Advokat der neuen Geldordnung
Seite 2: "Going Direct"
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Im August 2019 veröffentlicht das BlackRock Investment Institute – hauseigene Denkfabrik des weltgrößten Kapitalverwalters – ein Dokument, das bis heute viel Anlass für Spekulationen bietet. Es trägt den Titel Going direct: How central banks could deal with the next downturn. Es wird von einer "noch nie dagewesene Koordinierung zwischen Geld- und Steuerpolitik" gesprochen.
Unter den Autoren sind bezeichnenderweise der bis 2017 stellvertretende Vorsitzende der US-Notenbank Federal Reserve (Fed), Stanley Fischer, sowie der ehemalige Chef der Schweizerischen Nationalbank Philipp Hildebrand, mittlerweile stellvertretender Vorsitzender von BlackRock. (Ergänzung, 15. November 2022: Mitautorin ist auch die ehemalige Leiterin des globalen Volkswirtschafts- und Kapitalmarktresearchs bei BlackRock, Elga Bartsch, die Robert Habeck am 15. November 2022 zur neuen Chefökonomin im Bundeswirtschaftsministerium ernannte.)
Bevor die Autoren ihr Allheilmittel präsentieren, ergründet der Bericht zunächst die (bald erreichten) Grenzen der unkonventionellen Geldpolitik. Deren policy space, so die Meinung der vier Autoren, reiche nicht aus, um einen "dramatischen" Abschwung abzufedern.
Dass manche Beobachter meinen, der Bericht lese sich in weiten Teilen wie eine Vorhersage der Finanzstrategien in der Corona-Krise verwundert insofern nicht, als hier auch die – eben: präzedenzlosen – Unternehmensanleihe-Käufe der Fed vom Juni 2020 sowie die allmähliche Hinwendung zum sogenannten Vollreserve-System vorweggenommen werden, das die Zentralbanken in den Mittelpunkt des alltäglichen Bankgeschäfts stellt.
"Wenn die Mittel der Geldpolitik erschöpft sind und die der Fiskalpolitik allein nicht ausreichen, ist eine präzedenzlose Reaktion erforderlich. Teil dieser Reaktion wird wahrscheinlich going direct sein: Going direct bedeutet, dass die Zentralbank Wege findet, das Zentralbankgeld direkt in die Hände der öffentlichen und privaten Geldgeber zu bringen."
Und weiter:
"Going direct, das unterschiedlich organisiert werden kann, funktioniert durch:
- Umgehung des Zinskanals, wenn dieses traditionelle Instrumentarium der Zentralbank ausgeschöpft ist, und
- eine Koordinierung der politischen Maßnahmen (policy coordination), die dafür sorgt, dass die fiskalische Expansion nicht zu einem gegenläufigen Anstieg der Zinssätze führt. (…) Die Reaktion auf den nächsten Abschwung wird unweigerlich die Grenzen zwischen Geld- und Fiskalpolitik verwischen."
Im Jahr des Berichts, 2019, klagen die BlackRock-Vertreter noch über eine zu schwache Inflation, die "weit hinter den Zielen der Zentralbanken zurückbleibt" und so einerseits verfehle, die Konjunktur zu beleben sowie andererseits die Verschuldung zu bremsen – ein Problem, das sich mit Corona- und Ukraine-Krise vorerst erledigt haben dürfte (Alle Telepolis-Artikel zum Thema Inflation).
Wiedergänger digitale Identität
Die Politik-Koordinierung, die dem BlackRock-Think-Tank vorschwebt, sieht deshalb eine "Einrichtung" vor, die darauf "kalibriert" ist, das Inflationsziel zu erreichen – und womöglich auch vergangene Inflationsverfehlungen auszugleichen. Gepaart mit CBDC würden, wie von Blackrock angekündigt, "die Grenzen zwischen Geld- und Fiskalpolitik" denn auch endgültig verwischt. In der Ukraine-Krise sieht Blackrock-Geschäftsführer Larry Fink eine Chance, deren Einführung zu beschleunigen. So schrieb er im März 2022 in seinem regelmäßigen "Brief an die Aktionäre":
Ein weniger diskutierter Aspekt des Krieges sind seine potenziellen Auswirkungen auf die Beschleunigung [der Einführung] digitaler Währungen. Der Krieg wird die Länder dazu veranlassen, ihre Währungsabhängigkeiten neu zu bewerten. Schon vor dem Krieg waren mehrere Regierungen bestrebt, eine aktivere Rolle bei digitalen Währungen zu spielen und den regulatorischen Rahmen zu definieren, unter dem sie operieren. […] Ein globales digitales Zahlungssystem kann, wenn es gut durchdacht ist, die Abwicklung internationaler Transaktionen verbessern und gleichzeitig das Risiko von Geldwäsche und Korruption verringern.
Die Basler Bank für Internationalen Zahlungsausgleich schließt sich dem Kapitalverwalter in seiner Begeisterung für CBDC an. Allerdings nicht uneingeschränkt: In ihrem Jahresbericht hebt die BIZ hervor, dass sie an einer anonymen Tokenisierung der Ökonomie nach Vorbild der Kryptowährungen (Bitcoin, Ethereum etc.) nicht interessiert ist. Vielmehr spricht sie sich für CBDC aus, die "auf digitaler Identifikation basieren" – und beteuert, dass diese mit "institutionellen und technologischen Schutzvorrichtungen zum Schutz der Privatsphäre" verbunden sein sollen, wie es im Jahresbericht heißt.
Die wichtigsten Kryptowährungen (12 Bilder)
Begründet wird diese Hinwendung zu einer Zentralbankwährung auf dem Fundament einer digitalen Identität – wie in den meisten Fällen, wenn es darum geht, (dauerhafte) Alternativen zum "schmutzigen" Bargeld zu entwickeln – mit der Eindämmung von Geldwäsche, Steuerhinterziehung sowie Terrorismusfinanzierung. So argumentiert auch die BIZ, die in ihrem "Nordic Centre Innovation Hub" in Stockholm an den Möglichkeiten der Eindämmung forschen lässt, wie es im Jahresbericht heißt.
CBDC sollen außerdem zur "finanziellen Inklusion" von Schwellen- und Entwicklungsländern beitragen.
Hat das jetzt noch so viel mit dem britischen Premier zu tun? Ja, hat es. Mehr dazu im zweiten Teil des Artikels.
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