Angriff auf US-Militärbasis im Irak

Foto: Ahodges7/CC BY-SA 3.0

Drei Soldaten der US-Koalition getötet. Wer die Katjuscha-Raketen abgefeuert hat, ist unbekannt, die Absicht aber klar: Die US-Truppen sollen raus dem Irak

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Die Verwundbarkeit der US-Soldaten im Irak war ein großes Thema nach der gezielten Tötung des iranischen Generals Soleimani Anfang Januar (Eskalation: USA ermorden mit gezielter Tötung General Soleimani). Der "Showdown", der in der unmittelbaren Folge erwartet wurde, blieb zum Glück aus.

Eine weitere Eskalation der Feindseligkeiten zwischen den USA und Iran wäre schwer zu kontrollieren gewesen - falls überhaupt. Die iranische Führung entzog sich dem Erwartungsdruck, schnell und gleichermaßen spektakulär auf den Killerangriff zu reagieren.

"Die Feinde Amerikas auf der Flucht"?

US-Präsident Trump nutzte dies für seine Auftritte vor dem US-Publikum, er verkaufte das Ausbleiben einer mit großem Krach geführten militärischen Erwiderung als politischen Erfolg seinerseits. Im Februar sprach er in seiner Rede an die Nation davon, dass "die Feinde Amerikas auf der Flucht sind". Zuvor, kurz nach dem Raketenangriff auf von US-Truppen genutzten Militärbasen im Irak am 7. Januar, hatte er auf Beschwichtigung gesetzt.

Man habe alles im Griff lautete seine Botschaft, "All is well". In seiner Rede, die auf den iranischen Vergeltungsschlag antwortete, betonte er gleich zu Anfang, dass bei den Angriffen auf die beiden Basen kein Amerikaner zu Schaden kam.

Irans Ziel: Die Vertreibung der US-Militärs aus der Region

Mit keinem Wort ging er darauf ein, dass die iranische Führung als Reaktion auf die Ermordung Soleimanis als langfristiges Ziel verkündet hatte, die USA aus Irak und Syrien zu vertreiben. Dies auf großer Bühne ernst zu nehmen, passt ebenso wenig zu seiner Selbstdarstellung wie das Eingeständnis, dass Iran tatsächlich die Fähigkeit habe, der Großmacht zuzusetzen. Erst im Nachhinein erfolgten Korrekturen am Ausmaß und der Wucht des iranischen Raketenangriffs auf den Luftwaffenstützpunkt al-Asad. Täglich wuchs die Zahl der Verletzten.

Peu à peu stellte sich nicht nur heraus, dass die iranischen Raketen-Angriffe auf die Basis al-Asad, wo Trump nicht lange zuvor, am 27. Dezember 2019 einen Truppenbesuch abgestattet hatte, sehr präzise waren. Es erwies sich auch, dass die Zahl der US-Soldaten, die erhebliche Verletzungen davontrugen, ständig nach oben verbessert werden musste. Am 22. Februar bezifferte das Pentagon die Zahl der US-Soldaten, die durch die Raketeneinschläge ein "Schädel-Hirn-Trauma" (traumatic brain injury) erlitten haben, auf 110.

Hintergrundgeräusche

Die Korrekturen über das Ausmaß der iranischen Angriffe wurden in Berichten gemeldet, die nicht mehr zu den Top-Nachrichten gehörten. Im Hintergrund der großen internationalen Berichterstattung tauchten dazu auch immer wieder Spekulationen auf, ob nicht doch auch, wie zunächst von iranischen Medien gemeldet, bei den Angriff auf die US-Basen amerikanische Soldaten auch tödlich verletzt wurden.

Die Informationen zum Hinterland der offiziellen Nachrichten sind jedoch spärlich und nicht gut abgesichert. Häufig sind sie mehr auf politische Botschaften ausgerichtet als auf Verlässlichkeit. Dazu kam, dass sich das Interesse verlagerte.

Ein neuer Angriff mit Todesopfern

Mit dem gestrigen Raketenangriff auf die US-Militärbasis Camp Taji (deutsch: Tadschi) im Irak ändert sich das wieder - zumindest kurzfristig. Die Katjuscha-Raketen forderten drei Todesopfer: zwei US-Amerikaner, ein Soldat der regulären Truppen und ein "Private Contractor" (Angestellter eines "Sicherheitsunternehmens"), sowie ein britischer Soldat.

Geht es um gefallene Soldaten bekommt der "Vorfall" eine ganz andere Dimension. Zur Erinnerung: Am Anfang der Eskalationen zwischen Iran und den USA, die zur Ermordung Soleimanis und zum iranischen Gegenschlag führten, stand ebenfalls ein getöteter Private Contractor mit US-Staatsbürgerschaft.

Wer die US-Basis in der Nähe von Bagdad mit angeblich 18 Katjuscha-Raketen angriff, wobei 12 weitere Soldaten verletzt wurden, ist bisher unbekannt. Zwar sollen die USA daraufhin nach Angaben eines irakischen Militärvertreters eine Basis der Miliz Kataib Hezbollah in Syrien angegriffen haben, doch wird offiziell weder der Angriff noch die etwaige Beteiligung der Miliz am Angriff auf das Camp Taji bestätigt.

Auch von iranischer Seite gibt es keine Erklärung, die den Angriff für eine mit Iran verbündete Miliz reklamiert, wie es Kataib Hezbollah der Fall wäre, oder iranische Truppen der Revolutionswächter dafür verantwortlich macht.

Unübersehbar ist jedoch, dass der Angriff zu einer ganzen Reihe von Angriffen der jüngsten Zeit auf US-Stellungen im Irak gehört und dass der zuständige US-Kommandeur Gen. Kenneth "Frank" McKenzie erst kürzlich davon sprach, dass das US-Militär im Nahen Osten einer neuen Realität gegenübersteht, bei der die iranischen Raketenangriffe auf die Militärbasis al-Asad "nicht das letzte Salvo" gewesen seien.

Irakisches Parlament verlangt Abzug des US-Militärs

Unübersehbar ist auch, dass der Angriff gegen die Präsenz der US-Soldaten gerichtet ist. Dagegen sprach sich auch das irakische Parlament nach der Tötungsaktion der USA auf Soleimani aus, bei der auch der irakische Kommandeur der Volksmobilmachungseinheiten Haschd asch-Schabi ums Leben kam. Die US-Regierung weigerte sich jedoch im Stil einer Besatzungsmacht, diese Entscheidung zu befolgen. Sie besteht darauf, die etwa 5.000 Soldaten im Irak zu behalten.

Im Irak gibt es augenblicklich nur eine geschäftsführende Regierung, starker politischer Druck ist von ihr nicht zu erwarten. Außerdem steht sie auf einem schwankenden Boden. Die Nominierung einer neuen Regierung wird dauern, hier spielen viele Faktoren mithinein, nicht zuletzt die Strippen, an denen die beiden großen Einflussmächte im Irak, die USA und Iran, ziehen.

Das Ganze geschieht vor einem erhitzten Hintergrund. So haben sich die USA nicht nur über den Parlamentsentschluss, wonach die US-Truppen das Land verlassen sollen, hinweggesetzt, sondern auch noch gegen die Einwände, im Irak Patriotsysteme aufzustellen. Sie haben die Systeme einfach ins Land gebracht und damit neu demonstriert, dass man auf irakische Souveränität in strategischen Fragen keine Rücksicht nimmt.

Die Regierung in Bagdad hat es außerdem noch immer mit den innenpolitische Spannungen zu tun, die Ministerpräsident Adil Abd al-Mahdi im November zum Rücktritt brachten: Proteste und brutal harte Gegenreaktionen mit vielen Todesopfern unter den Demonstranten. Zu den Vorwürfen, Lager- und Machtkämpfen kommt nun noch das Ölpreis-Desaster und die Corona-Epidemie, die nun auch Flüchtlingslager erreicht hat.

Öl und Corona

60 Prozent des irakischen Bruttoinlandprodukts und 99 Prozent seiner Exporte macht das Öl aus. Der niedrige Ölpreis wird die Probleme, die zu den Protesten geführt haben, weiter verschärfen. Neu kommen zur Not der Bevölkerung nun auch Ängste vor der Ausbreitung von Covid 19 dazu. Bis vor zwei Tagen wurden 71 bestätigte Fälle von Infektionen gemeldet.

Dass nun auch verdächtige Fälle aus einem Lager für Binnenflüchtlinge, wo die Insassen eng beieinander leben, gemeldet wurden, ist die nächste schlechte Nachricht aus dem Land.