Defender 2020: Manöver als Infrastruktur-Stresstest

Eingang zum NATO-Truppenübungsplatz Bergen in der Lüneburger Heide. Foto: Fiorellino. Lizenz: CC BY-SA 3.0

Die USA schicken im nächsten Jahr so viele Soldaten nach Europa wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Im nächsten Jahr veranstalten 19 NATO-Mitgliedsländer die Militärübung "Defender 2020", abgekürzt: DEF 20. Die Führung dieses Manövers übernehmen die USA, die dazu insgesamt 37.000 Soldaten abstellen wollen. Davon sind 17.000 bereits in Europa stationiert. Der Rest wird zusammen mit zusätzlichen Panzern und anderem Gerät aus Nordamerika eingeflogen und eingeschifft, wie die US-Streitkräfte in Europa gestern bekannt gaben. Mit 20.000 Mann wären das so viele, wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr für eine einzelne Militärübung über den Atlantik gebracht wurden.

Deutschland soll bei diesem Manöver im April und Mai als "Drehscheibe" fungieren: In diesem Staat, der im Januar die Führung der 2014 ins Leben gerufenen "Very High Readiness Joint Task Force" (VJTF) der NATO übernahm, kommen Soldaten und Material aus den USA an, um nach Polen und in die drei baltischen Länder Litauen, Lettland und Estland weiterverteilt zu werden. Außer einer Bundeswehrunterstützung "in den Bereichen Kampf, Kampfunterstützung und Führung" ist deshalb auch der Aufbau dreier "Convoy-Support-Zentren" und einer großen Tankanlage geplant. Letztere soll auf dem Truppenübungsplatz Bergen in der Lüneburger Heide entstehen.

Straßen, Brücken, Schienen und das Zwei-Prozent-Ziel

Dem deutschen Bundesverteidigungsministerium nach soll mit DEF 20 "eine schnelle Verlegbarkeit größerer Truppenteile über den Atlantik und durch Europa geübt werden, um sicherzustellen, dass die entsprechenden Verfahren im Krisenfall funktionieren". Dadurch könne die Bundesrepublik zeigen, wie sie zur "gemeinsamen europäischen und euro-atlantischen Sicherheit" beitrage. Außerdem werde mit dem Transport der teilweise über 130 Tonnen schweren Kampfpanzer auf Militärtiefladern auch die Belastbarkeit der deutschen Infrastruktur überprüft.

Für die anderen Nutzer deutscher Straßen und Brücken könnte das zweierlei bedeuten: Zum einen Schäden und Behinderungen an solchen Bauwerken - zum anderen vielleicht aber auch ein schnelleres Angehen lange fälliger Reparaturen, Erneuerungen und Ausbauten. Würde eine deutsche Bundesregierung dafür den Verteidigungshaushalt anzapfen, könnte sie sich auf diese Weise schnell dem Zwei-Prozent-Ziel der NATO nähern, auf dessen Einhaltung die US-Staatsführung drängt (vgl. Trump macht NATO-Gipfel zum Bauerntag).

Außer in der Luft und auf Straßen sollen Material und Soldaten auch auf Binnenschiffen und Schienen transportiert werden. Letzteres könnte zu zusätzlichen Verzögerungen im ohnehin sehr störungsbelasteten Bahnbetrieb führen (vgl. Deutsche Bahn: Kernkompetenz Unzuverlässigkeit).

Adressat Russland

Das Üben schneller Truppenverlegungen "beruhigt" dem USAREUR-Kommandeur Christopher G. Cavoli zufolge "unsere Alliierten" und "schreckt mögliche Gegner ab". In Klartext übersetzt ist das Manöver für die Neue Zürcher Zeitung (NZZ) deshalb "eine Beruhigungspille für die Osteuropäer" und "eine Machtdemonstration an die Adresse Russlands".

Auch das im letzten Jahr in Norwegen und in arktischen Gewässern veranstaltete NATO-Großmanöver Trident Juncture 2018, das mit rund 50.000 Teilnehmern aus 29 Ländern, 150 Flugzeugen und 60 Schiffen das vorerst größte nach dem Ende des Kalten Krieges war, richtete sich an Moskau - ebenso wie die jährlichen BALTOPS-Übungen in der Ostsee (vgl. Namejs, Trident Juncture und Wostok und Aufrüstung in der Arktis).

Als weitere Machtdemonstration an diese Adresse schlägt der amerikanische Militär-Think-Tank RAND Corporation in einem gerade erschienenen Bericht die Stationierung von Luftabwehrsystemen und Küstenraketensystemen in den Schwarzmeerländern Bulgarien und Rumänien vor. Das sei nötig, weil Russland die Krim "militarisiert", seine Schwarzmeerflotte modernisiert und seine Truppen im Kaukasusgebiet verstärkt habe.

Für die Türkei, dem mit Abstand größten Schwarzmeeranrainer unter den NATO-Ländern, schlägt der Bericht keine solche Stationierung vor. Die hat sich allerdings gerade ein eigenes Luftabwehrsystem gekauft: das russische S-400 (vgl. S-400: Erdoğan trotzt den USA und der NATO). Zudem ist unklar, wie sich die syrienbedingten Spannungen zwischen ihr und den USA entwickeln werden.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.