2,7 Milliarden Aktien zu je einem Cent
Der anstehende Börsengang von Google schwankt zwischen Poesie, Wahnsinn und bitteren Missverständnissen
Würden wir dieser Tage bei einer Websuche in die Suchmaschine Google die Worte "Google" und "Börse" eingeben, wären die Ergebnisse schier unendlich. Und trotzdem würde der entscheidende Treffer fehlen. Versuchen wir ein wenig Ordnung ins Informationschaos zu bringen. Klar ist, Google hat die beiden Investmentfirmen Credit Suisse First Boston und Morgan Stanley mit den Vorbereitungen zum Börsengang beauftragt. Außerdem hat Google einen 768 Seiten starken Börsenprospekt erstellt und diesen am 30. April 2004 bei der amerikanischen Börsenaufsicht (SEC) zur Prüfung eingereicht.
Unklar bleibt, wann Google denn gedenkt, an die Börse zu gehen. Dafür gibt es zwar Anhaltspunkte (innerhalb der nächsten 3 Monate), aber bisher keinen festen Termin. Unklar ist auch, was die Google Gründer Larry Page und Sergey Brin mit Formulierungen im Börsenprospekt wie "Google ist kein gewöhnliches Unternehmen. Wir haben nicht vor eines zu werden" oder "don't be evil!" wirklich meinen. Beides bittet Raum für eine Fülle von Spekulationen. So wurde zum Beispiel bekannt, dass Eric Schmidt, der Aufsichtsratsvorsitzende von Google sich zukünftig auf seine Aufgabe als Vorstandsvorsitzender konzentrieren soll. Schmidt, der sowohl bei Novell wie bei Sun und in den legendären Xerox Palo Alto Research Center gearbeitet hat, gilt als das eigentliche unternehmerische und innovative Rückgrat der Firma.
Klarheit herrscht jedoch über das beabsichtigte Emissionsvolumen: 2.718.281.828 Aktien zu einem Preis von 0,01 US-Dollar möchte Google dem Markt, also uns, offerieren. Anders gesagt: Über 2,7 Milliarden Aktien mit einem momentanen Wert von 1 US-Cent werden angeboten. Dass der letztendliche Wert einer Google-Aktie nicht bei dem 1 US-Cent liegen wird ist offenkundig. Wie hoch dieser Wert allerdings sein wird bleibt rätselhaft. Hier ist Rede von 5 bis zu 20 US-Dollar. Damit läge der Wert von Google irgendwo zwischen 13,5 und 57 Milliarden US-Dollar (mehr als zum Beispiel Daimler Chrysler). Auch für die Google-Mitarbeiter wird davon etwas abfallen. Bill Colemen von Salary.com geht davon aus, dass bei einem Aktienwert von 40 US-Dollar die Hälfte der 1.900 Google-Angestellten mindesten eine halbe Million Dollar reicher würden, 300 bis 500 würden es auch verhelfen, zu Millionären zu werden.
Ein neues Reich der Spekulationen
Ganz besonders soll denn auch die Emission der Aktien gehandhabt werden. Üblicherweise bleibt es den Investmentbanken, in diesem Fall Morgan Stanley und Credit Suisse First Boston, die einen Börsengang begleiten, vorbehalten, ihren (guten) Anlegern, dessen Geld sie verwalten, Aktien bei einer Neuemission zuzuteilen. Genau dies möchte Google umgehen und hat zu diesem Zweck eine "Webauktion" seiner Aktien angekündigt, damit jedermann bieten und kaufen könne. "Für Amerika ist das neu", sagt Holger Timm, der Vorstand der Berliner Effektengesellschaft dazu. "Wir hier in Deutschland praktizieren diese Methode bereits seit vielen Jahren. Sehr erfolgreich übrigens."
So hat Googles angebliche "Webauktion" auch gleich 3 Pferdefüsse: Der Käufer muss sich bei einer der beiden Investmentbanken anmelden, dort wird er "geprüft", es wird ein Konto eröffnet und erst dann wird ihm eine "Bieter-ID" zugestellt. Mit anderen Worten: Google lässt die Investmentbanker ihr Geschäft machen, versucht ihnen aber vorzuschreiben, mit wem sie das machen sollen und treibt ihnen neue Kunden in die Arme. Die Gebühren für ein Investmentkonto trägt der Kunde. 2. Pferdefuss: Ohne amerikanischen Wohnsitz und amerikanische Staatsbürgerschaft läuft gar nichts. Und 3.: Sollte dann der gebotene Preis für eine Aktie Google zu niedrig sein, erlischt die Order ohnehin. Im Börsenprospekt wird noch eine Fülle weiterer Bedingungen zum Thema einer angeblichen "Demokratisierung einer Aktienemission" aufgeführt.
Im Börsenprospekt wurden auch erstmals auch konkrete Umsatz- und Gewinnzahlen von Google veröffentlicht. Im Jahr 2003 gab es demnach einen Umsatz von 962 Millionen und einen Gewinn von 105 Millionen US-Dollar. Für das erste Quartal 2004 zeigt Google einen Umsatz von 390 Millionen und einen Gewinn von 64 Millionen US-Dollar an. Zum Vergleich: Yahoo nennt für den gleichen Zeitraum einen Umsatz von 758 Millionen und einen Gewinn von gut 101 Millionen US-Dollar. Im Jahr 2003 hat Yahoo 1,62 Milliarden US-Dollar umgesetzt und 237 Millionen US-Dollar mit 5.500 Angestellten erwirtschaftet. Der Börsenwert von Yahoo beträgt im Moment ca. 33 Milliarden US-Dollar. Laut eigenen Angaben beschäftigt Google momentan 1.900 Mitarbeiter.