Von Merz bis Rechtsaußen: Eigentümerblock hetzt gegen Arme

Friedrich Merz beim Kongress der Europäischen "Volksparteien" im Mai in Rotterdam. Foto: European People's Party / CC-BY-2.0

Das Bürgergeld wird als komfortable Alternative zur Erwerbsarbeit dargestellt. Die Kampagne richtet sich auch und vor allem gegen Arbeitende. Denn die Absicht dahinter ist, den Preis der Ware Arbeitskraft niedrig zu halten.

"Das Bürgergeld scheitert vorerst Bundesrat" oder "Es wird knapp für das Bürgergeld, lauteten dieser Tage viele Pressemeldungen. Dabei fällt auf, dass die ganze Angelegenheit wie ein rein bürokratischer Akt dargestellt wird. Weitgehend außer Acht gelassen wird, dass die gesamte Kampagne gegen das Bürgergeld ein erneuter Kampf gegen Erwerbslose und Hartz IV-Bezieher ist. Helena Steinhaus von der Initiative Sanktionsfrei findet in der Wochenzeitung Freitag für diese Kampagne die richtigen Worte.

Rechte Hetze gegen Arme

Sie schreibt von den "Mythen der rechten Bürgergeld-Hetze". Die Initiative hat seit ihrer Gründung ein klar benanntes Ziel, das sie auf ihrer Homepage so benennt:

Alle haben das Recht auf eine angstfreie und bedingungslose Grundsicherung. Leider sind Jobcenter häufig Orte der Angst und behördlicher Willkür. Das machen wir sichtbar und unterstützen juristisch und finanziell durch unseren spendenfinanzierten Solidartopf.


Initiative Sanktionsfrei

Nun sorgt das von der Regierungskoalition angedachte Bürgergeld keinesfalls für eine angstfreie Grundsicherung, wie der Ökonom im Bundesvorstand der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, Dierk Hirschel, in einem Kommentar in der Tageszeitung Neues Deutschland herausarbeitet:

Das Bürgergeld, das am Montag im Bundesrat am Widerstand der Unionsparteien zunächst gescheitert ist, schützt aber nicht vor Armut und Ausgrenzung. Die geplante Erhöhung des Regelsatzes um 53 Euro auf 502 Euro reicht vorne und hinten nicht. Sie ist lediglich ein Inflationsausgleich. Ohne Erhöhung auf armutsfeste 650 Euro ist das Bürgergeld kein soziales Fortschrittsprojekt. Des Weiteren dürfen Sanktionen nicht dazu führen, dass das Existenzminimum unterschritten wird. Solange die Regelsätze nicht armutsfest sind, verbieten sich daher Kürzungen.


Dierk Hirschel, Neues Deutschland

Aber schon dieses Bürgergeld, das eben nicht aus der Armut führt, sorgt für Empörung beim Eigentümerblock. Denn nicht nur die Union, sondern auch die AfD gehörte zu den entschiedenen Gegnern des Bürgergelds und begrüßte dessen vorläufiges Scheitern im Bundesrat

Es geht weiter darum, den Preis der Ware Arbeitskraft zu senken

Dabei benennt AfD-Fraktionsvize Norbert Kleinwächter das Ziel, das auch die Unionsparteien teilen. Es geht darum, Menschen unter allen Umständen wieder in Lohnarbeit zu bringen und es geht darum, dass Erwerbslose Lohnarbeit um fast jeden Preis aufnehmen. Denn weiterhin ist der Eigentümerblock sehr daran interessiert, dass der Preis der Ware Arbeitskraft niedrig bleibt. Das war das erklärte Ziel des Hartz-IV-Regimes, das zu einem Lohndumping auf EU-Niveau führte.

Nun hat sich in den letzten Jahren die Zahl der offenen Stellen vergrößert. In vielen Branchen fehlen schlicht Arbeitskräfte, deswegen müssen Restaurants früher schließen sowie Busse und Bahnen pausieren. Dieser Arbeitskräftemangel gibt den Beschäftigten eine größere Macht, sie müssen eben nicht mehr Lohnarbeit um jeden Preis annehmen und können schneller den Arbeitsplatz wechseln.

Die im Kampf gegen das Bürgergeld erneute Kampagne gegen die Armen, die schon die Einführung des Hartz IV-Regimes begleitete, hat genau den Zweck, den Preis der Ware Arbeitskraft weiter niedrig zu halten und die Verhandlungsmacht der Lohnabhängigen zu schwächen.

Kampagne gegen Arme – nicht nur gegen Erwerbslose

Es ist wichtig, zu betonen, dass diese Kampagne des Eigentümerblocks sich generell gegen Einkommensarme und nicht nur gegen Erwerbslose richtet, wie viele Medien immer wieder schon in Überschriften suggerieren. Denn viele Hartz IV-Bezieher sind Aufstocker, deren Lohn nicht mehr zum Leben reicht. Sie arbeiten in Teil- und auch in Vollzeit, aber können von ihren Einkommen ihren Lebensunterhalt nicht mehr bestreiten. Auch sie sind den Zumutungen des Hartz-IV-Regimes ausgesetzt.

Der Eigentümerblock, der gegen das Bürgergeld kämpft, will den Zwang gegen die schon entrechteten einkommensarmen Menschen nicht lockern. Er gönnt ihnen auch kein Schonvermögen, was schon ein verräterischer Begriff ist: Der Eigentümerblock setzt sich gerne für die Schonung des Vermögens der Kapitalseite ein, schließlich wird er auch großzügig mit deren Spenden bedacht. Aber für einkommensarme Menschen kennt der CDU-Chef und Ex-Blackrock-Vertreter Friedrich Merz kein Pardon:

Es kann nicht angehen, dass der Staat die zu Corona-Zeiten ausgesetzte Vermögungsprüfung bei Hartz-IV-Beziehern in eine dauerhafte Regel überführt und künftig Vermögen von bis zu 60.000 Euro während einer "Karenzzeit" nicht auf den Bezug des Bürgergelds anrechnet.


Friedrich Merz

Kampf gegen Bürgergeld gemeinsam mit Ultrarechten

Zu wenig beachtet wird, dass im Kampf gegen das Bürgergeld Konservative von der Union mit Ultrarechten kooperieren. Deren Wochenzeitung Junge Freiheit bringt in den Kampf gegen Bürgergeld die rassistische Note ein, in dem sie darüber schwadroniert, dass Ausländer besonders davon profitieren würden.

Dabei geht es um Lohnabhängige aus unterschiedlichen Ländern, die gut genug sind, auch in Deutschland die Drecksarbeit auf Niedriglohnbasis zu machen, die hier stigmatisiert werden, um gar nicht erst Proteste aufkommen zu lassen. Doch die Kooperation der Konservativen und Ultrarechten gegen die Einkommensarmen geht tiefer, worauf Helena Steinhaus von Sanktionsfrei in ihrem Freitag-Artikel hinweist.

Im Netz kursieren grob vereinfachte Berechnungen, die das rechte Blatt Junge Freiheit produziert hat und die zuerst von AfD-Kreisverbänden, dann auch von Union und Arbeitgeberverbänden verbreitet wurden. Sie legen nahe, dass Arbeit sich nicht mehr lohnen würde und das Bürgergeld die Rundum-sorglos-Arbeitslosigkeit erlaube. Das sind Fake News.


Helena Steinhaus, Wochenzeitung Freitag

Es ist bemerkenswert, dass diese informelle Kooperation zwischen Konservativen, Kapitalverbänden, einer rechten Wochenzeitung und der AfD nicht stärkere Proteste der gesellschaftlichen Linken hervorruft. Sie echauffieren sich – wie der Schwarz-Rote Block Hamburg – lieber darüber, dass auf der Demonstration "Solidarisch aus der Krise" in der Hansestadt eine traditionslinke Gruppe teilnehmen durfte, die auch bei Protesten gegen die Corona-Maßnahmen gesehen worden sein soll.

Von Interventionen gegen die Kooperation von Konservativen und Ultrarechten hat man hingegen bisher von der gesellschaftlichen Linken wenig gehört. Auch auf der Umverteilen-Demonstration am vergangenen Samstag in Berlin war der rechte Angriff auf die Armen kein großes Thema.

Der Sozialwissenschaftler und poltische Aktivist Harald Rein hat in dem von ihm herausgegebenen Buch "Wenn arme Menschen sich nicht mehr fügen" gut herausgearbeitet, dass sich Einkommensarme nur auf ihre eigene Kraft verlassen können – und die ist momentan nicht sehr groß. Es wäre zu hoffen, dass durch die Sozialproteste der letzten Wochen auch eine stärkere Sensibilisierung für diesen Krieg gegen die Armen entsteht.

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