Bundestagswahl: Gericht lässt Kommunistische Partei zu

tKlein, aber Ernsthaft: Bürokratie und pünktliche Rechenschaftsberichte sind laut Gerichtsurteil nicht alles. Die DKP behält Parteieinstatus. Foto: PublicDomainPictures auf Pixabay

Wahlhelfer vom Dienst: Bundeswahlleiter Georg Thiel scheitert vor Gericht mit Entzug des Parteienstatus - und sichert der DKP viel Aufmerksamkeit

Ist Bundeswahlleiter Georg Thiel ein heimlicher Wahlhelfer der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP)? Sicherlich nicht bewusst - aber der kleinen Randpartei hat er enorme Aufmerksamkeit beschert, von der sie bislang wohl nur träumen konnte. Mitten im medialen "Sommerloch" traf am Dienstag das Bundesverfassungsgericht die Entscheidung: Entgegen der Rechtsauffassung des Bundeswahlleiters darf die DKP bei der bevorstehenden Bundestagswahl antreten. Noch am selben Tag wurde die Nachricht zur Schlagzeile in zahlreichen Medien. Die Bild-Zeitung titelte zum Beispiel: "Umsturz-Partei DKP darf zur Bundestagswahl antreten". Andere Medien machten die Geschichte nicht so reißerisch auf.

Aber wer die DKP bislang nicht kannte oder nicht wahrgenommen hatte, der weiß nun zumindest von ihrer Existenz - und davon, dass Spitzenbeamte nicht immer die Gesetze zur Genüge kennen, die sie umsetzen sollen. Die DKP hatte vor das Bundesverfassungsgericht ziehen müssen, weil der Bundeswahlausschuss die Partei Anfang Juli nicht zur kommenden Bundestagswahl zugelassen hatte. Begründet wurde dieser Schritt mit verspätet abgegebenen Rechenschaftsberichten. Einzig der von Bündnis90/Die Grünen benannte Beisitzer im Bundeswahlausschuss, Hartmut Geil, trat gegen diese Interpretation des Parteiengesetzes auf.

Am Dienstag bewertete das Bundesverfassungsgericht die Fälle von 20 Gruppierungen, die nicht zur Wahl zugelassen wurden. Während der DKP in der Sache rechtgegeben wurde, wies das Gericht die Beschwerden der 19 anderen ab. Einige hatten ihre Beschwerde zu spät eingereicht, von anderen war die Beschwerde nach Auffassung des Gerichts nicht begründet. Für kleine Parteien dürfte das DKP-Urteil wegweisend sein, denn das Gericht stellte fest: Wegen verspätet abgegebener Rechenschaftsberichte darf einer politischen Gruppierung nicht der Parteienstatus entzogen werden - wenn die Frist von sechs Jahren eingehalten wird.

Ein Status, der auch ohne Aussicht auf schnelle Wahlerfolge wichtig ist

Ohne diesen Status stände eine politische Vereinigung schnell vor dem finanziellen Aus - wohl auch vor dem politischen; denn ohne den Schutz des Parteienstatus kann eine politische Vereinigung schnell auf Erlass des Bundesinnenministeriums verboten werden. Das Gericht stellte fest: Es kommt nicht nur auf die Rechenschaftsberichte an.

Insgesamt kommt es darauf an, ob die Gesamtwürdigung der tatsächlichen Verhältnisse einer Partei - unter Einschluss der Dauer ihres Bestehens - den Schluss zulässt, dass sie ihre erklärte Absicht, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken, ernsthaft verfolgt. Daraus ergibt sich, dass Vereinigungen, die nach ihrem Organisationsgrad und ihren Aktivitäten offensichtlich nicht imstande sind, auf die politische Willensbildung des Volkes Einfluss zu nehmen, bei denen die Verfolgung dieser Zielsetzung erkennbar unrealistisch und aussichtslos ist und damit nicht (mehr) als ernsthaft eingestuft werden kann, nicht als Parteien anzusehen sind.

BVerfG - 2 BvC 8/21

Werden Rechenschaftsberichte verspätet eingereicht, könne das zwar ein Indiz für die mangelnde Ernsthaftigkeit sein; aber dennoch sei eine Gesamtbetrachtung geboten. Für die DKP sah das Gericht sie als gegeben an.

Eine schallende Ohrfeige für den Bundeswahlleiter nannte deren Vorsitzender, Patrik Köbele, das Urteil. "Das Bundesverfassungsgericht hat heute den Versuch, die Existenz der Deutschen Kommunistischen Partei (DKP) mit bürokratischen Mitteln zu gefährden und ihr die Kandidatur bei den Bundestagswahlen zu verbieten, zurückgewiesen." Das Urteil sei nicht nur das Ergebnis "unserer juristischen und politischen Argumentation", sondern vor allem das Ergebnis einer großen nationalen wie internationalen Solidarität.

Die DKP kann tatsächlich auf zahlreiche Solidaritätsbekundungen verweisen - dass sich das Gericht hat davon beeindrucken lassen, kann getrost bezweifelt werden. Ob die mediale Aufmerksamkeit Einfluss auf das Wahlergebnis hat, wird sich im September zeigen.