Jugendliche: Mehr Angst vor Krieg als vor Klimakrise

Bild: Priscilla Du Preez/Unsplash

Trendstudie "Jugend in Deutschland": Depressionen kündigen "potenzielles Drama" an

27 Prozent der Jugendlichen im Alter zwischen 14- und 29 Jahren in Deutschland berichten von Depressionen. Fast die Hälfte (45 Prozent) gaben auf die Frage "Erlebst du aktuell psychische Belastungen?" zur Antwort: "Stress". Etwa ein Drittel (35 und zweimal 32 Prozent) gaben Antriebslosigkeit, Erschöpfung und Langeweile an. Sieben Prozent berichten von Suizidgedanken.

Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Befragung einer repräsentativen Onlinebefragung von gut 1.000 Jugendlichen, durchgeführt vom 9. bis zum 21. März 2022. Die Studie "Jugend in Deutschland – Sommer 2022" wurde in der vergangenen Woche veröffentlicht. Sie wird halbjährlich durchgeführt unter der Leitung der Jugendforscher Simon Schnetzer und Klaus Hurrelmann durchgeführt. Das Resümee zur Lage der Jugendlichen lautet:

Seit 2018 treibt sie die Sorge vor den Folgen des Klimawandels um, mit dem Frühjahr 2020 kamen die Umbrüche und Unsicherheit aufgrund der Corona-Pandemie und jetzt kommt auch noch die Kriegsangst dazu.

Simon Schnetzer

Dass 27 Prozent der Jugendlichen von Depressionen berichten, bedeute die "Ankündigung eines potenziellen Dramas", kommentiert die Journalistin Ariane Bemmer im Deutschlandfunk. Mentale Gesundheit sei kein privater Luxus, sondern eine gesellschaftliche Notwendigkeit.

"Es wäre wünschenswert, wenn eine oft zitierte Zeitenwende, auch diesen Bereich rasch und energisch neu aufstellen hilft."

Bemmer verweist stark beschränkte Therapiemöglichkeiten. Darüber wurde während der Corona-Krise viel berichtet, getan wurde allerdings nichts Spürbares. Offensichtlich wurde "nichts konkret in die Wege geleitet", kritisiert Bemmer, "auch wenn Experten die Coronapandemie deutlich als – Zitat – 'multidimensionalen und potenziell toxischen Stressfaktor' bezeichnet haben". Offenbar werden psychische Störungen immer noch "stark stigmatisiert", wie die Journalistin kritisiert, und nicht ernst genug genommen.

In der New York Times ist an diesem Wochenende ein aktualisierter Artikel über die "Krise der psychischen Gesundheit unter US-Jugendlichen" zu lesen, geschrieben vom Pulitzer-Preis-Träger Matt Richtel, der ein Jahr lang Jugendliche und ihre Familien zum Phänomen der steigenden Fälle von Angstzuständen, Depressionen, Selbstverletzungen und Suiziden befragte.

Darin heißt es, dass die Verschlechterung der psychischen Gesundheit von Jugendlichen durch die Covid-Pandemie verstärkt wurde, sie aber schon vorher zu beobachten war. So wird für die USA berichtet, dass 2019 13 Prozent der Jugendlichen angegeben hätten, eine schwere depressive Episode gehabt zu haben, was einen Anstieg von 60 Prozent gegenüber 2007 bedeutet.

Auch die Zahl der Besuche von Kindern und Jugendlichen in der Notaufnahme sei wegen Angstzuständen, Stimmungsstörungen und Selbstverletzungen stark gestiegen. Die Suizidrate stieg laut der US-Behörde Centers for Disease Control and Prevention im Jahr 2018 um fast 60 Prozent.

Dieser kurze Exkurs zeigt an, dass es sich um ein Krisen-Phänomen handelt, das sich schon länger abzeichnet - und dies in Gesellschaften, die sich gerne als fortschrittlich bezeichnen.

Ignoranz der Politik

"Das kann man natürlich alles wegnicken. Machen ja auch die meisten. Ich werde oft belächelt, wenn ich schreibe, dass unser Umgang mit Jugendlichen nicht nur ihnen selbst, sondern auch der Demokratie schadet", ordnet der deutsche Journalist Bent Freiwald den Umgang mit Ergebnissen wie aktuell von der genannten Jugend-Studie ein. "Kinder und Jugendliche werden von der Politik oft ignoriert."

Der Krieg

Herausgestellt wurde in Medienberichten der vergangenen Woche zur Studie "Jugend in Deutschland – Sommer 2022", dass die größte Sorge der 14- bis 24-Jährigen nicht mehr der Klimawandel sei, "sondern der Krieg", was aber nicht heiße, dass die Angst vor dem Klimawandel abgenommen habe. Es sind immerhin mehr als die Hälfte, die sich bei diesem Thema Sorgen machen.

Auf die Fragestellung "Welche wirtschaftlich-gesellschaftlichen Themen bereiten dir Sorge?", antworteten 68 Prozent mit "Krieg in Europa", 55 Prozent mit "Klimawandel", 46 Prozent mit "Inflation" ("Je länger man das Problem verschleppt, desto härter werden die Konsequenzen"), 40 Prozent mit "Spaltung der Gesellschaft" und ein fast genauso hoher Anteil (ein Prozentpunkt weniger) mit "Wirtschaftskrise".

Nicht ganz jede (r) Fünfte (18 Prozent) sorgt sich um "Konflikte zwischen den Generationen". Und vier Prozent machen sich keine Sorgen.

Der gleiche Prozentsatz der Unter-18-Jährigen könnte sich vorstellen, sich nach Beendigung der Schulzeit bei der Bundeswehr oder einem Freiwilligendienst zu bewerben", so der Studienleiter Klaus Hurrelmann zum Themenkomplex "Krieg in Europa".

Bemerkenswert ist, dass sich unter den Jugendlichen im Alter zwischen 14- und 29 Jahren nach seinen Worten eine "eher zurückhaltende Zustimmung zu politischen Maßnahmen, um Russland zu sanktionieren und die Abwehrkräfte zu stärken" beobachten lasse. So würden "nur 58 Prozent umfassende Sanktionen gegen Russland" befürworten, 43 Prozent die Erhöhung von Militärausgaben der Bundesregierung und 37 Prozent Waffenlieferungen an die Ukraine.

Insgesamt mache das soziologische Messgerät "Datajockey-Jugendbarometer" eine erstaunlich positive Grundstimmung in der jungen Generation aus: Die meisten Befragten würden für sich persönlich trotz aller Belastungen eine gute Zukunft erwarten. Auch wenn "die innere Unruhe" klar erkennbar sei.