Anti-Kriegs-Demo: Die Angst hat abgenommen
Weniger Menschen als im Februar demonstrierten am Samstag in Berlin. Rund 12.000 waren es dennoch. Klimabewegte hatten anderes vor.
Bei nasskaltem Herbstwetter haben am Samstagnachmittag rund 12.000 Menschen, ganz Deutschland für Abrüstung und Waffenstillstand in der Ukraine und dem Nahen Osten demonstriert. Die Veranstalter sprachen sogar von 20.000 Menschen.
Es waren auf jeden Fall wesentlich weniger als vor neun Monaten, als am 25. Februar 2023 über 30.000 Menschen für einen Waffenstillstand in der Ukraine sowie Friedensverhandlungen auf die Straße gegangen waren.
Damals standen die beiden Hauptorganisatorinnen Alice Schwarzer und Sahra Wagenknecht im Fokus der Kritik. Schon Wochen vor der Kundgebung wurde vor einer Einflussnahme Russlands gewarnt.
Neun Monate später war von dieser Gegenpropaganda wenig zu hören. Zudem hatte der Kommentator Moritz Gathmann im Deutschlandfunk erklärt, die Ukraine müsse sich nach den verflogenen Hoffnungen auf eine Rückeroberung der von Russland besetzten Gebiete auf Verhandlungen vorbereiten.
Teile der von ihr beanspruchten Gebiete würden wohl zumindest vorerst von Russland besetzt bleiben, darauf müsse sich die Ukraine einstellen, so Gathmann.
Für ähnliche Positionen waren noch vor einigen Monaten Politiker, Publizisten medial massiv angegriffen worden, so auch die Organisatorinnen der Demonstration am 25. Februar 2023.
Damals sind viele Menschen auf die Straße gegangen, weil sie befürchteten, Deutschland werde mit in den Krieg hineingezogen oder müsse zumindest durch höhere Energiepreise mit dafür zahlen.
Jetzt ist diese Angst geringer geworden, was sich auch an der geringeren Teilnehmerzahl zeigte.
"Wir sind heute auf jeden Fall viel weniger, als vor neun Monaten", sagte ein Kriegsgegner, der mit einen der Busse aus Hamburg angereist ist.
Am 25. Februar hatte sich die Aufmerksamkeit auf Sahra Wagenknecht konzentriert, die damals noch als Abgeordnete der Partei Die Linke im Bundestag saß. Am Samstag hielt die nun parteilose Politikerin gleich zu Beginn der Kundgebung vor dem Brandenburger Tor eine Rede.
Statt der auf vier Tage befristeten Feuerpause im Israel-Gaza-Krieg, die zunächst nur den Austausch von Geiseln gegen Gefangenen ermöglichen soll, forderte Wagenknecht eine Waffenruhe mit dem Ziel von Friedensverhandlungen – sowohl für den Nahen Osten als auch für die Ukraine.
"Die Menschen in der Ukraine brauchen keine Waffen, sondern endlich Frieden und dafür braucht es Verhandlungen", rief Wagenknecht unter großen Applaus.
In Bezug auf den Nahen Osten bekannte sich Wagenknecht zur Verteidigung des Existenzrechts Israels ohne Wenn und Aber, kritisierte aber das Vorgehen des Landes im Gaza.
"Es ist doch absurd, zu glauben, dass Bomben den islamistischen Terror schwächen. Sie stärken ihn", sagte sie.
Abgrenzung nach Rechts
In der zweiten Hälfte der Kundgebung am Brandenburger Tor sprach auch der stellvertretende Vorsitzende der Partei Die Linke, Ates Gürpinar. Der Bundestagsabgeordnete kritisierte, dass in allen kriegerischen Konflikten arme Menschen sterben, während die Kapitalistenklasse profitiert.
Er rief dazu auf, Kriegsdienstverweigerer aus allen Ländern zu unterstützen. Auch sein Vorredner, der langjährige SPD-Politiker und heutige Vorsitzende der Naturfreunde, Michael Müller sprach sich dafür aus, Deserteure aus allen Kriegsgebieten in Deutschland aufzunehmen.
Gürpinar und Müller sprachen sich auch gegen jegliche Zusammenarbeit mit Rechten aus. "Unsere Parole heißt: Nie wieder Faschismus, Nie wieder Krieg", rief Gürpinar. Da applaudierten nicht alle – und es gab auch einige Zwischenrufe.
An der Demonstration nahm auch ein Block der "Freien Linken" teilgenommen, die von antifaschistischen Gruppen als rechtsoffen eingeordnet wird.
Zudem gab es Fahnen und Transparente mit der Parole "Ami go Home", die im Umfeld des rechten Compact-Magazins beworben wird. Doch die Banner mussten nach kurzer Zeit auch auf Druck von Demonstrant:innen eingerollt wurden.
Eine kleine Gruppe von Antifaschisten hatte sich am Rande der Demonstration versammelt und kritisierte, dass Rechte daran teilnähmen. Allerdings hatten mehrere Redner sich auf der Kundgebung klar von Rechten abgegrenzt.
Klima- und Friedensbewegung bisher weitgehend getrennt
Von Teilnehmenden wurde bemängelt, dass der Anteil junger Menschen gering war. "Es ist schade, dass es keine Koordination mit der Klimabewegung gegeben hat", sagte ein älterer Mann, der ein Schild mit dem Satz "Krieg ist der größte Klimakiller" trug.
Auch Michael Müller erklärte in seiner Rede, dass es nötig sei, Rüstung, Krieg und die Klimakrise gemeinsam zu bekämpfen. Dass der Schulterschluss zwischen Klima- und Friedensbewegung seit Jahren gefordert, aber nicht umgesetzt wird, sehen viele der Demonstranten als Problem.
Am Samstag hatten zeitgleich zum Beginn der Friedensdemonstration nur wenige Kilometer entfernt rund 1.400 Aktivist:innen der "Letzten Generation" die Straße des 17. Juni besetzt, um den Ausstieg aus der fossilen Energieerzeugung bis 2030 zu fordern. Beide Aktionen bezogen sich nicht aufeinander.
Von Sahra Wagenknecht ist allerdings auch bekannt, dass sie ihr die Forderungen der Klimabewegung zu weit gehen – ihrer Ex-Partei Die Linke hat sie mehrfach vorgeworfen, "grüner als die Grünen" sein zu wollen. Das Fernbleiben junger Menschen, die der Bekämpfung der Klimakatastrophe eine hohe Priorität einräumen, kann auch damit zusammenhängen.
Demonstration gegen Berliner Sicherheitskonferenz
Am Rande der Demonstration der Friedensbewegung warben Antimilitaristen für weitere Aktionen. Am kommenden Mittwoch will ein Bündnis unter dem Motto "Keine Kriegskonferenz in unserer Stadt" gegen die Berlin Security Conefrence demonstriert werden, die sich selber als "größte europäische Veranstaltung zur Sicherheits- und Verteidigungspolitik" bezeichnet.
Die Gegendemonstration beginnt am 29. November um 18 Uhr am Frankfurter Tor in Berlin-Friedrichshain. Daran wird sich ein "Block der Kriegsversehrten, Zerschossenen und anderer Zombies" beteiligen.