2013: NSA-Skandal ließ Zahl der USA-Berichte explodieren

Für Spiegel-Redakteur Holger Stark sind durch die NSA-Affäre grundsätzliche Fragen im deutsch-amerikanischen Verhältnis berührt worden

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Der Skandal um die Abhörpraxis des US-Geheimdienstes trieb die deutsche Berichterstattung über die USA explosionsartig in die Höhe. Dies zeigen die Daten aus dem Infomonitor des Instituts für empirische Medienforschung (IFEM) aus Köln. Spiegel-Redakteur und Buchautor Holger Stark sieht grundsätzliche Fragen im deutsch-amerikanischen Verhältnis berührt.

In ihrem im März veröffentlichten Bericht belegen die Wissenschaftler des IFEM für das vergangene Jahr mehr als 1.000 Sendeminuten zum NSA-Skandal. Und das ausschließlich in den wichtigsten Fernsehnachrichten von ARD, ZDF, Sat1 und RTL. Unter sämtlichen Nachrichtenthemen des Jahres gelangte die Geheimdienstaffäre auf den dritten Platz hinter dem Bürgerkrieg in Syrien und der Bundestagswahl. Im Juli 2013 stellte der NSA-Skandal sogar das wichtigste Thema für deutsche Nachrichtenredaktionen. Insgesamt erschienen die USA 2013 in mehr als 3.400 Berichten. Diese Zahl stellt einen historischer Rekord dar.

Zwar gelten die USA historisch als die wichtigste Region für die deutsche Auslandsberichterstattung. Allerdings lag das Niveau in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich bei etwa 2.500 Nachrichten jährlich. "Die USA hatten vor allen anderen Ländern die stärkste Präsenz in der Auslandsberichterstattung. Dazu trug wesentlich die seit Juli anhaltende Berichterstattung über die NSA-Affäre bei", erklärt das IFEM in seiner Zusammenfassung.

Der drastische Anstieg im vergangenen Jahr wirkte sich auch deutlich auf den Abstand zum zweit platzierten Land aus. Im Jahr 2013 erreichte diesen Status Russland mit 1.200 Berichten. Das bedeutet, dass die US-Berichterstattung im vergangenen Jahr fast den dreifachen Umfang des für die Redaktionen zweitwichtigsten Landes erreichte. Im Jahr 2012 hatte diese Rolle Syrien mit insgesamt 1.400 Nachrichten, was damals weniger als die Hälfte der auf die USA bezogenen Nachrichten ausmachte. Auch im Jahr zuvor, als Libyen den zweiten Platz erreichte, verhielt sich der Abstand ähnlich. Der Bürgerkrieg brachte das nordafrikanische Land im Jahr 2011 genau auf die Hälfte der Berichte über die USA.

Der Leiter des Washington-Büros des Magazins Der Spiegel, Holger Stark, führt das außerordentlich große mediale Interesse am NSA-Skandal auch auf falsche Erwartungen in der deutschen Bevölkerung zurück. "Die meisten Deutschen dachten, Obama sei anders als seine Vorgänger und sind nun desillusioniert. Insofern ist dies keine geheimdienstliche Affäre, sondern eine hochpolitische, in der es um die Zukunft des transatlantischen Verhältnisses geht. Deshalb ist die Berichterstattung so intensiv", so Stark auf Anfrage von Telepolis.

Der Spiegel-Redakteur, der gemeinsam mit seinem Kollegen Marcel Rosenbach vor wenigen Tagen das Buch "Der NSA-Komplex" veröffentlichte, hatte die Publikation der Snowden-Dokumente von Anfang an begleitet. "Durch die NSA-Affäre sind große, grundsätzliche Fragen im deutsch-amerikanischen Verhältnis berührt worden. Die USA kennen keine Freundschaft zwischen Staaten, auch unter Barack Obama blicken sie auf Deutschland mit dem grundsätzlichen Misstrauen eines Hegemons", beschreibt Holger Stark das transatlantische Verhältnis.

Die Berichte über den NSA-Skandal wirkten sich auch auf die Bedeutung der veröffentlichenden Medien aus. Im Zitate-Ranking des Schweizer Instituts Media-Tenor profitierte die britische Tageszeitung Guardian am stärksten von der Affäre. Alleine in den ersten drei Monaten des Skandals stiegen die aus dem Guardian stammenden Zitate in deutschen Medien um mehr als 110 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Auch bei Magazin Der Spiegel trugen die Veröffentlichungen über die NSA dazu bei, dass das Blatt seine historische Führung im Zitate-Ranking unter den deutschen Blättern souverän behaupten konnte.

Und noch ein anderer medienpolitischer Aspekt ist interessant: Der NSA-Skandal scheint, anders als in Deutschland häufig vermutet, auch in der amerikanischen Öffentlichkeit eine erhebliche Bedeutung erlangt zu haben. Laut Tyndall-Report erreichte er - ähnlich wie in Deutschland - den dritten Platz unter den wichtigsten Auslandsthemen des Jahres 2013.