AKW-Laufzeitverlängerung: Scholz sagt Basta

Spitzen-Grüne werben dafür, die Jugend der einstigen Anti-Atom-Partei ist entsetzt. Symbolbild: Sly auf Pixabay (Public Domain)

Der Kanzler hat gesprochen: Alle drei verbleibenden deutschen Kernkraftwerke sollen bis Mitte April weiterlaufen. Während die Grüne Jugend dazu eine Bundestagsdebatte einfordert, werben Spitzen-Grüne für das schon Verkündete.

Für Olaf Scholz (SPD) fällt sein Entschluss zum Weiterbetrieb der drei Atomkraftwerke Isar II, Neckarwestheim II (Kreis Heilbronn) sowie Emsland bis Mitte April klar unter die Richtlinienkompetenz des Bundeskanzlers. Sollte dabei etwas schiefgehen, wie es Anti-Atom-Initiativen wegen gefährlicher Spannungsrisse befürchten, trägt er die Verantwortung.

Führende Grüne waren laut einem Bericht des Tagesspiegels vorab informiert, als das Bundespresseamt am Montag um 18.15 Uhr ein Schreiben von Scholz an die Ministerien, die sich nicht einigen konnten, verschickte.

"Es wird die gesetzliche Grundlage geschaffen, um den Leistungsbetrieb der Kernkraftwerke Isar 2, Neckarwestheim 2 sowie Emsland über den 31.12.2022 hinaus bis längstens zum 15.04.2023 zu ermöglichen", hieß es demnach in dem Brief an die Ressorts von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne), Finanzminister Christian Lindner (FDP) und die für die Reaktorsicherheit zuständige Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne).

Habeck einverstanden, Grüne Jugend und Ex-Umweltminister empört

Habeck ist einverstanden und setzt auf die Leidensfähigkeit seiner umweltbewussten Parteifreunde, die auf der Bundesdelegiertenkonferenz am Wochenende eigentlich nur für zwei deutsche Kernkraftwerke ihr Ja-Wort zur Laufzeitverlängerung bis Mitte April gegeben haben.

Den Weiterbetrieb des dritten AKW Emsland halten viele bei den Grünen für überflüssig und gefährlich – er könne zu einer Überlastung der Stromnetze in Niedersachsen führen, so dass Windkraftanlagen vom Netz genommen werden müssten, warnt etwa der Bundessprecher der Grünen Jugend, Timon Dzienus. "Sorry aber, diese Basta-Politik ist verdammt schlechter Stil", schrieb er Scholz am Montagabend via Twitter ins Stammbuch. "Das AKW-Emsland weiterbetreiben zu lassen, entbehrt jeglicher faktischen Grundlage."

Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur forderte Dzienus eine Bundestagsdebatte über die Entscheidung. Auch der grüne Ex-Bundesumweltminister Jürgen Trittin kritisiert das Machtwort des Kanzlers. "Die Entscheidung ist fachlich nicht gerechtfertigt, sie ist nicht durch den Stresstest gedeckt, sie ist politisch außerordentlich fragwürdig", sagte Trittin, der zurzeit nur einfacher Bundestagsabgeordneter ist, dem ZDF. "Das wird, glaube ich, noch eine ganz schwierige Operation."

Habeck dagegen warnte indirekt vor Chaos, das ausbrechen könnte, falls seine Parteifreunde im Bundestag Scholz die Unterstützung versagen. Er glaube nicht, dass es dazu komme, sagte er auf Nachfrage der ARD: "Weil das Land, Europa sich ja in einer schweren Krise befindet und in dieser Situation dann die Regierung aufs Spiel zu setzen, scheint mir überhaupt nicht verhältnismäßig zu sein."

Die beiden Vorsitzenden der Grünen-Bundestagsfraktion, Katharina Dröge und Britta Haßelmann erklärten dazu: "Wir nehmen zur Kenntnis, dass Bundeskanzler Olaf Scholz seine Richtlinienkompetenz ausübt. Wir werden nun mit unserer Fraktion beraten, wie wir mit der Entscheidung des Kanzlers umgehen."

Sie nannten es zudem "bedauerlich, dass Olaf Scholz und die SPD offenbar bereit sind, das AKW Emsland in den Reservebetrieb zu nehmen, obwohl es sachlich und fachlich dafür keinen Grund gibt", betonten jedoch, dass immerhin keine neuen Brennelemente beschafft und alle Kernkraftwerke spätestens im April vom Netz gehen würden.

Die Ko-Parteichefin der Grünen, Ricarda Lang, erklärte auf Twitter, das AKW Emsland sei für die Netzstabilität nicht erforderlich: "Entsprechend halten wir den Weiterbetrieb für nicht notwendig. Der Kanzler hat nun von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch gemacht. Wir werden dazu Gespräche führen."

Teilerfolg für die FDP

Die FDP als kleinster Koalitionspartner hätte auch eine Laufzeitverlängerung aller drei Kernkraftwerke bis 2024 gerne gesehen, dennoch begrüßt die Partei von Finanzminister Christian Lindner den Beschluss. Der energiepolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Michael Kruse, verbuchte die Entscheidung als Erfolg: "Das Verhandlungsergebnis zeigt, dass sich gut begründete Positionen durchsetzen." Er erwartet als Folge auch sinkende Preise, weil das Signal gesendet werde, dass mehr Strom zur Verfügung stehen werde.

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sprach dagegen von einem "absurden Schmierentheater": "Nach der Wahl in Niedersachsen und nach dem Bundesparteitag der Grünen kommt diese Entscheidung. Hier ging es weder um die Bürger, noch um die Versorgungssicherheit, sondern ausschließlich um die Egos von Habeck und Lindner", sagte Bartsch den Zeitungen der Funke Mediengruppe.