Angebot ohne Folgen
Ein von der Schweizer Außenministerin auf dem World Economic Forum vorgeschlagenes "Treffen der letzten Chance" zwischen den USA und Irak fand keine große Gegenliebe
Kurz vor Vorstellung des Berichts der Waffeninspektoren vor dem UN-Sicherheitsrat hat die Schweizer Außenministern Calmy-Rey ihrem US-Amtskollegen Powell ein "Treffen der letzten Chance" im Konflikt um den Irak vorgeschlagen. Der Secretary of State reagierte zurückhaltend. Von einem konkreten Angebot, ein solches Treffen durchzuführen, sei nicht die Rede gewesen. Am Sonntag bestätige Powell indes die bisherige US-Haltung, dass direkte Verhandlungen auf Regierungsebene mit dem Irak nicht vorgesehen sind. Bis zu einem möglichen Angriff könne es aber noch Wochen dauern.
Vom 8. bis am 10. Januar 1991, also weniger als eine Woche vor dem Angriff der NATO-Allianz gegen den Irak, versuchten in Genf der damalige US-Außenminister James Baker und sein damaliger irakischer Amtskollege Tarek Aziz eine Verhandlungslösung zur friedlichen Beilegung des Konflikts über die irakische Annexion Kuwaits zu finden - erfolglos. Der Versuch eines "Treffens der letzten Chance" sollte auch angesichts des gegenwärtig drohenden Krieges gegen den Irak unternommen werden. Mit diesem Vorschlag im Gepäck reiste die Schweizer Außenministerin Micheline Calmy-Rey zum Jahrestreffen des World Economic Forum.
Am Samstag hat das Gespräch zwischen Calmy-Rey und Powell stattgefunden. Während einer halben Stunde erläuterten die beiden die gegenwärtige Position ihrer Länder. Grundlegende Differenz zwischen der Schweiz und der USA ist die Haltung bezüglich der UN-Resolution 1441. Während Powell die vom Sicherheitsrat am 8. November einstimmig verabschiedete Entschließung für nicht verhandelbar erklärt und den behaupteten Verstoß des Irak dagegen als Kriegsgrund betrachtet, sieht die Schweiz bislang keinen Grund für eine Militäraktion gegen den Irak. "Gegebenenfalls müsste der Sicherheitsrat eine weitere Resolution verabschieden", so der Bundesrat. Außerdem äußerte die Außenministern des jüngsten UN-Mitglieds ihre Sorge um die irakische Zivilbevölkerung.
Innenpolitischer Erfolg
Der eigentliche Kernpunkt ihrer Mission, das Angebot auf neutralem Schweizer Boden ein "Treffen der letzten Chance" zwischen Vertretern der USA und Irak - analog zum gescheiterten letzten direkten Verhandlungsversuch der beiden Kriegsgegner von 1991 - hat Calmy-Rey allerdings eher vage vorgetragen. Sie habe einzig gesagt, dass es solche Treffen in der Vergangenheit gegeben habe, sagte Powell nach dem Gespräch. Trotzdem spricht die Sonntagsausgabe der Neuen Zürcher Zeitung von einem "spektakulären außenpolitischen Debut" von Calmy-Rey. Mit dieser Einschätzung meint das renommierte Blatt allerdings weniger den Inhalt der diplomatischen Mission, als das gewagte Vorpreschen der Sozialdemokratin, die erst seit Anfang Jahr im Amt ist. Obwohl sie mit ihrem Beharren auf einem Gespräch mit Powell als Bedingung für ihre Teilnahme am WEF bei bürgerlichen Außenpolitikern auf wenig Verständnis stieß, schaffte sie es, die übrigen Regierungsmitglieder hinter sich zu scharen.
Am Sonntag legte Powell dann seine Sicht der Dinge vor versammelter WEF-Prominenz noch einmal dar. Auch in Davos bekräftigte der US-Außenminister die harte Haltung der USA ein weiteres Mal. Er betonte, dass er nach wie vor auf eine friedliche Lösung im Irakkonflikt hoffe. Die USA würden aber vor einem Krieg nicht zurückschrecken. Multilateralismus dürfe kein Grund für Untätigkeit sein, unterstrich Powell die Option eines amerikanischen Alleingangs. Die Kritik aus verschiedenen europäischen Staaten an der Haltung der USA versuchte Powell mit dem Argument herunterzuspielen, wonach Meinungsverschiedenheiten nicht mit amerikanischer Arroganz gleichzusetzen seien.
Als nächster Schritt im Konflikt um den Irak werde man nun den heute erscheinenden umfassenden Bericht der internationalen Waffenkontrolleure an den UNO Sicherheitsrat studieren. Die USA sei nicht in großer Eile, was ein militärisches Vorgehen gegen den Irak betreffe, es könne noch Wochen dauern, so Powell in seiner Davoser Rede. Allerdings dürfte dies nur oberflächlich ein Einlenken sein, denn einige Wochen werden auch noch benötigt, bis die amerikanischen und britischen Truppen in Angriffstärke in der Region stationiert sein werden. Nächste Entscheidungen werden nach dem Treffen zwischen US-Präsident George W. Bush und dem britischen Premierminister Tony Blair am kommenden Freitag erwartet.