Warum Moskau die AfD hofiert

Bild: Russisches Außenministerium

AfD-Politiker werden von Außenminister Sergej Lawrow und im Parlament empfangen - Warum bekommt die Rechtspartei eine bevorzugte Behandlung?

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Die AfD-Politiker auf Staatsbesuch in Moskau erwecken nicht nur in Deutschland Aufsehen. Auch die russische Presse wundert sich, dass beispielsweise Außenminister Lawrow, der selten in die Staatsduma, das russische Parlament, kommt, zu einem Treffen mit den deutschen Parlamentariern persönlich diesen Weg nahm.

Image der AfD als Rechtsaußen-Partei in Russland bekannt

Woher bei der rechten Partei der Wind weht, ist dabei in Russland durchaus bekannt. Anlässlich des Besuchs erinnerte die angesehene Zeitung Kommersant an Positionen von Gauland zum Gedenken an den Zweiten Weltkrieg. Diese muten in Russland besonders skandalös an, wo angesichts von Millionen eigener Opfer niemand so etwas wie Stolz auf Wehrmachtssoldaten nachvollziehen kann. Dass zumindest Gauland selbst beim Besuch nicht dabei war, dürfte in Moskau heimliche Erleichterung ausgelöst haben.

Auch dass 85% der deutschen Wähler die AfD als rechtsextrem einschätzen, berichtet Kommersant. Sie drifte laut der russischen Reporter "immer mehr nach rechts". Die Zeitung zitiert den Deutschlandexperten der Russischen Akademie der Wissenschaften, Wladislaw Below, wonach man wisse, wie die Partei in ihrem eigenen Land wahrgenommen werde. Auch Below selbst hielt sich nicht zurück, was seine persönliche Wahrnehmung angeht und sprach von einem anderen bekannten AfD-Politiker, der nicht an der Reise teilnahm, wörtlich als "Nazi-Höcke".

Kooperation umstritten, aber doch praktiziert

Die Kooperation, die auch die russische Regierungspartei "Einiges Russland" mit der AfD praktiziert, war auch intern nicht unumstritten. 2018 kämpfte ihr Vorstandsmitglied Veronika Kraschenninikowa für ein Ende dieser Kontakte und lud sogar die AfD-Aussteigerin und -Kritikerin Franziska Schreiber zu einer Konferenz nach Moskau ein.

Doch um diesen Widerstand gegen die rechte Achse Berlin-Moskau ist es still geworden, und gerade Treffen wie das von Lawrow mit den AfD-Spitzen adeln diese Verbindungen. Es dürfte laute Bedenken zumindest in den regierungsnahen politischen Kreisen Russlands endgültig zum Verstummen bringen.

Hier fragt sich, warum die russische Staatsspitze trotz all diesen Wissens solche Kontakte zur deutschen Rechten geknüpft hat und nun noch aufwertet. Eine Antwort darauf gab der zitierte Deutschlandexperte Below schon 2017 in einem Interview bei RusslandTV. Ursprünglich habe er - vor der Verschlechterung der deutsch-russischen Beziehungen - ein Kooperationsabkommen von "Einiges Russland" mit der CDU vermittelt, das aber nie aktiv praktiziert wurde.

Nun kooperiere Moskau quasi als Ersatz, als zweite Wahl, mit der rechten deutschen Opposition. Ähnlich verhält es sich mit der aktuellen Aufwertung des Kontaktes. Es ist laut Kommersant vor allem eine Reaktion auf momentanen Ärger über die Regierung in Berlin. Selbst der offizielle Teil von Lawrows Rede auf dem Treffen sei deswegen nicht nur an die Gäste gerichtet gewesen.

In einer Phase ständig größerer Probleme zwischen Deutschland und Russland gewinne der "Dialog in allen Richtungen" eine besondere Bedeutung, meinte Lawrow gewohnt diplomatisch.

Russische Spiegelbild-Diplomatie

Die Gespräche mit der AfD rechtfertigte Lawrow dabei auch mit der Tatsache, dass deutsche Regierungsvertreter bei Moskau-Besuchen traditionell ebenfalls mit Abgesandten möglichst radikaler Oppositionsgruppen zusammentreffen.

Lawrow zeigt hier deutlich eine Eigenart der russischen Außenpolitik gegenüber Deutschland und der EU - eine spiegelbildliche Reaktion auf westliches Verhalten. Der deutsche Ostexperte Alexander Rahr spricht gegenüber dem russischen Onlineportal actualcomment.ru denn auch im Zusammenhang mit dem Besuch von einer "harten Spiegeldiplomatie" des Kreml - wenn sich Berlin auf die Seite von Nawalny im Streit mit Moskau stelle, könne das Moskau auch mit der AfD.

Dabei sind Struktur und Zielsetzungen zwischen der Kremlpartei und der AfD durchaus unterschiedlich. "Einiges Russland" ist eine machterhaltende Establishment-Kraft, in der sich staatstragende Funktionäre aus Politik, Verwaltung und Wirtschaft zusammenfinden, die Ideologie eine eher untergeordnete Rolle spielt und das Spektrum von wirtschaftsliberal bis nationalkonservativ reicht. Nicht umsonst sah man früher eher die CDU/CSU als Gegenstück in der deutschen Politik als rechte Oppositionelle - doch diese Liebe war durch die transatlantische CDU-Ausrichtung einseitig und kurz.

Aber auch in der Außenpolitik hakte es erst kürzlich zwischen den deutschen Rechten und den Russen. Als mehrere AfD-Politiker aus Solidarität zu Armenien kürzlich in den Karabach-Krieg reisten, gab es viel Kritik in russischen Medien. Regierungsnahe Zeitungen warfen der armenischen Regierung sogar einen "Flirt mit Nazis" vor. Ein Flirt, den man nun aufgrund des katastrophalen Verhältnisses zu Berlin wohl selbst bereit ist, zu intensivieren.

Ohrfeigen für Berlin

So ist es nicht übertrieben, wenn man den "roten Teppich" für die AfD als gewollte Ohrfeige Moskaus für das deutsche Polit-Establishment sieht, das den freundlichen Kontakt mit Russland tunlichst vermeidet. So war der Besuch der AfD-Fraktion der erste von Spitzenpolitikern aus dem Bundestag seit der massiven Verschlechterung der deutsch-russischen Beziehungen, wie die Moskauer Nesawismaja Gaseta feststellt. Die AfD habe laut der Zeitung als einzige Partei konkrete Schritte unternommen, um wieder eine Verbesserung herbeizuführen.

Selbst in der Linkspartei stehen einzelne Vertreter eines versöhnlichen Russlandskurses wie der Bundestagsabgeordnete Alexander Neu unter starkem internen Beschuss. Die AfD gilt mittlerweile als pro-russische Partei, meint dazu das Medienportal News.ru - und anders als bei den deutschen Spitzen aus Politik und Presse kommt das in Moskau selbst natürlich gut an.

Bleibt der neue Kalte Krieg zwischen Deutschland und Russland erhalten, könnten deswegen weitere Großereignisse der "rechts-russischen Kooperation" folgen - und vielleicht darf eines Tages sogar ein AfD-Funktionär Putin persönlich die Hand schütteln. Die Hemmungen sind gefallen und rechte Träume werden wahr.