Atommülltransporte kommen ins Rollen

Das atomare Zwischenlager Ahaus ist nur zu 10-Prozent ausgelastet - das wird sich bald schlagartig ändern. UPDATE zu den Genehmigungen

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Mehr als 300 Behälter mit radioaktiven Abfällen sollen ab Anfang 2010 ins atomare Zwischenlager Ahaus im Münsterland gebracht werden. Der Atommüll soll aus dem Versuchsreaktor Jülich und der französischen Wiederanreicherungsanlage La Hague kommen, erstmals werden aber wohl auch Transporte aus einer Atomfabrik in Duisburg dabei sein. Stark strahlender Atommüll könnte auch aus Karlsruhe kommen. Atomkraftgegner warnen indes vor den Risiken der Transporte und kritisieren die mangelhafte Informationspolitik von Regierung und Atomindustrie.

Zwischenlager Ahaus

Müll aus der ganzen Bundesrepublik

Am 11. November erteilte die Bezirksregierung Münster die Einlagerungsgenehmigung für Atommüll aus deutschen Atomkraftwerken im Zwischenlager Ahaus – wie viel und woher der Müll kommen wird verschweigt die Regierungsstelle. Sicher ist, dass 152 Atommüllbehälter aus dem Kernforschungszentrum Jülich bei Aachen eingelagert werden sollen. Die Castorbehälter stehen bereits transportfertig auf dem Gelände des Forschungszentrums. Der Versuchreaktor in Jülich wurde bereits 1988 nach zahlreichen Störfällen abgeschaltet und befindet sich im Rückbau – die verstrahlten Baustoffe sollen nun in Ahaus zwischengelagert werden.

Wie diese Transporte von Jülich nach Ahaus abgewickelt werden ist unbekannt: Neben der Beförderung per Bahn sind auch Lastwagen-Konvois über die Autobahn möglich. In jedem Fall wird die Fahrt quer durch das Ruhrgebiet verlaufen. Auch aus der französischen Plutoniumfabrik La Hague wird bald Atommüll nach Ahaus kommen, dabei ist der Transport über die Schiene sicher. Umweltschützer erwarten über 150 Castor-Behälter aufgeteilt in mindestens einem halben Dutzend Zugtransporten aus Frankreich. Der in Frankreich behandelte deutsche Atommüll wird – ähnlich wie bei Castor-Transporten nach Gorleben – bei Wörth am Rhein nach Deutschland einfahren und anschließend Hessen durchqueren. Die Transportstrecke über das nordhessische Kassel und von dort über Warburg Richtung Westen ins Münsterland gilt als sicher. Dabei sollen neue Behälter vom Typ TGC36 zum Einsatz kommen die bisher noch nie verwendet wurden.

Ergänzung zu den Genehmigungen

Der Artikel „Atommülltransporte kommen ins Rollen“, enthält einige Ungenauigkeiten. Grundsätzlich handelt es sich um drei Genehmigungen für Transporte nach Ahaus, die von der Gesellschaft für Nuklear-Service mbH an die zuständigen Behörden gestellt wurden: Ende 2006 wurde ein Antrag zur Einlagerung von mittel- und schwachradioaktiven Abfällen aus deutschen Atomkraftwerken im atomaren Zwischenlager Ahaus gestellt. Dieser Antrag wurde im November 2009 genehmigt – der Atommüll kann grundsätzlich aus allen deutschen Atomkraftwerken kommen, mit Sicherheit aber von den GNS-Standorten Jülich, Karlsruhe und Duisburg. Ende 2006 beantragte die GNS zudem Transporte aus dem französischen La Hague nach Ahaus, dieser Antrag bedarf noch einer Genehmigung – bis zum Start der Transporte kann es laut GNS aber noch einige Zeit dauern. Im Herbst 2009 beantragte die GNS die Einlagerung von 152 Behältern mit hochradioaktiven Kugelbrennelementen aus dem AVR Jülich in Ahaus, diese sind zwar vollständig beladen aber noch nicht fertig zum Abtransport. Der Antrag wurde zudem ebenfalls noch nicht genehmigt.

Atommüll aus Duisburg und Karlsruhe

Erstmals wird wohl auch Atommüll aus einer Konditionierungsanlage der Gesellschaft für Nuklear-Service mbH (GNS) in Duisburg nach Ahaus transportiert. Dies sei „ziemlich sicher“, so der ansonsten sehr bedeckte GNS-Pressesprecher Michael Köbl auf Nachfrage. In der neben einem Wohnviertel liegenden Anlage in Duisburg-Wanheim am Rhein wird schwach- und mittelradioaktiver Abfall verpackt und für die Endlagerung vorbereitet.

Im Jahr 2006 beantragte GNS in Duisburg zeitgleich zur nun stattgegebenen Einlagerungsgenehmigung für Ahaus eine Erweiterung ihrer Lagerkapazität in Duisburg. Dort darf der Müll nun zwei bis vier Jahre zwischengelagert werden – teilweise sogar unter freiem Himmel. Die Strahlenbelastung sei aber nur gering, so die Gesellschaft für Nuklear-Service.

Anders sieht dies bei den so genannten Core-Bauteilen aus: diese Baustoffe aus dem Reaktorkern sind meist stark radioaktiv kontaminiert. In Karlsruhe betreibt die GNS eine Anlage zur Zerkleinerung und Verpackung solchen Mülls. Die Genehmigung zur Einlagerung stark strahlender Core-Bauteile in Ahaus holte die GNS bereits von der Regierung ein und darf nun sogar eine höhere Strahlenmenge als im einstürzenden Versuchsendlager Asse einlagern. Dass der hochradioaktive Atommüll Anfang 2010 ins Zwischenlager im Münsterland gebracht wird schloss GNS-Sprecher Michael Köbl nicht aus: „Auch aus Karlsruhe kann etwas kommen.“

Genaue Angaben über den Umfang und die Abwicklung der Transporte wollte er aber nicht machen. Der GNS-Atommüll komme aber „wahrscheinlich aus allen Standorten: Karlsruhe, Jülich und Duisburg.“ Neben Atomanlagen in den drei Städten betreibt die GNS auch die Zwischenlager in Gorleben und Ahaus – die GNS-Castor-Transporte nach Ahaus können nach Genehmigung also schnell auf den Weg gebracht werden.

Mangelhafte Informationspolitik

Der Informationsfluss vor den Atommülltransporten ist – wie schon bei vorherigen Transporten – spärlich. Die Medien bekommen fast nur auf konkrete Anfragen, Bürgerinnen und Bürger meist gar keine Informationen. Dabei wäre eine aufgeklärte Bevölkerung besser auf etwaige Unfälle vorbereitet, merken Umweltschützer an: „Oft wissen nicht einmal die lokalen Feuerwehren und Stadtverwaltungen entlang der Transportstrecke von den gefährlichen Atommüllfahrten“, so Matthias Eickhoff, Sprecher des Bündnisses Münsterland gegen Atomanlagen. Von offener Informationspolitik seitens der Gesellschaft für Nuklear-Service und der konservativen Münsteraner Bezirksregierung könne nicht die Rede sein:

Die Nukleartechnologie ist sehr sensibel, daher steht die Atomindustrie in der Verantwortung von sich aus ehrlich zu informieren.

Dieser Verantwortung werde nicht nachgekommen, kritisiert Eickhoff. Auch die Möglichkeit jedes Bürgers seine Meinung zu äußern werde untergraben:

Die Bevölkerung wird oft nicht gegen die Atomtransporte aktiv, da sie von der Industrie gezielt unwissend über das Geschehen vor ihrer Haustür gelassen werden.

Atomkraftgegner laufen sich warm

Zwar sind die konkreten Transporttermine noch nicht an die Öffentlichkeit gelangt, die Atomkraftgegner bereiten aber schon auf Protestaktionen vor: Für den 20. Dezember rufen Anti-Atom-Initiativen bundesweit zur Großdemonstration nach Ahaus auf. Die konkreten Transporte sollen bei Bekanntwerden mit kreativen Protestformen begleitet werden. Bereits in den vergangenen Wochen kam es im rund 45 Kilometer nordwestlich der Stadt Münster gelegenen Ahaus zu Demonstrationen gegen die bevorstehenden Transporte: am 15. November trotzten über 150 Atomkraftgegner dem nasskalten Wetter und zogen durch Ahaus, in der darauf folgenden Woche gab es tägliche Mahnwachen am Zwischenlager.

Auch die staatlichen Sicherheitsorgane arbeiten schon: die Polizei bereitet sich auf einen Großeinsatz mit tausenden Polizisten vor. Der nordrhein-westfälische Verfassungsschutz rechnet mit Auseinandersetzungen und beschwört in seinem aktuellen Jahresbericht gewalttätige Aktionen seitens der Atomkraftgegner herauf.