K.o.-Kriterium für "Schwarz-Grün" oder Wahlkampfgetöse?

Bleiben sich die Grünen in der ökologischen Frage treuer als im Verhältnis zur Nato? Foto: Couleur auf Pixabay (Public Domain)

Die Grünen fordern ein Klimaschutzministerium mit Vetorecht. Wenn sich die Partei diesbezüglich treu bleibt, gibt es nicht viele Koalitionsmöglichkeiten

Sollten die Grünen ihrem Vorsatz treu bleiben und im Fall einer Regierungsbeteiligung ein neues Klimaschutzministerium mit Vetorecht zur Bedingung machen, wäre eine Koalition mit den Unionsparteien und der FDP so gut wie ausgeschlossen. Ein solches Ministerium ist ein zentraler Punkt des "Klimaschutz-Sofortprogramms", das Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und Ko-Parteichef Robert Habeck an diesem Dienstag im Naturschutzgebiet Biesenthaler Becken nördlich von Berlin vorstellten.

Das Ministerium soll Gesetze verhindern können, die dem Pariser Klimaschutzabkommen zuwiderlaufen – was dem Bundesumweltministerium bisher nicht gelang. Das Abkommen von 2015 sieht vor, die menschengemachte Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen - soweit überhaupt noch möglich auf 1,5 Grad, was in manchen Weltregionen schon überschritten ist.

Die Bewältigung der Klimakrise wird in dem siebenseitigen Sofortprogramm der Grünen als "Jahrhundertaufgabe" bezeichnet. "Um keine weitere Zeit zu verlieren, wollen wir sofort ein umfassendes Programm mit konkreten Gesetzesinitiativen auf den Weg bringen, das neue Dynamik entfacht, schnelle Einsparungen realisiert und wichtige Weichen stellt. Wir werden im Kabinett das größte Klimaschutzpaket beschließen, das es jemals gegeben hat", heißt es darin.

Um Abstimmungsprozesse innerhalb der Ministerien zu verschlanken und zu beschleunigen, soll in den ersten 100 Tagen eine "Klima-Task-Force" der Bundesregierung im Wochenrhythmus tagen. Einige Punkte des "Sofortprogramms" stehen bereits im Wahlprogramm der Grünen für die Bundestagswahl am 26. September. Versprochen wird darin ein beschleunigter Ausbau der Wind- und Solarenergie und hohe Investitionen in Schienen, Radwege und öffentlichen Nahverkehr. Der Kohleausstieg soll spätestens 2030 abgeschlossen sein - statt wie bisher geplant 2038.

Wer würde mitziehen?

Letzteres fordert zwar zumindest im Wahlkampf auch die bayerische Unionsschwesterpartei CSU - mit dem gemeinsamen Kanzlerkandidaten der Unionsparteien, Armin Laschet (CDU) dürfte dies aber schwer zu machen sein. Erst vergangene Woche hatte Laschet erneut das Jahr 2038 als Enddatum für die Kohleverstromung in Deutschland verteidigt und sich dabei sogar wahrheitswidrig auf Umweltverbände berufen. "Ich finde, Politik muss verlässlich sein" hatte Laschet im ZDF-Sommerinterview gesagt. "Wir haben eine Kohlekommission gehabt mit Wissenschaftlern, mit Greenpeace, mit dem BUND", so Laschet "Und die haben das Datum 2038 vorgeschlagen."

Olaf Bandt, Vorsitzender des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) warf Laschet daraufhin vor, entweder zu lügen oder selbst falsch informiert zu sein. "Ganz im Gegenteil: Wir haben immer klargemacht, dass ein so spätes Ausstiegsdatum für ernsthaften Klimaschutz viel zu spät ist und deshalb auch in einem Sondervotum einen Kohleausstieg bis spätestens 2030 gefordert." Dies ist auch öffentlich im Abschlussbericht der Kohlekommission nachzulesen, die offiziell "Kommission Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung" hieß.

Die Grünen-Kanzlerkandidatin Baerbock bezeichnete es an diesem Dienstag als allerschlechteste Möglichkeit, "einfach mal abzuwarten" und der Industrie für die Reise zur Klimaneutralität "viel Glück" zu wünschen, wie es letztendlich das Wahlprogramm der Unionsparteien vorsehe. CDU und CSU nehmen darin die Corona-Krise zum Anlass, "die Wirtschaft" erst mal nicht weiter belasten zu wollen und Klimaneutralität bis 2045 zu versprechen, ohne für die kommende Legislaturperiode irgendwelche ambitionierten Schritte in diese Richtung zu planen.

Die Unionsparteien sind zurzeit aber laut Umfragen mit rund 28 Prozent stärkste Kraft, gefolgt von den Grünen mit 21 Prozent - ob sie am 26. September Ergebnisse einfahren, die rein rechnerisch ein Regierungsbündnis ohne eine dritte Kraft (wie etwa die FDP) ermöglichen, ist ungewiss. Für ein "Mitte-Links-Bündnis" beziehungsweise "Grün-Rot-Rot" gibt es in Umfragen auch keine Mehrheit. Die SPD kam bei der "Sonntagsfrage" des ZDF-Politbarometers zuletzt auf 16 Prozent, Die Linke auf sieben Prozent.

Die Jugendorganisation der Grünen fordert seit Längerem, eine "schwarz-grüne" oder "grün-schwarze" Koalition auf Bundesebene auszuschließen - ein solches Bündnis sei schlicht unmöglich, wenn die Grünen ihr eigenes Wahlprogramm ernst nähmen, meint die Vorsitzende der Grünen Jugend, Anna Peters. Die "erwachsenen" grünen Spitzenpolitiker wählen in der Regel diplomatischere Formulierungen.

Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa im Auftrag der Bild könnte zwar auch eine "Ampelkoalition" aus Grünen, FDP und SPD rechnerisch möglich sein – aber die marktradikale FDP würde niemals einem Klimaschutzministerium mit Vetorecht zustimmen. Laut Wahlprogramm setzt sie in dieser Frage vor allem auf technische Lösungen, die noch erfunden werden müssen.

Klimaschutz oder Nato?

Die einzige zurzeit im Bundestag vertretene Partei, mit deren Programm ein solches Vetorecht kompatibel wäre, ist Die Linke. Abgesehen davon, dass beide Parteien zusammen laut aktuellen Umfragen nur auf rund 28 Prozent kämen, würden die Grünen aber laut Habeck nur mit der Linken koalieren, wenn sie sich zur Nato bekennt. Linke-Chefin Janine Wissler hat diese Forderung höflich zurückgewiesen.

Ob den Grünen nun die Nato oder das Klimaschutzministerium wichtiger ist, wird kaum herauszufinden sein, wenn ein "rot-rot-grünes" Bündnis schon rechnerisch ausscheidet. Ob sich die Grünen in Sachen Klimaschutz treu bleiben und lieber von der Oppositionsbank aus Druck machen, als sich in Sondierungsgesprächen und Koalitionsverhandlungen doch noch den Unionsparteien anzupassen, dürfte sich aber schon bald zeigen.