Krim – gedrückte Stimmung zum Jahrestag

Der Mehrheitsverhältnisse auf der Krim fallen für Russland zwar günstiger aus als im Donbass – aber die Stimmung ist sorgenvoll. Foto: NASA

Heute jährt sich der Anschluss der Halbinsel Krim an Russland zum neunten Mal. Im Gegensatz zu den ersten Jahrestagen wird dort kaum Feierlaune aufkommen.

Nach russischer Lesart war es eine Aufnahme, nach westlicher eine Annexion. Doch zwischen der Krim und dem Donbass gibt es einen erheblichen Unterschied. Auf der Krim unterstützt - auch nach deutschen Umfragen – eine große Mehrheit der angestammten Bevölkerung die Zugehörigkeit zu Russland. Ihre Soziale Situation wurde vor dem offenen Ausbruch des Ukraine-Krieges von den Einheimischen mehrheitlich als positiv beurteilt.

Im Donbass dagegen wollte schon vor der russischen Invasion die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung nur ein besseres Verhältnis zwischen Kiew und Moskau. Seitdem gibt es einen kompletten Wechsel im Verhältnis der Ostukrainer zu Russland, den ein früherer prorussischer Oppositionspolitiker gegenüber dem Magazin Cicero mit einem Satz zusammenfasst: "Jetzt bin ich der Meinung, dass wir Feinde sind".

Die Konflikte um den Donbass und die Krim gleichzusetzen oder unterschiedslos als einen zu sehen, wie das auf beiden Seiten der Front häufig geschieht, ist falsch.

Große Feierstunde in Moskauer Stadion findet nicht statt

Auf der Krim war die Stimmung bei den meisten Menschen an den Jahrestagen ihres Beitritts zu Russland in der Zeit vor der russischen Invasion gut. Auf den Straßen und nach außen wurden auch in diesem Jahr wieder zahlreiche patriotische Banner angebracht und werden offizielle Festlichkeiten veranstaltet. Ob hier eine ungetrübte Feierstimmung aufkommen wird, darf jedoch bezweifelt werden, auch wenn es die russischen Staatsmedien mit Sicherheit so darstellen werden. Eine große Feierstunde im fernen Moskauer Luschniki-Stadion wurde von den Behörden bereits abgesagt.

Während die Kiewer Truppen sich beim russischen Mutterland zumindest mit größeren Angriffen noch zurückhalten, ist die Wiedereroberung der Krim-Halbinsel ein offizielles Kriegsziel. Dementsprechend gibt es auch keine Zurückhaltung bei Militäraktionen, regelmäßig gibt es Berichte über Drohnenangriffe, Sabotageaktionen und Explosionen in russischen militärischen Einrichtungen. Im Oktober 2022 ereignete sich eine solche auch auf der Brücke, die die Krim mit dem russischen Festland verbindet und legte den dortigen Verkehr zeitweise lahm.

Die Urlauber bleiben oft aus – und ihr Geld weg

Die Flughäfen sind geschlossen, der für die örtliche Wirtschaft wichtige Tourismus liegt weitgehend brach. Der Touristenstrom - auf die Krim reisen seit 2014 fast nur Russen - brach 2022 um etwa die Hälfte ein, schreibt die Zeitung Kommersant. Das sind in Zahlen etwa drei Millionen weniger Urlauber. Russlands Offizielle führen das vor allem auf die nun fehlende Flugverbindung zurück.

Eine Rolle spielen jedoch wohl auch Luftangriffe, die es teilweise unweit von Touristenstränden gab. "Angst vor der Nähe zur Spezialoperation" umschreibt gegenüber Kommersant der Mitarbeiter eines Reiseveranstalters diese Ursache vorsichtig.

Die Halbinsel ist für russische Verhältnisse – auch als Touristenhochburg – kein billiges Pflaster, das Geld der "Normalos" wird aber knapper. So sinkt auch die Stimmung der Bevölkerung. Die einheimische Physiklehrerin Olesya Ailyina fasst die Veränderungen ihrer finanziellen Situation im Onlinemagazin The Insider recht treffend zusammen:

"Am Anfang war es gut, als unser Gehalt in Rubel ausgezahlt wurde und es noch die ukrainischen Preise gab (…) Unsere Preise sind jetzt aber praktisch wie in Moskau und die Gehälter sind von denen in Moskau weit entfernt". Unzufriedenheit produziert daneben die immer rigidere russische Innenpolitik, die auf der Krim bei all der Nervosität natürlich in voller Härte durchschlagt. Das öffentliche Abspielen eines falschen Liedes oder eine kritische Bemerkung kann nun bereits zu massiven Strafen durch die Behörden führen.

Die offizielle russische Entspanntheit ist oberflächlich

Offiziell gibt man sich in Moskau wegen der Rückeroberungspläne von Kiew nicht sonderlich besorgt. "Die Krim gehört uns" ist ein zentraler Bestandteil des russischen Patriotismus. Ganz so entspannt ist man in Wirklichkeit jedoch nicht, wie es immer suggeriert wird. So wird aktuell auf der Halbinsel eine Verteidigungslinie aus Befestigungsanlagen gebaut, wie Krim-Chef Sergej Aksjonow der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti zu Protokoll gab. Dieses Bauvorhaben werde auch von Präsident Wladimir Putin unterstützt, erklärte der Gouverneur beruhigend in einem Interview.

Er unterschlägt dabei, dass der Bau solcher Anlagen natürlich immer eine beunruhigende Komponente hat - denn wenn man mit der Möglichkeit eines ukrainischen Durchbruchs auf die Krim nicht wirklich rechnet, wären solche Arbeiten ja sinnlos. Putin selbst meinte bei einem Krimbesuch im März Russland werde alles tun, um Sicherheitsbedrohungen der Krim zu verhindern. Sicherheitsfragen hätten höchste Priorität - ohne die latente Bedrohung und Verunsicherung der Bevölkerungen wären solche Aussagen nicht nötig.

Auch das weitere Schicksal der Halbinsel wird im beginnenden zehnten Jahr der russischen Zeit vom weiteren Kriegsverlauf abhängen. Die Sympathien der meisten Bewohner der Krim sind dabei trotz wachsender Unzufriedenheit und Angst klar auf der russischen Seite. Schon einmal weil der alles zerstörende Kampf im Falle eines ukrainischen Durchbruchs sehr schnell in der eigenen Heimat stattfinden könnte.