AOK meldet Rekordwerte bei Schlafstörungen durch Digitalstress
Bildschirmarbeit, Smartphones und ständige Erreichbarkeit verschlechtern die Schlafqualität. Was das blaue Licht im Körper bewirkt und was helfen kann.
Stress, ständige Erreichbarkeit und die Nutzung von Bildschirmen in den Abendstunden sind nach Ansicht eines Kölner Schlafmediziners Gründe für die Zunahme von Schlafstörungen, die immer öfter zu Krankschreibungen führen.
"Der Schlaf-Wach-Rhythmus wird dadurch gestört, da das blaue Licht die natürliche Melatoninproduktion hemmt", sagte Alexander Prickartz, Chefarzt und Schlafmediziner am Kölner Hildegardis-Krankenhaus dem Kölner Stadt-Anzeiger (KStA). Der so ausgelöste Mangel an dem "Schlafhormon" sorgt für unruhige Nächte.
Störfaktor Smartphone: Ständige Erreichbarkeit ist ungesund
Aber auch zunehmenden Bewegungsmangel, verstärkten Konsum von "Koffein, Alkohol und verarbeiteten Lebensmitteln" sowie "Stress und die Neigung zu einer ständigen Erreichbarkeit durch Smartphones" nennt Prickartz als Ursachen.
Schlafstörungen im Zuge der Digitalisierung vervielfacht
Nach Auswertungen der AOK Rheinland/Hamburg schlafen die Menschen in der Region deutlich schlechter als noch vor 20 Jahren: Die Fälle körperlich bedingter Schlafstörungen haben sich demnach seit 2004 verdreifacht. Bei den psychisch bedingten Schlafstörungen sind die Fallzahlen sogar siebenmal so hoch wie vor 20 Jahren, wenn auch auf einem niedrigeren Niveau.
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In beiden Diagnosegruppen wurden 2023 so viele Fälle verzeichnet wie nie zuvor. Der Datenauswertung zufolge sind Männer etwas häufiger betroffen als Frauen. Grundsätzlich steigt die Zahl der Berufstätigen, die wegen Schlafproblemen eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Arzt erhalten, mit dem Alter deutlich an.
In der Gruppe der 30- bis 39-Jährigen entfielen auf 100 Versicherte nur knapp 36 Krankheitstage wegen Schlafstörungen, in der Altersgruppe ab 60 Jahren waren es mehr als 87 Krankheitstage.
Langfristige Gesundheitsrisiken durch Schlafmangel
Abgesehen von den Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit ist der Schlafmangel laut Prickartz mit langfristigen Gesundheitsrisiken für die Betroffenen verbunden, weil erholsamer Schlaf entscheidend für das Immunsystem und die Regeneration von Körperzellen ist. "Auch das emotionale Gleichgewicht wird im Schlaf reguliert; Schlafmangel führt daher nicht selten zu Stimmungsschwankungen", so Prickartz gegenüner dem KstA.
Erholsamer Schlaf sei außerdem wichtig zur Regulierung des Stoffwechsels "und hilft, das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes zu senken". Wer zu wenig schläft, sei daher nicht nur oft reizbarer, sondern auf Dauer auch vermehrt von Krankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes, Herzerkrankungen, Depressionen, Angststörungen und Übergewicht betroffen.
"Durch eine erhöhte Tagesmüdigkeit steigt die Gefahr von Unfällen im Straßenverkehr, aber auch zu Hause und auf der Arbeit."
Homeoffice: Fluch oder Segen für die Gesundheit?
Die AOK rät Unternehmen in diesem Zusammenhang zu mehr Betrieblicher Gesundheitsförderung. Schlafstörungen könnten laut der Krankenkasse durch flexible Arbeitszeiten und Homeoffice-Regelungen gemildert werden.
Letzteres liegt auf der Hand, wenn lange Anfahrtswege wegfallen, der Wecker später gestellt werden muss und der eigene Biorhythmus stärker berücksichtigt werden kann. Befragungen von Gewerkschaften ergaben aber auch, dass die Arbeit im Homeoffice zu einer Entgrenzung der Arbeitszeit führen kann.
Die Beschäftigten sind demnach häufiger auch außerhalb der Dienstzeiten erreichbar, arbeiten abends oder am Wochenende und leisten unbezahlte Überstunden. Auch Pausen und Ruhezeiten werden öfter eingeschränkt, die Beschäftigten können schlechter von ihrer Arbeit abschalten.
Digital Detox oder Baldrian und Co.: Das kann helfen
Zu bewussten Digital-Detox-Zeiten raten ihnen deshalb Krankenkassen wie die AOK und die Techniker Krankenkasse. Wer neben der "digitalen Entgiftung" Mittelchen für mehr erholsamen Schlaf einnehmen will, sollte sich vorher gut informieren.
Von frei verkäuflichen Melatonin-Produkten, die das Einschlafen erleichtern, rät Schlafmediziner Prickartz ab. "Man sollte beachten, dass frei verkäufliches Melatonin aus dem Drogeriemarkt nicht den gleichen strengen Herstellungs- und Qualitätskontrollen unterliegt wie zugelassene Arzneimittel aus der Apotheke; Dosierung und Reinheit können daher variieren", so Prickartz. Für unproblematisch hält der Schlafmediziner die Einnahme von Präparaten auf Baldrian- oder Hopfenbasis.