Altai-Pipeline wieder im Gespräch
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Geopolitische Veränderungen setzen die Umsetzung eines zwischenzeitlich in der Schublade der Planer verschwundenen Projekts auf die Tagesordnung
Die energiepolitische Zusammenarbeit zwischen Russland und China wurde in den vergangenen zehn Jahren deutlich intensiviert. Das lässt sich an der Zunahme der Infrastrukturprojekte in dieser Zeit ablesen. Mit der für Ende 2019 erwarteten Indienststellung der Power of Siberia-Pipeline gingen die Beteiligten davon aus, dass mit den beförderten 38 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr eine Sättigung Chinas mit russischem Gas eintreten würde und neue Projekt auf absehbare Zeit in Richtung China nicht gebraucht würden. Dabei war während des Besuchs von Russlands Präsident Wladimir Putin 2006 in China zunächst noch eine andere Pipeline favorisiert, die jedoch aufgrund der begrenzten Nachfrage, einer ausbleibenden Einigung bei Preisfragen sowie Sanktionsfolgen bei Gazprom wieder in den Schubladen der Planer verschwand.
Dieses Projekt, das allgemein als Altai-Pipeline oder manchmal auch als "Power of Sibiria-2" bezeichnet wird, ist nun wieder auf dem Tisch. Sie soll zu Pekings Versorgungssicherheit beitragen: erst 2018 war China zum größten Erdgas-Importeur der Welt aufgestiegen.
Die Altai-Pipeline soll 2.800 km lang werden und westsibirisches Gas durch die Gebiete von Tomsk und Nowosibirsk, die Region Altai sowie die Republik Altai transportieren, und von dort aus weiter in die Uigurische Autonome Region Xinjiang leiten.
Der Rahmenvertrag für die Pipeline war im November 2014 zwischen Gazprom und der China National Petroleum Corporation (CNPC) unterzeichnet worden und sieht Lieferungen von 30 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr sowie eine Laufzeit von 30 Jahren vor.
Xinjiang, die Provinz, in der die neue Pipeline chinesisches Territorium erreichen soll, ist gleichzeitig eine der wichtigsten Förderregionen für Erdöl und Erdgas in China. Das aus Russland kommende Gas muss von dort aus weiter in Richtung der Küstenregionen geleitet werden, zu den großen Verbraucherzentren.
Dazu soll es in die West-Ost-Pipeline eingespeist werden, die aus Zentralasien kommendes Erdgas in mehreren Trassen zu den Endverbrauchern im Osten Chinas transportiert, hin zu den urbanen Zentren am Jangtsekiang und am Perlfluss. Eine dieser Trassen nimmt in der an der kasachischen Grenze erst 2014 im Rahmen der "One belt, one road"-Initiative als internationales Logistik- und Handelszentrum gegründeten Stadt Korgas das aus Zentralasien kommende Gas auf. Diese zweite Trasse hat eine Gesamtlänge von 8.700 km und durchquert 15 Provinzen. Sie ist die längste Erdgaspipeline der Welt. Der Bau kostete Schätzungen zufolge 22 Milliarden US-Dollar. Die 7.400 km lange dritte Trasse verbindet Xinjiang und die Provinz Guangdong, die am Südchinesischen Meer gelegene bevölkerungsreichste Provinz Chinas. Eine vierte Trasse nimmt das aus Myanmar kommende Erdgas auf. Zum Weitertransport zusätzlicher, über die nun geplante Altai-Pipeline herangebrachten Gasmengen muss eine fünfte Trasse an der West-Ost-Pipeline gebaut werden.
Im Gegensatz zur Power of Siberia-Pipeline, die Erdgas aus neu erschlossenen Feldern in Ostsibirien liefern soll, wird die Altai-Pipeline von den traditionellen Produktionszentren von Gazprom bei Nadym und Urengoi und der Jamal-Halbinsel gespeist. Mit dem dort geförderten Gas wird auch Europa beliefert. Dies bedeutete aus unternehmerischer Sicht für Gazprom zunächst, dass die Altai-Pipeline Gas zu ähnlichen Konditionen nach China liefern würde - für die Chinesen jedoch ein nahezu unüberwindliches Finanzhindernis mit dem Potential, das Projekt platzen zu lassen. Auf dem Eastern Economic Forum im September 2018 in Wladiwostok kam es zu einer politisch herbeigeführten Einigung: Gazprom und CNPC haben als staatliche Unternehmen nun eine Intensivierung ihrer Zusammenarbeit angekündigt.
Tektonische Verschiebungen in der Gasversorgungslandschaft
Mehrere Jahre lang hatte sich das Wachstum der Gasnachfrage in China verlangsamt - von zweistelligen Werten in den Jahren 2003 bis 2013 auf 3,4 Prozent im Jahr 2015 - für eine Nachfrage in diesem Rahmen schien das auf den Weltmarkt kommende LNG (liquefied natural gas - Flüssigerdgas) aus dem asiatischen Pazifikraum allemal ausreichend zu sein.
Doch die Altai-Pipeline hat ihre Bedeutung für die Versorgungssicherheit Chinas aus aktuellem Anlass wiedergefunden. Zum einen ist da der in Peking politisch gewollte Umstieg von Kohle auf Gas: der führte zu einem Anstieg der chinesischen Gasnachfrage um 15 Prozent im Jahr 2017 und zu einem erwarteten Anstieg von mindestens 12 Prozent im Jahr 2018.
Das bedeutet, dass China 2018 bis zu 114 Milliarden Kubikmeter Gas durch Pipelines und LNG importieren muss. Chinas Gasimporte sind allein im vergangenen Jahr um 28 Prozent gestiegen, und dieser Trend wird sich weiter fortsetzen.
Um eine möglichst stabile Versorgung gewährleisten zu können, setzen die Chinesen nicht vordergründig auf eine preislich eventuell kurzfristig günstigere Steigerung von LNG-Importen aus dem Pazifikraum, oder auf die Einfuhr von mehr zentralasiatischem Erdgas aus Turkmenistan und Usbekistan.
China verlässt sich nun verstärkt auf seinen wichtigsten strategischen Energiepartner - Russland. Die gewichtigste Entscheidungshilfe für die Altai-Pipeline kommt wohl aus Washington: die USA haben keinen Hehl daraus gemacht, LNG als geopolitische Waffe gegen missliebige Staaten einzusetzen. Angesichts des Strafzollkarussells bemüht sich Peking nun, die Abhängigkeit von US-Erdgasimporten herunterzufahren.
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