Arbeitsmarkt: Gewerkschaften und Regierung für schnelle Integration ukrainischer Flüchtlinge

Deutliche Kritik an deutschen Unternehmen: Für eine echte Integration brauche es auch ordentliche Arbeitsbedingungen. Wer in Deutschland Schutz suche, solle nicht ausgebeutet werden.

Der Krieg in der Ukraine könnte länger dauern und für die Flüchtlinge bedeutet das: Bis sie in ihre Heimat zurückkehren können, kann es noch dauern. Die deutsche Bundesregierung bereitet sich deshalb darauf vor, sie in den deutschen Arbeitsmarkt einzugliedern.

Dieser sei geöffnet, sagte nun Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) laut Deutscher Presse- Agentur (dpa). Und Bundeskanzler Olaf Scholz (ebenfalls SPD) hatte schon in der letzten Woche bei einem Treffen mit den Vorständen von DAX-Konzernen betont, die Wirtschaft habe bei der Integration geflüchteter Ukrainer eine große Bedeutung.

Die Gewerkschaft IG BAU warnte am Dienstag allerdings davor, die Kriegsflüchtlinge als billige Arbeitskräfte auszunutzen. Beschäftigte zweiter Klasse dürfe es nicht geben.

Auf dem Bau, in der Landwirtschaft und in der Gebäudereinigung suchen Firmen händeringend nach Personal. Manche Chefs wollen die oft gut qualifizierten Geflüchteten lieber heute als morgen einstellen – aber oft zu schlechten Bedingungen. Wer etwa als Saisonkraft in der Landwirtschaft arbeitet, hat bis zu 70 Tage lang keinen Sozial- und Krankenversicherungsschutz.

Nachdem die Arbeitgeberverbände den tariflichen Bau-Mindestlohn gekippt haben, droht den Beschäftigten in der Branche aktuell ein Einkommen auf dem Niveau des gesetzlichen Mindestlohns. Für 9,82 Euro pro Stunde sollte sich aber keiner die fordernde Arbeit auf dem Bau gefallen lassen.

Robert Feiger, Bundesvorsitzender IG BAU

Schon zuvor hatte Arbeitsminister Heil gemahnt, dass Flüchtlinge nicht Opfer von Ausbeutung werden dürften und hatte scharfe Kontrollen angekündigt. "Die allermeisten Unternehmen helfen mit, aber es gibt leider einige wenige Firmen, die versuchen, die Not der Menschen auszunutzen", hatte er gesagt.

Fleischkonzern Tönnies mit zweifelhafter Anwerbeaktion

Mit dieser Aussage spielte er unter anderem auf den Fleischkonzern Tönnies an, der direkt an der polnisch-ukrainischen Grenze versucht hatte, Flüchtlinge als Produktionshelfer anzuwerben. Die ARD hatte die Aktion Ende März aufgedeckt, woraufhin Tönnies die Anwerbung wieder stoppte.

Elf Euro pro Stunde habe man den Interessenten geboten, hatte ein Unternehmenssprecher betont; damit liege man über dem gesetzlichen Mindestlohn. Außerdem seien den Flüchtlingen sowohl Transport nach Deutschland als auch eine Unterkunft angeboten worden. Die Kosten für die Unterkunft sollten gleich einbehalten und vom Lohn abgezogen werden.

Die Anwerbeaktion erfuhr viel Kritik. Arbeitsminister Heil nannte sie: "schlimm". Als "geschmacklos" bezeichnete sie Inge Bultschneider von der Interessengemeinschaft Werkfairträge gegenüber der ARD. "Sich am Elend zu bereichern und es als gute Tat zu verkaufen, ist in der Fleischbranche nichts Neues. 2015 bei der Flüchtlingswelle haben wir Ähnliches erlebt", sagte sie weiter.

Der Fleischkonzern stritt die Vorwürfe ab. "Tönnies ging und geht es nur darum, den Menschen zu helfen", hatte ein Sprecher erklärt. Nach Bekanntwerden der Aktion stoppte sie der Konzern. "Sorry, vielleicht waren wir hier zu voreilig", hieß es dann. Künftig wolle man sich besser mit den Behörden und der Politik absprechen.

Viele ukrainische Flüchtlinge sind hochqualifiziert

Die Gewerkschaften plädieren dafür, den Kriegsflüchtlingen schnell zu helfen, dennoch aber prekäre Beschäftigung zu vermeiden. Versäumnisse in der Arbeitsmarktpolitik der vergangenen Jahre sollen nun nicht durch die Flüchtlinge ausgeglichen werden müssen, heißt es beim Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB). Wohl auch, weil prekäre Beschäftigung immer öfter auch bedeutet, nur geringe Aufstiegschancen zu haben.

Ein anderer Grund ist, dass viele der ukrainischen Flüchtlinge entsprechende Qualifikationen vorweisen können, um auch in anderen Berufen als denen des Niedriglohnsektors Arbeit finden zu können. Laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) verfügt rund die Hälfte derer, die aus der Ukraine nach Deutschland geflohen sind, eine abgeschlossene Hochschulausbildung und vergleichbare Abschlüsse. Vierzehn Prozent verfügen demnach über berufsbildende Abschlüsse und 26 Prozent über eine höhere Schulausbildung.

Eine wichtige Voraussetzung für eine echte Integration in den deutschen Arbeitsmarkt sei die Anerkennung ausländischer Bildungsabschlüsse, betonte Feiger am Dienstag. "Berufsqualifikationen aus der Heimat dürfen in Deutschland nicht wertlos werden." Außerdem sollten die Behörden den Zugang zu Sprachkursen vereinfachen.

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