Das Debakel für die Linke war vorauszusehen

Die Linke hatte mit ihrem Protest gegen den Nato-Krieg in Afghanistan, hier im Jahr 2010, recht. Gebracht hat es ihnen dennoch wenig. Bild: DIE LINKE, CC BY 2.0

Nun ist es Zeit, aus der Wahlschlappe die notwendigen Lehren zu ziehen. In der Friedensfrage und der Position zur Nato liegt der Schlüssel zu einer sozial-ökologischen Konversion. Ein Aufruf

Im Wahlkampf gerierte sich die Linkspartei, als ob die nur von ihr angestrebte "rot-rot-grüne" Koalition bereits bestünde und als ob "Die Linke" nicht nur Garantin einer echt linken Koalition wäre, die die SPD ein wenig sozialer, die Grünen konsequent ökologisch machen könne.

Rund eine Million ihrer Wählerinnen und Wähler gaben dann aber ihre Stimme zu ziemlich gleichen Teilen lieber den beiden Originalen. Statt des Mitregierens auf kaum wärmendem Flämmchen mit vielleicht einem Staatssekretärsposten hat sich die Stimmenzahl der linken Opposition halbiert.

Der kluge Gedanke, nach dem Veränderung mit Opposition beginnt, stammt von der Vorgängerpartei der Linken, der PDS. Als Oppositionskraft hatte die Linke einen Gebrauchswert, sie hat Alternativen wachgehalten und wurde deshalb von vielen gewählt.

Als Regierungspartei im Wartestand, bereit, Grundsatzpositionen, vorwiegend in der Nato-Frage, aufzugeben, hat sie sich selbst überflüssig gemacht. Wenn die Linkspartei sich erholen, also zu sich selbst zurückfinden will, muss sie sich nicht, wie es neudeutsch heißt, neu erfinden, sondern zu ihrem Programm, zu Opposition und Widerspruch zurückfinden. Ob sie dazu die Kraft findet, ist offen.

Obwohl: Die Themen der Linken liegen auf der Straße beziehungsweise sind längst in ihrem noch immer gültigen Parteiprogramm festgeschrieben.

• Die Friedensfrage (und die Nato-Mitgliedschaft) waren der Linkspartei schon über Jahre hinweg als das entscheidende Hemmnis für eine Regierungsbeteiligung vorgehalten worden. Ein Festhalten an dieser Position war das Markenzeichen der Partei.

Das konsequente Beharren auf dieser Position schlug die Brücke zum sozialpolitischen Schwerpunkt der Partei: Statt zwei Prozent des Bruttosozialprodukts für Aufrüstung und gigantische neue Rüstungsprojekte zur Verfügung zu stellen - was alle Parteien, die jetzt über eine mögliche Koalition verhandeln, als selbstverständlich akzeptieren - wäre dies ein zentraler Interventionspunkt für "Die Linke" gewesen.

• Denn hier liegen die Mittel für eine gerechtere Gesellschaft und für einen wirtschaftlichen Umbau, der die Produktion gesellschaftlich nützlicher Güter ermöglicht. Hier liegt auch der Schlüssel zu einer sozial-ökologischen Konversion.

Damit würde die auch ohne direkte Kriegsführung bereits gigantische Ressourcenverschwendung und Treibhausgasbelastung durch die weltweite imperiale Militärpräsenz auf Militärbasen, dem Wasser und in der Luft beendet.

• Auslandseinsätze werden weiterhin das Markenzeichen der Bundeswehr bleiben. Nicht umsonst wurde sie umbenannt von "Verteidigungsarmee" zu "Armee im Einsatz". Dies artikuliert klar und deutlich den Willen zur (imperialistischen) Intervention.

Sie erfolgt teils durch Berufung auf Mandate der UN, teils unter Berufung auf Mandate der EU, der die Mandatierung solcher Interventionen völkerrechtlich nicht zusteht. Die Berufung auf UN-Mandate erfolgt dann im Rahmen sogenannter Blauhelmmissionen, deren Aufgabe längst einem Wandel hin zum Interventionismus der großen westlichen Mächte verkommen ist.

So waren die frühen Blauhelmeinsätze dadurch gekennzeichnet, dass nur kleine und neutrale Staaten Blauhelmtruppen stellen sollten, um so Großmachtinteressen fernzuhalten, und dass diese Truppen nur zur Selbstverteidigung Waffen tragen sollten.

• Nur die konsequente Kritik am herrschenden Kapitalismus und der Umbau der Gesellschaft in Richtung auf eine an den Interessen der Menschen orientierte Wirtschaft (Wohnen, Gesundheit, Umwelt) unter Verzicht der im besten Falle unproduktiven enormen Rüstungsgüter machen solche dringend erforderlichen Reformen in Richtung auf eine humane Gesellschaft möglich. Sie sind Voraussetzung für ein gutes Leben.

• Als Sahnehäubchen für die friedenspolitische Argumentation kam in den letzten Wahlkampftagen noch die Flucht der Nato-Vormacht aus Afghanistan hinzu, die die Richtigkeit der zwanzigjährigen Analysen und Forderungen der Linkspartei an diesem Kriegseinsatz, wie an den anderen Auslandseinsätzen bestätigte.

Diese Steilvorlage der Zeitgeschichte wurde nicht argumentativ aufgenommen. Die Partei war in keiner der großen Streitfragen ob Corona-Pandemie, Klimawandel oder Konfrontation gegen Russland und China als Opposition hör- und sichtbar.

Es mag bitter erscheinen, aber es ist die einzige Alternative: Harte, konsequente, programmkonforme Oppositionsarbeit ist der einzige Weg zurück zu politischer Identität und zu Glaubwürdigkeit beim Souverän.

Eine Chance für sichtbare und wirksame Oppositionspolitik ist immerhin der Erhalt des Fraktionsstatus, der von jenen drei Wackeren errungen wurde, die in Berlin und Leipzig Direktmandate erkämpften.

05.10.2021 Berlin, Bremen, Düsseldorf, Edermünde, Essen, Frankfurt/Main, Hamburg

  1. Reiner Braun, Berlin, International Peace Bureau, Kampagne Stopp Air Base Ramstein;
  2. Wolfgang Gehrcke, Berlin, Ex-MdB DIE LINKE.;
  3. Kristine Karch, Düsseldorf, Co-Sprecherin internationales Netzwerk "No to war-no to NATO", Kampagne Stopp Air Base Ramstein;
  4. Prof. Dr. Karin Kulow, Berlin, Nahost- und Islamwissenschaftlerin;
  5. Ekkehard Lentz, Bremen, Sprecher Bremer Friedensforum;
  6. Pascal Luig, Berlin, NaturwissenschaftlerInnen-Initiative Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit e.V. (NatWiss), Kampagne Stopp Air Base Ramstein;
  7. Willi van Ooyen, Frankfurt/M. Aktivist der Friedens- und Sozialforumsbewegung, Bundesauschuss Friedensratschlag, Oster- marschbüro;
  8. Prof. Dr. Norman Paech, Hamburg, Jurist und emeritierter Professor für Politikwissenschaft und für Öffentliches Recht;
  9. Karl Heinz Peil, Frankfurt/M. Friedens- und Zukunftswerkstatt e. V., verantwortlicher Redakteur des ‚Friedensjournal‘;
  10. Christiane Reymann, Berlin, Autorin;
  11. Prof. Dr. Werner Ruf, Edermünde, Kasseler Friedensforum, Mitglied des Gesprächskreises Friedens- und Sicherheitspolitik der Rosa-Luxemburg-Stiftung;
  12. Bernhard Trautvetter, Essen, Mitbegründer Netzwerk Schule ohne Bundeswehr NRW, Sprecher Essener Friedensforum, VVN-BdA, GEW.