Hassverbrechen: Helden, Brandstifter und Opfer im US-Kulturkampf

Symbolfoto: Pexels

Nach tödlichem Angriff auf Besucher eines LGBTQ-Nightclubs in den USA. Verbale Angriffe von Rechten in großen Medien. Warum uns das zu denken geben sollte.

Letzten Samstag betrat ein 22-Jähriger den LGBTQ-Nightclub "Q" in Colorado, Springs eröffnete das Feuer, tötete Raymond Green Vance, Kelly Loving, Daniel Aston, Derrick Rump, Ashley Paugh und verletzte 19 weitere Personen.

Laut CNN war der Verdächtige schon Juni 2021 auffällig geworden, als er seine Mutter mit einer selbst gebastelten Bombe, mehreren Waffen und Munition bedrohte.

Nach Angaben der Polizei wurden am Tatort zwei Schusswaffen sichergestellt, darunter ein Langgewehr, das CNN als Waffe im Stil eines Schnellfeuergewehrs (AR) beschreibt. Der Verdächtige habe aber auch eine Handfeuerwaffe besessen.

2022 wird mit aller Wahrscheinlichkeit, als das Jahr mit den zweitmeisten "Mass-Shootings" (609 bis jetzt) in der Geschichte der USA eingehen wird.

Das Skript

Das Skript bleibt, so scheint es, das ewig gleiche: Erst der Anschlag, dann die sich beständig verkürzende Aufmerksamkeit und Entrüstung der Öffentlichkeit. Liberale, die eine Verschärfung der Waffengesetze fordern, und konservative Stimmen, die auf die psychische Verfassung der meist männlichen Person als Grund für die Tragödie verweisen, oder gleich so dreist sind zu behaupten, im Angesicht einer solchen Tragödie zieme es sich schlicht nicht über "Politisches" zu sprechen.

Selbst wenn eine labile psychische Verfassung möglicherweise Voraussetzung ist, um eine solche Bluttat zu begehen, so haben manche Taten trotz allem zudem einen ideologischen Hintergrund. Die Todesschützen sind nicht selten von Rassismus, Misogynie oder LGBTQ-Feindlichkeit getrieben. Auch der Nightclub-Q war vermutlich kein zufällig ausgewähltes Ziel.

Weltansichten im Mainstream der konservativen Bewegungen

Dennoch, während sich die "sozial Entfremdeten" früher noch in den Nischen des Internets wie 4Chan radikalisierten, sind nun einige der schlimmsten in der Anonymität dieser Foren vertretenen Weltansichten im Mainstream der konservativen Bewegungen in den USA und im UK angekommen.

Das gilt auch für die Trump-treue "Maga -Fraktion" innerhalb Republikanischen Partei und ihr inoffizielles Sprachrohr Fox News. Der Hass, die Wut und die Verzweiflung psychisch labiler Individuen werden also von offizieller Seite mithilfe von Verschwörungstheorien gegen ihre politischen Gegner gelenkt.

Laut einer dieser Verschwörungstheorien treiben Vertreterinnen und Vertreter der "LGBTQ-Lobby" Kinder durch Frühsexualisierung in die "Queerness", der Begriff hierfür ist oft "Grooming". Wie bei jeder absurden Verschwörungstheorie variieren die angegebenen Beweggründe.

Manchmal wird Grooming als Teil einer größeren politischen Verschwörung beschrieben, die US-Bevölkerung zu verringern. Ein anderes Mal wird schlicht behauptet, Grooming sei, in Abwesenheit einer "natürlichen Fortpflanzungsmethode", der einzige Weg für queere Menschen sich zu vermehren. Häufig aber gehen diese Behauptungen mit dem alteingesessenen schwulenfeindlich Narrativ der Pädophilie bei Homosexuellen einher.

Es handelt sich also um eine toxische Mischung aus Unverständnis bezüglich der Trennung von Geschlecht, Sexualität, sexuellem Verlangen und aus alten Stereotypen, – aber es ist vor allem Folge einer Politik durch Angst.

Kulturkampf

Im Club-Q, dem Ort, den sich der 22-jährige Täter für seine mörderischen Schüsse auserkoren hatte, war zum Zeitpunkt des Verbrechens für den nächsten Tag (20. November) "All Ages Drag Brunch" geplant.

Durch den Kulturkampf, auf den sich die MAGA-Rechte eingeschworen hat, scheinen Verschwörungstheorien wie QAnon und Pizza-Gate – bei beiden spielt die Besorgnis um Kinder eine große Rolle – zu etablierten Meinungen von Kongressabgeordneten wie Marjorie Taylor Green und Medien-Berühmtheiten wie Tucker Carlson geworden zu sein, allerdings auffallend oft mit dem Ziel, LGBTQ-Feindlichkeit anzuheizen.

Auch Lauren Boebert, die den dritten Distrikt des Bundesstaats Colorado im Repräsentantenhaus der Vereinigten Staaten vertritt, sieht es als ganz natürlich an, politische Gegner des Grooming zu bezichtigen.

Denn diese Minderheiten werden gerade zur Scape-goat der Stunde erklärt und verantwortlich für alles Mögliche gemacht. Auffallend ist, wie unbeirrbar die Rechtskonservativen hierbei vorgehen.

Zwei Tage, nachdem ein Veteran der US-Armee den Schützen im Club-Q überwältigt hatte (zuvor stand hier irrtümlich "erschossen", wir bitten den Fehler zu entschuldigen, die Red.), veröffentlichten zwei republikanische Gesetzgeber einen Bericht, in dem sie die Biden-Regierung beschuldigen, US-Soldaten im Einsatz durch "Wokeness zu schwächen", unter anderem durch die Förderung der LGBTQ+- Personen im Verteidigungsministerium.

Richard M. Fierro scheint seine "wokeness" indes nicht geschwächt zu haben. Am Samstag lief der Kriegsveteran quer durch den Club in Colorado, entwaffnete den Schützen und verprügelte ihn anschließend mit dessen eigener Pistole.

Hilfe erfuhr der Veteran dabei von einer "Dragqueen", die mit ihren High Heels auf den Schützen eintrat. Fierro und seine Frau Jess kamen mit ihrer Tochter Kassandra und ihrem langjährigen Freund Raymond Green Vance, um eine Drag-Show von Freunden seiner Tochter zu sehen, – Vance zählt zu den Toten.

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