Antiterrorkampf ohne Gesamtkonzept
In Rom sind Vertreter der sogenannten Anti-IS-Koalition zusammengetroffen. Außer Warnungen vor Aktivitäten der Islamisten in Afrika drang wenig Konkretes nach außen
Vertreter von 83 Staaten und Organisationen der sogenannten Anti-IS-Koalition sind am Montag in Rom zusammengetroffen. Der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) und sein US-Amtskollege Anthony Blinken warnten bei diesem Treffen davor, dass die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Afrika weiter an Einfluss gewinnen könnte. Was die Kabinettsmitglieder dieser beiden mächtigen Staaten aber konkret tun wollen, um diesen Einfluss einzudämmen, verrieten sie nicht. Eine Möglichkeit wäre der Versuch, die sozialen Bedingungen in den betreffenden Regionen zu verbessern und so dem Islamismus ein Stück Nährboden zu entziehen.
Autonom operierende Kleingruppen
Dies fordern Experten immer wieder. Doch ob die Anti-IS-Koalition solch einen umfassenden Ansatz überhaupt diskutiert, darf bezweifelt werden. Seit Ende 2017 gelten die Milizen des Islamischen Staates im Irak und seit Frühjahr 2019 in Syrien als besiegt. Dennoch ging man im vergangenen Jahr davon aus, dass etwa 10.000 IS-Kämpfer in kleinen Grüppchen im Grenzgebiet zwischen Syrien und dem Irak unterwegs sind und mehr und mehr autonom agierten. Unter anderem wird ihnen ein Bombenanschlag in Bagdad zugerechnet.
Ein weiteres Problem sind die gefangen genommenen IS-Kämpfer. Die nicht-syrischen Staatsbürger unter ihnen müssten von ihren Heimatländern, darunter auch etliche europäische, wieder aufgenommen werden, sagte Blinken jetzt. Allerdings beschränkte sich diese Forderung auf die gefangen Kombattanten im kurdischen Nordirak. Dass auch die syrische Regierung gerne ausländische islamistische Kämpfer loswerden will, sparte der US-Minister aus.
Geopolitische Eigeninteressen
Gegründet wurde die Anti-IS-Koalition von den USA und ihren Verbündeten auf dem Nato-Gipfel in Wales im Jahr 2014. Ihr gehören 83 Staaten und Organisationen an - unter anderem auch die Nato direkt. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass zum Beispiel Russland, China oder die syrische Regierung von Bashar al Assad in dieser Koalition keine Mitglieder sind, obwohl alle drei Länder erklärte Gegner des islamistischen Fundamentalismus sind. Der Kampf gegen den IS ist nicht von den größeren geopolitischen Interessen zu trennen. Sporadisch gibt es Zusammenarbeit und Austausch zwischen den Akteuren. Aber eine Einigung auf eine umfassende gemeinsame Linie dürfte schwierig werden.
Das liegt auch daran, dass einige Mitglieder der sich als nun entschlossene Gegner des IS präsentierenden Koalition mindestens in der Vergangenheit den islamistischen Terror begünstigt oder erst möglich gemacht haben: Ohne den US-Krieg gegen den Irak wäre der IS wohl kaum entstanden, wie beispielsweise der renommierte Islamwissenschaftler Michael Lüders schreibt, denn große Teile der von der USA aufgelösten irakischen Armee schlossen sich später dem IS an. Dass die Türkei und Saudi-Arabien direkt oder indirekt islamistische Rebellen in Syrien unterstützten, bezweifelt kaum jemand.
Ebenso ist mittlerweile klar, dass die von westlichen Staaten beziehungsweise die von deren Geheimdiensten mitaufgebaute Organisation der "Weißhelme", die als eine Art Propaganda-Werkzeug gegen Bashar al-Assad diente, Verbindungen zu Islamistischen Rebellen in Syrien gepflegt haben.
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