Aufreger-Debatte um Fahrverbote: Gerichtsurteil nur Scheinsieg für den Klimaschutz?

Autowrack in dystopischer Wüstenlandschaft

Ein Ausflug ins Grüne mit dem Privatauto ist für viele auch irgendwie Menschenrecht. Kann es das trotz Klimakrise für alle und für immer sein? Symbolbild: ki-generiert

Klimaschutz ist laut EGMR Menschenrecht. Welche praktischen Konsequenzen hat das auf nationaler Ebene? Können uns Gerichtsurteile retten? Ein Kommentar.

Wenige Tage, nachdem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg am Beispiel der Schweiz klargestellt hat, dass Defizite beim Klimaschutz Menschenrechte verletzen können, macht Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) den Deutschen Angst vor Fahrverboten am Wochenende, falls dieses Urteil hierzulande ernst genommen werde.

Ein allgemeines Tempolimit hatte die FDP in den Koalitionsverhandlungen abgelehnt, die Klimaschutz-Sektorziele im Verkehrsbereich wurden nicht erreicht. "Arbeitsverweigerung" lautete der Vorwurf bekannter Klima-Aktivistinnen wie Luisa Neubauer an Wissing.

Angstszenario Fahrverbote als Druckmittel gegen Klimaschutz?

Aktuell werfen sie ihm eine populistische Angstkampagne gegen Klimaschutz vor, nachdem er jahrelang andere Vorschläge zur Emissionsminderung ignoriert habe. Kritik kommt auch aus den Reihen der Koalitionspartner SPD und Bündnis90/Die Grünen und mehreren Umweltorganisationen.

"Der Verkehrsminister versucht so schamlos wie durchschaubar, mögliche Konsequenzen des eigenen Versagens in politischen Druck umzumünzen", sagte Greenpeace-Mobilitätsexpertin Clara Thompson der Deutschen Presse-Agentur "Zwei Jahre hat Wissing damit vergeudet, jede Klimaschutzmaßnahme im Straßenverkehr zu blockieren – jetzt malt er Horrorszenarien an die Wand, um auch in Zukunft nichts tun zu müssen."

Erste Zäsur: Der Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts

Im April 2021 hatte das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVerfG) einen bahnbrechenden Beschluss für mehr Klimaschutz gefällt: Geklagt hatten das Netzwerk Fridays for Future und alle größeren deutschen Umweltverbände.

Die wesentliche Begründung des BVerfG: Ohne mehr Klimaschutz seien die Freiheitsrechte der jüngeren Generationen gefährdet. Die damalige große Koalition in Berlin musste noch im selben Jahr ihre Klimaschutzziele per Gesetz wesentlich verschärfen. Das oberste deutsche Gericht hatte einen neuen Maßstab für mehr Klimaschutz gesetzt. Prima, richtig und wichtig für die Überlebensfrage der Menschheit.

Klarstellung mit unklaren Folgen: Klimaschutz ist Menschenrecht

Jetzt hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ebenso einen neuen Maßstab für mehr Klimaschutz gesetzt. Geklagt hatten etwa 2.000 "Klima-Seniorinnen" aus der Schweiz.

Hauptbegründung: Die Schweizer Regierung gefährde ihre Gesundheit durch zu wenig Klimaschutz. Und wieder bekamen die Klägerinnen und Kläger vor Gericht Recht. Begründung der 17 Richterinnen und Richter in Straßburg: Klimaschutz ist ein Menschenrecht. Der Jubel in den Medien und bei den Betroffenen war und ist groß.

Aber: Ist er auch berechtigt? Werden und können uns Gerichte vor der endgültigen Klimakatastrophe retten? Da kommen doch einige Zweifel auf.

Woran die Klima-Klage der Jugendlichen aus Portugal scheiterte

Zur gleichen Zeit nämlich hat das Gericht eine weitere Klima-Klage abgewiesen. Geklagt hatten sechs Jugendliche aus Portugal. Ihre Klage war entschieden weitreichender und wurde mit einer wenig überzeugenden, rein formalen Begründung abgewiesen.

Diese Klage richtete sich gegen 32 Länder, darunter alle 27 EU-Staaten sowie die Schweiz, Norwegen, die Türkei, Großbritannien und Russland. Die jungen Portugiesen wollten erreichen, dass diese 32 Länder weit weniger Treibhausgase ausstoßen dürfen als bisher.

Die wenig überzeugende Begründung des Gerichts für seine Ablehnung: Die Jugendlichen müssten sich zuerst in Portugal durch alle Instanzen klagen und dann erst auf europäischer Ebene.

Zwei Fragen dazu: Ist die Klimakrise nur ein Schweizer Problem und nur eines für Senioren und Seniorinnen, Ihr Richter in Straßburg?

Klima-Urteil ohne konkrete Auflagen für Regierende

Das Gericht hat der Schweizer Regierung nicht einmal Auflagen erteilt. Bei aller Freude über das Schweizer Urteil: Es könnte sehr wohl sein, dass es praktisch völlig unwirksam bleibt.

Auch dieses richtige Urteil macht klar, dass uns letztlich nicht die Gerichte allein retten können. Die entscheidenden Weichen müssen die Politik, die Wirtschaft und wir alle stellen. Prima, wenn die Gerichte dazu ihren wichtigen Beitrag leisten.

Solare Weltrevolution als Weg aus der Klimakatastrophe

Der Spiegel hat das jüngste Straßburger Klima-Urteil als "Scheinsieg" bezeichnet. Die Klimakrise macht weder vor Generationen Halt noch kennt sie nationale Grenzen. Sie ist unsere Überlebensfrage und damit die größte Krise unseres Jahrhunderts.

Wir werden sie nur lösen durch einen raschen und hundertprozentigen Umstieg auf erneuerbare Energien. Dazu brauchen wir eine solare Weltrevolution. Es ist die erste wirkliche und friedliche, gewaltfreie globale Revolution. Sowohl die französische wie die russische und auch die chinesische Revolution waren weder friedlich noch global noch gewaltfrei. Erst das Solarzeitalter bringt die eigentliche Zeitenwende.

Quelle: Franz Alt 2024 | www.sonnenseite.com

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