AfD und Junge Alternative: Wer hat wen mit Nazi-Ideologie radikalisiert?

Offiziell steht die AfD nicht zu klassischer NS-Nostalgie. Auch in den Reihen ihrer Nachwuchsorganisation ist sie aber verbreitet. Foto: PantheraLeo1359531 / CC BY-4.0

Studie der Uni Trier: Parteienforscherin untersucht Wechselspiel zwischen AfD und ihrer Jugendorganisation. Ist die JA Treiber der Radikalisierung?

Sind die Jüngeren etwa die strammeren und traditionelleren Rechten? Die "erwachsene" AfD schwankt zwischen NS-Nostalgie inklusive Geschichtsrevisionismus und einer pragmatisch-prorussischen Haltung. Darüber gab es unter anderem Streit, nachdem AfD-Ko-Chef Tino Chrupalla im Mai 2023 ausgerechnet zum Jahrestag der deutschen Kapitulation an einer Feier in der russischen Botschaft teilgenommen hatte.

Die AfD legte anschließend Wert darauf, zu betonen, dass er sich dort nicht für die Befreiung vom Faschismus bedankt, sondern nur aus Höflichkeit ein Geschenk überreicht habe – "wie bei solchen Anlässen üblich". Kein Geheimnis ist auch, dass der Kreml Bereitschaft zur Unterstützung rechter Parteien in Westeuropa signalisiert hat, sofern sie den USA kritisch gegenüberstehen.

Klassische Nazi-Sprüche auf Wanderung der Jungen Alternative

Die Parteinachwuchsorganisation "Junge Alternative" (JA) scheint sich allerdings für einen harten Geschichtsrevisionismus entschieden zu haben. Das wurde zum Beispiel bei einer "Heldenwanderung" zum Gedenken an das letzte Aufgebot der Deutschen Wehrmacht gegen die Rote Armee in Bautzen deutlich.

Zwei Reporterinnen des RTL-Magazins "Extra" hörten dort undercover Sätze wie "Hast du dich mal gefragt, warum die Juden seit 4.000 Jahren von allen Völkern, die mit denen zu tun hatten, gehasst worden sind?" Hinzu kam nach Aussage der Journalistinnen die Wunschvorstellung, Menschen fremder Herkunft in Arbeitslagern zu internieren und weitere Versatzstücke astreiner Nazi-Ideologie.

Mindset der AfD-Jugend und Distanzierung der Mutterpartei

Auch der Satz "Als Staat würde ich Freiwillige suchen, die zur Not auch bereit sind, auf Frauen und Kinder zu schießen" wird zitiert. Die "erwachsene" AfD distanzierte sich davon auf Nachfrage. Aber kann sie wirklich nichts für die Ansichten ihrer Nachwuchsorganisation?

Spätestens seit dem Urteil des Verwaltungsgerichts Köln in dieser Woche, das die Verfassungsschutz-Einstufung der "Jungen Alternative" als gesichert rechtsextremistisch zulässt, steht auch diese Frage wieder im Raum.

Studie: Junge Alternative ist ein Treiber der Radikalisierung

In einer kürzlich veröffentlichten Studie hat Dr. Anna-Sophie Heinze die Entwicklung und Rolle der JA in Deutschland untersucht. Die Politikwissenschaftlerin der Universität Trier kam dabei zu dem Ergebnis, dass die JA einer der zentralen Treiber der Radikalisierung der AfD sei.

"Seit der Entscheidung im November 2015, die JA als offizielle Jugendorganisation anzuerkennen, hat sich die AfD zunehmend radikalisiert", fasst Heinze die Entwicklung zusammen. Diese Beobachtung lässt sich nach Ansicht der Parteienforscherin sowohl an inhaltlichen Positionen als auch an personellen Entscheidungen festmachen.

EU-Auflösung: Diese Forderung übernahm die AfD von der JA

Zum Beispiel habe die AfD die Forderung der JA nach Auflösung der EU übernommen. Wie zuvor in der JA seien ab 2015 auch in der AfD zunehmend radikaler eingestellte Personen in Führungspositionen gekommen.

Der Annäherung beider Organisationen seien teils massive Reibungen und Konflikte vorausgegangen. Die JA habe um die Anerkennung durch die AfD regelrecht gekämpft, so Anna-Sophie Heinze. Vor allem in der Gründungsphase habe es innerhalb der AfD durchaus kritische bis ablehnende Stimmen gegenüber der Anerkennung der JA als AfD-Nachwuchsorganisation gegeben.

Konfliktpotenzial sei in den Folgejahren unter anderem hinsichtlich der Frage entstanden, ob und wie man sich zu rechtsextremen Organisationen und Positionen abgrenzt – auch, um die eigene Überwachung doch noch abzuwenden.

Forscherin: Programme spiegeln Radikalisierung nur bedingt

Die AfD erkenne nun aber auch stärker die für sie positiven Effekte einer Jugendorganisation, etwa bei der Rekrutierung und Sozialisation von Mitgliedern, an und statte die JA finanziell besser aus. "Es schweißt AfD und JA zusammen, dass sie das gemeinsame Ziel verfolgen, die sie beobachtenden Nachrichtendienste zu delegitimieren und sich als die einzig wahre Opposition zu präsentieren", so Heinze.

Für ihre Studie hat die Politikwissenschaftlerin nach eigenen Angaben zur Methodik Interviews mit hochrangigen Mitgliedern der JA geführt, Kommunikationskanäle und Beiträge in sozialen Medien sowie offizielle Dokumente von JA und AfD sowie Berichte von Nachrichtendiensten ausgewertet.

Ihr Fazit: "In der Frage, warum sich die AfD radikalisiert, helfen Parteiprogramme nur bedingt weiter. Auch die Entwicklung der JA lässt sich viel besser in ihrer Social-Media-Kommunikation nachverfolgen. Was einige Personen aus der JA posten, ist schon heftig."

Rechstextremer AfD-Flügel vor Anerkennung der JA gegründet

Zur Chronologie bleibt aber anzumerken: 2015 hatte sich auch der inzwischen offiziell ausgelöse "Flügel" um den Thüringer AfD-Rechtsaußen Björn Höcke gegründet; und zwar bereits im März. Erst auf dem Bundesparteitag im November 2015 wurde die Junge Alternative als Nachwuchsorganisation anerkannt. Höcke selbst ist bereits seit 2014 Vorsitzender der Thüringer AfD-Landtagsfraktion.

Die Radikalisierung ging demnach nicht einseitg von der Jugend aus, sondern mit der JA konnte sich eine bereits vorhandene, in manchen Bundesländern dominierende Strömung weiter stärken. Auch der Thüringer Landesverband der AfD wurde 2021 als erwiesen rechtsextrem eingestuft.

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