Asiatischer Dämpfer für grüne Gentechnologen
Wegen Missernten wurde in Indien der Verkauf von genvernändertem Bt-Saatgut des US-Konzerns Monsanto verboten
Die grüne Gentechnologie – eine Bezeichnung für Gentechnik im landwirtschaftlichen Sektor – feierten multinationale Konzerne, Landespolitiker und einige Wissenschaftler im September 2004 als Heilmittel für die geplagten Kleinbauern der Welt. Auf der ersten großen, internationalen Konferenz zur grünen Gentechnologie in Europa, die in den Kölner Messehallen stattfand, freuten sich die Veranstalter über Wachstumsraten für gentechnisch verändertes Saatgut: 28 Prozent in den Entwicklungsländern! Nicht zum Schaden der dortigen Bauern, meinte der Organisator der Konferenz, Dr. Peter Welters vom Unternehmen Phytowelt, "die Kleinbauern dort konnten speziell mit der BT-Technologie, die Pflanzen gegen Schädlinge resistent macht, ihr Einkommen verbessern".
Die Kleinbauern "brauchen keine Chemikalen mehr für den Pflanzenschutz", verkündete Welters und verwies noch auf den jüngsten Kronzeugen der Gentechnologie, die Welternährungsorganisation FAO. Die schreibt neuerdings der grünen Gentechnologie ebenfalls eine wichtige Rolle im Kampf gegen den Hunger auf der Welt zu. Aber dieser Lobgesang auf die Meriten der grünen Gentechnologie hat nun erstmals auch in Asien einen deutlichen Dämpfer erfahren.
Nirgendwo in Südindien wird so viel Baumwolle angebaut wie im Bundesstaat Andhra Pradesh. Mit seinem Genome-Valley in der Nähe der Hauptstadt Haiderabad gilt der Bundesstaat heute als eines der wichtigsten Zentren der Gentechnologie in Südasien. Anfang der 80er Jahre wurde Andhra Pradesh von der "grünen Revolution" erfasst, die mit ihrer Orientierung auf Cash-Crops wichtige Voraussetzungen schuf, um heute die grüne Gentechnologie einzuführen. Cash-Crops stehen seit der grünen Revolution hoch im Kurs. Das sind landwirtschaftliche Produkte, die Bauern nicht primär für den Eigenkonsum, sondern für den Verkauf anpflanzen: Tabak, Tee, Reis und Baumwolle. Damals, in den 80er Jahren, vertrieben die ersten Saatgutkonzerne ihre Waren und lieferten das Zubehör: Kunstdünger und Pestizide, die zum Symbol der grünen Revolution und des Fortschritts wurden. Monokultureller Anbau war angesagt, die bäuerliche Subsistenzwirtschaft galt als rückständig.
Das Geschäft lief anfangs gut, doch dann kam die unvermeidliche Krise: Die Pflanzenschädlinge wurden resistent, neue und teurere Pestizide kamen auf den Markt. Vor allem Kleinbauern mit maximal fünf Morgen Land – und das sind mehr als 90 Prozent der Bauern in Andhra Pradesh - gerieten schnell in die Schuldenfalle. Mit der Marktöffnung Indiens fielen im Laufe der 90er Jahre zudem die Preise für Baumwolle und andere Cash-Crops.
Die meist zweistelligen Zinszahlungen an die Gläubiger trieben und treiben viele Kleinbauern in den finanziellen Ruin. Seit Jahren begehen immer mehr von ihnen Selbstmord. Die meisten trinken Pestizide, das einstige Symbol des Fortschritts. Allein im Bundesstaat Andhra Pradesh nahmen sich im vergangenen Jahr mehr als 2.000 Menschen das Leben, darunter besonders viele Bauern aus den Baumwollregionen, die von indischen Tageszeitungen als "Killing fields" bezeichnet werden.
2002 kam dann das BT-Baumwollsaatgut auf den Markt. Nach Angaben des Herstellers und US-Multis Monsanto sei es resistent gegen den Baumwollkapselwurm, den ärgsten Feind der Pflanze. Begleitet wurde die Einführung der BT-Pflanze mit einer groß angelegten Werbekampagne im Fernsehen, im Radio und in den Tageszeitungen. Hunderte von Saatguthändlern reisten übers Land, priesen die Vorzüge des BT-Saatguts an: Höhere Ernteerträge, kein Pestizideinsatz. Die Kleinbauern schienen wieder hoffen zu können. Zwar erfüllten sich größtenteils schon in den ersten zwei Jahren nicht die Versprechen, mit denen das Saatgut beworben wurde: Auch bei der BT-Baumwolle mussten Pestizide eingesetzt werden. Aber die Ernte war noch erträglich.
Im vergangenen Jahr kam es dann zum Desaster. "Auf 25.000 Morgen Land, auf denen Kleinbauern die BT-Baumwolle gepflanzt hatten, gab es eine völlige Missernte", beklagt sich Shri Raghuveera Reddy, der Agrarminister des Bundesstaates. Nach seinen Angaben stehen 10.000-12.000 Familien vor dem Nichts. Während der Konzern bis heute an der These festhält, es läge am falschen Umgang der Bauern mit dem Saatgut und mangelnder Bewässerung, erklärten die mitgliederstarken Bauernorganisationen das Saatgut des Konzerns dafür verantwortlich und machten Druck auf die Regierung ihres Bundesstaates. Ohne wütende Demonstrationen von Kleinbauern verging kaum eine Woche. Im Mai dieses Jahres sah sich nun auch das Genetic Engineering Approval Committee, die zentrale Zulassungsbehörde für Gentechnik in Neu Delhi – ansonsten bekannt für ihren großzügigen Umgang mit Anträgen ausländischer Investoren – gezwungen, die Genehmigung für das BT-Saatgut aus dem Jahre 2002 nicht zu verlängern. Das Verkaufsverbot gilt für die Saatgutsorten Mech-12 Bt, Mech-162 Bt und Mech-184 Bt, mit Ausnahme des Mech-12 Bt jedoch nur für Andhra Pradesh, nicht für andere Bundesstaaten in Indien.
Die Regierung in Andhra Pradesh hat Monsanto sogar aufgefordert, den Bauern 8,5 Millionen Euro als Entschädigung zu zahlen. Die Coalition in Defence of Diversity, ein Zusammenschluss von 140 Bauerngewerkschaften und Nichtregierungsorganisationen in Andhra Pradesh mit einer grundsätzlich kritischen Haltung gegenüber der grünen Gentechnologie, zeigte sich erfreut über diese Regierungsbeschlüsse. In einer Langzeitstudie verweist der Zusammenschluss darauf, dass die BT-Bauern in den vergangenen drei Jahren im Schnitt sogar 60 Prozent weniger verdient haben als diejenigen, die auf das herkömmliche Saatgut gesetzt haben. Die Coalition in Defence of Diversity fordert die Bundesstaatsregierung nun auf, Andhra Pradesh so bald wie möglich zur ersten gentechnikfreien Zone in Asien zu machen.
Doch dafür stehen die Chancen schlecht, ebenso wie für angemessene Entschädigungszahlungen an die Kleinbauern. Monsanto sieht sich nicht in der Pflicht und verfolgt eine Politik, die sich seit dem Desaster von Bhophal 1984 ins kollektive Gedächtnis der Inder eingebrannt hat und Erinnerungen an die Kolonialzeit weckt: Trotz formaler Unabhängigkeit Indiens – das Leben seiner Bewohner ist weniger wert als die Gewinnmargen der ausländischen Investoren. Monsanto, weltweit Nummer Eins im Geschäft mit dem gentechnisch veränderten Saatgut, schert das nicht. Der US-Konzern hat bereits zwanzig indische Unternehmen als Lizenznehmer für seine BT-Baumwolle gefunden und zudem angekündigt, eine "BT-Baumwolle II" auf den Markt zu bringen.