Gentechnik, Insekten und ein vermeintliches Patentrezept gegen Mangelernährung

Herkömmlicher und "goldener" Reis im optischen Vergleich. Foto: International Rice Research Institute (IRRI) / CC-BY-2.0

Golden Rice soll arme Menschen mit Vitamin A versorgen. Er könnte aber lokale Sorten verdrängen und neue Abhängigkeiten schaffen. Stattdessen könnten Ursachen bekämpft werden.

Rund zwanzig Jahre dauerten Forschung und Zulassungsverfahren, kämpften Gentechnik-Gegner gegen die Zulassung und Markteinführung des Gen-Saatguts. Nun darf der "Goldene Reis" endlich angebaut werden: 2022 ernteten philippinische Kleinbauern erstmalig knapp 70 Tonnen auf 40 Hektar.

In Afrika und In Asien können sich die Menschen häufig nicht genügend Obst und Gemüse leisten, weshalb sie mehr stärkehaltige Nahrungsmittel wie Reis, Maniok oder Hirse essen, argumentieren Gentechnik-Experten.

Die einseitige Ernährung führe zu Augenerkrankungen bis hin zur Erblindung und Tod infolge des geschwächten Immunsystems. Der Weltgesundheitsorganisation zu Folge erblinden jährlich bis zu einer halben Million Kinder. Die Hälfte von ihnen stirbt. Der genveränderte Reis enthält besonders viel ß-Carotin - auch Provitamin A genannt, dem er seine gelbe Färbung und damit seinen Namen verdankt. Vitamin A ist maßgeblich am Sehvorgang und an der Produktion von weißen Blutkörperchen und Antikörpern beteiligt.

Anfang der 1990er Jahre entwickelten Wissenschaftler um Ingo Potrykus von der ETH Zürich und Peter Beyer von der Universität Freiburg den ersten Gen-Reis. Er sollte genug Vitamin A enthalten, um den in Asien und Afrika verbreiteten Mangelkrankheiten - vor allem Erblinden - vorzubeugen. Damit sich Beta-Carotin im Reiskorn bildete, wurde ein Gen aus der Narzisse und aus einem Bakterium übertragen. In den ersten gentechnisch veränderten Pflanzen war der Beta-Carotin-Gehalt noch zu niedrig.

In der zweiten Generation – beim so genannten Golden Rice 2 (GR2) – wurde das Narzissen-Gen durch ein Mais-Gen ersetzt. Die Pflanzen, die aus einer entsprechend transformierten Pflanzenzelle hervorgingen, enthalten angeblich mehr Vitamin A als konventionelle Vergleichssorten. Mit einer durchschnittlichen Ration von GR2 könne der Tagesbedarf an Vitamin A von Menschen gedeckt werden, die sich hauptsächlich von Reis ernähren, sagen Ernährungsexperten. Das gesamte im Reiskorn enthaltene ß-Carotin stehe dem Verdauungssystem zur Verfügung.

Um einen höheren Ertrag und Anbaueigenschaften des Golden Rice erhalten, sollen die Bauern den mit Vitamin A-angereicherten Gen-Reis in ihre lokal angepasste Reissorten einkreuzen. Nachzüchtung und Wiederaussaat sollen für den Eigengebrauch erlaubt sein, für den Export und Agrarhandel jedoch nicht.

Seit 2006 wird das Projekt vom Internationalen Reisforschungsinstituts (International Rice Research Institute - IRRI) geleitet. Auf den Philippinen führte das IRRI Freilandversuche mit mehreren Golden- Rice-Linien durch. Offenbar mit Erfolg. Noch 2013 protestierten lokale Initiativen auf den Philippinen gegen Freilandversuche und zerstörten Versuchsfelder. 2015 verbot der oberste Gerichtshof die Nutzung gentechnisch veränderter Sorten, doch bereits ein Jahr später hob er das Verbot wieder auf.

Schließlich erteilten die philippinischen Behörden Ende 2019 seine Zulassung als Lebens- und Futtermittel. In Australien und Neuseeland war zwei Jahre zuvor die Einfuhr von Golden Rice als Lebensmittel genehmigt worden, 2018 auch in Kanada und den USA. 2021 erlaubten die philippinischen Behörden die "kommerzielle Vermehrung" des Gen-Reises. Anfang 2022 kündigte das philippinische Landwirtschaftsministerium ein "massenhafte Produktion" des Saatgutes an. Ein nachhaltiges Lieferprogramm soll den Golden Rice für Menschen mit Vitamin-A-Mangel "erschwinglich und akzeptabel" machen.

Zunächst soll der Reis an Kleinbauern in jenen Regionen verteilt werden, die besonders von Vitaminmangel betroffen sind. Kostenlos erhalten es nur jene Bauern, deren Jahresumsatz 10.000 US-Dollar nicht überschreitet.

Anbau-Projekte auch bald in Bangladesch

Zwei Monate nach der Ernte enthalten die Reiskörner in Bangladesh noch so viel ß-Carotin, dass mehr als 60 Prozent des täglichen Vitamin-A-Bedarfs bei Kindern mit den Reis-Mahlzeiten gedeckt werden kann, freuen sich die Experten. Nach vielen politischen Diskussionen und einer weiteren "abschließenden regulatorischen Untersuchung" rechnen sie mit der baldigen Freigabe der Golden-Rice-Sorte. Die Werbekampagnen laufen bereits auf Hochtouren.

Vor wenigen Jahren noch reagierten Landwirte und Umweltgruppen in Bangladesch verärgert über die Entscheidung, den kommerziellen Anbau des Gen-Reises zuzulassen. So organisierte das Stop Golden Rice Network (SGRN) – ein Netzwerk von Landwirten aus verschiedenen asiatischen Ländern und Bauernorganisationen – eine Kundgebung gegen die Entscheidung zur Einführung der Gen-Pflanze nach dem das Landwirtschaftsministerium angekündigt hatte, der Anbau könne bald beginnen.