Gruppe ist nach zaxid.net unbekannt, nach der Zahl der Abonnenten auf den mittlerweile verschwundenen Seiten bei YouTube und Facebook können es vielleicht nur wenige sein. Dort nannte sie sich allerdings auf deutsch "Lemberg Jugend", was möglicherweise eine Anspielung auf die Hitlerjugend sein könnte, aber auf jeden Fall die faschistoide Ausrichtung deutlich macht. Auf dem umbenannten YouTube-Kanal ist nach zaxid.net ein Video über eine "Safari auf Zigeuner", auf dem Jugendliche Roma verfolgen.

Überdies waren Symbole der Misanthropic Division auf den Seiten zu sehen. Die rassistische und rechtsextreme Gruppe wurde 2013 gegründet und war Teil der Maidan-Bewegung. Mitglieder kämpften auch in der Ostukraine im Asow-Bataillon, das ein internationales Netzwerk unterhält. Mitglieder des offen faschistischen Bataillons, das pro forma in die vom Innenminister Awakow gesteuerte Nationalgarde integriert wurde, gründeten Anfang des Jahres mit einem Fackelmarsch durch Kiew und anschließender Vereidigung die National Druzhyna (Ndruga). Auch die besteht wie die "Lemberg Jugend" vorwiegend aus jungen Männern, die als Bürgerwehr auftreten und Jagd auf alle machen, die ihnen nicht in den Kram passen, zuletzt auch auf Roma (Militante rechtsextreme Gruppen können in der Ukraine ungestraft Gewalt anwenden). Menschenrechtsorganisationen und OHCHR warnen vor dem verstärkten Auftreten rechtsextremer Gruppen, die vermehrt Gewalt anwenden und von den Behörden oft nicht belangt werden.

In der Ukraine werden Verschwörungstheorien verbreitet. So gibt etwa Unian.info den Verdacht von der 2014 von Dmytro Tymchuk gegründeten nationalistischen "NGO" sprotyv.info (Information Resistance) völlig unkritisch weiter, nach der der Überfall der "Lemberg Jugend" eine Inszenierung des russischen Geheimdienstes gewesen soll, der wiederum mit der angeblich von dem Polen Tomasz Maciejczuk gegründeten Misanthropic Division verbunden sein soll.

In Russland wurden mehrere angebliche Mitglieder der dort verbotenen Gruppe verhaftet und verurteilt. Russische"Propagandisten" hätten, so geht die Geschichte weiter, sofort die Angriffe auf Roma-Lager aufgegriffen, allen voran der Dmitry Ermolaev, Chefredakteur der Rossiyskiye Vesti, der überdies Geheimdienstmitarbeiter sei.

Die Post aus dem Telegram-Kanal der Gruppe seien durch viele russische VKontakte-Gruppen verbreitet worden: "Fasst man alles zusammen, so entsteht ein ziemlich klares Bild, dass die Situation mit den Roma nicht einfach eine Folge der Unzufriedenheit von aggressiven und radialen Jugendlichen ist, sondern eine sorgfältig geplante Operation des Auslandsgeheimdienstes der Russischen Föderation, um eine negative Informationswelle in der Ukraine und außerhalb zu schaffen."