Ukraine: Wie der EU-Kriegsdiplomat Josep Borrell um westliche Werte kämpft

Es ist nicht alles Gold, was glänzt: Der Westen verkauft seine Kriege als humanitäre Interventionen. Wenn andere das Gleiche tun, sind es Verbrecher. Bild: K.H.Reichert / CC BY-NC 2.0

Wir verlieren den Kampf der Narrative gegen Russland, heißt es aus der EU-Kommission. Recycelt wird dabei der Mythos vom "guten Westen". Warum er nicht zutrifft, zeigt ein Blick in den Globalen Süden und die Vergangenheit.

In einem Blogeintrag zum G20-Außenministertreffen auf Bali (Indonesien) Anfang Juli scheint der Hohe Vertreter der Europäischen Union für Außen- und Sicherheitspolitik, Josep Borrell, die schmerzliche Wahrheit akzeptiert zu haben, dass der Westen den "globalen Kampf der Narrative", wie er es nennt, verliert.

Der globale Kampf der Narrative ist in vollem Gange, und im Moment gewinnen wir nicht,

gibt Borrell zu. Die Lösung:

Als EU müssen wir uns weiter engagieren, um die russischen Lügen und die Kriegspropaganda zu widerlegen,

fügt der EU-Spitzendiplomat und Vizepräsident der EU-Kommission hinzu.

Ramzy Baroud ist Journalist und Buchautor in den USA. Er ist Senior Research Fellow am Zentrum für Islam und Globale Angelegenheiten (CIGA).

Borrells Beitrag ist ein Zeugnis für genau jene falsche Logik, die dazu geführt hat, dass die sogenannte "Schlacht der Erzählungen" überhaupt verloren wurde.

Borrell beginnt damit, seinen Lesern zu versichern, dass obwohl sich viele Länder des globalen Südens weigern, bei den Sanktionen des Westens gegen Russland mitzumachen, "alle", wenn auch in abstrakter Form, über die "Notwendigkeit des Multilateralismus und der Verteidigung von Prinzipien wie der territorialen Souveränität" einig sind.

Der unmittelbare Eindruck, den eine solche Aussage vermittelt, ist, dass der Westen die globale Hüterin des Multilateralismus und der territorialen Souveränität ist. Das Gegenteil ist der Fall. Die militärischen Interventionen der USA und des Westens im Irak, in Bosnien, Afghanistan, Syrien, Libyen und vielen anderen Regionen der Welt erfolgten größtenteils ohne internationale Zustimmung und ohne jede Rücksicht auf die Souveränität der Staaten.

Im Falle des Nato-Krieges gegen Libyen wurde eine extrem zerstörerische Militäroffensive initiiert. Sie stützte sich auf der bewussten Fehlauslegung der Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrates, in der der Einsatz "aller notwendigen Mittel zum Schutz der Zivilbevölkerung" gefordert wurde.

Doppelte Standards

Borrell, wie auch andere westliche Diplomaten, lässt die wiederholten – und lange anhaltenden – Eingriffe des Westens in die Angelegenheiten anderer Staaten außer Acht, um unangenehme Schlussfolgerungen zu vermeiden, während er den russisch-ukrainischen Krieg als das krasseste Beispiel darstellt für "eklatante Verstöße gegen das Völkerrecht, die gegen die Grundprinzipien der UN-Charta verstoßen und die globale Gesundung der Wirtschaft gefährden".

Würde Borrell eine derart klare Sprache verwenden, um die zahlreichen Kriegsverbrechen in Teilen der Welt zu beschreiben, an denen europäische Länder oder ihre Verbündeten beteiligt sind? Zum Beispiel Frankreichs verabscheuungswürdige Kriegsbilanz in Mali? Oder, noch offensichtlicher, die 75-jährige israelische Besetzung Palästinas?

Beim Thema "Lebensmittel- und Energiesicherheit" beklagte Borrell, dass viele der G20-Staaten der "Propaganda und den Lügen des Kremls" bezüglich der tatsächlichen Ursache der Lebensmittelkrise aufgesessen seien. Er kommt zu dem Schluss, dass nicht die EU, sondern "Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine die Nahrungsmittelkrise dramatisch verschärft".

Auch hier verfährt Borrell selektiv. Ein Krieg zwischen zwei Ländern, die einen großen Teil der weltweiten Grundnahrungsmittelversorgung liefern, wirkt sich natürlich nachteilig auf die Ernährungssicherheit aus. Aber Borrell erwähnte nicht, dass die Tausenden von Sanktionen, die der Westen gegen Moskau verhängt hat, die Versorgungskette für viele wichtige Produkte, Rohstoffe und Grundnahrungsmittel unterbrochen haben.